Die Kernkraft erlebt eine Renaissance – nur nicht in Deutschland
Denn so hatten sich die grüne Bundestagsabgeordnete Kotting-Uhl und grüne Umweltorganisationen das nicht vorgestellt: Da soll die EU in einem „Green Deal“ in ein neues gelobtes Zeitalter „transformiert“ werden, bei dem keine „Klimagase“ mehr ausgestoßen und eine Weltklimakatastrophe abgewendet werden kann. Das Heilsversprechen sieht klares Klima, Wohlstand und Gerechtigkeit für alle vor, die EU müsse nur „ambitioniert“ genug sein und Milliarden fließen lassen, sie „nachhaltig“ investieren, dann sei das Paradies nahe.
Expertengruppen der EU-Kommission sollten verschiedene Technologien analysieren und unter anderem empfehlen, wie ein „nachhaltiges“ Energiesystem aussehen soll. Doch die Empfehlung einer Expertengruppe sorgte für Aufsehen. Die kam, nachdem sie verschiedene Energieerzeugungstechnologien verglichen hatte, zu dem Schluß: Die Kernkraft ist nachhaltig. Mit ihr sei der Weg in eine „saubere“ und „nachhaltige“ Energieerzeugung möglich.
EU-Expertenkommmission lobt Kernkraft als nachhaltig
Jetzt müßte sich nur die EU-Kommission noch dieser Empfehlung anschließen, dann wäre der Weg für Anleger und Investoren für Investitionen in Atomkraft frei. Denn die sollen ihre Finanzströme nur noch in jene Energiesysteme lenken, die von der EU-Kommission als „nachhaltig“ und „sauber“ eingestuft wurden. „Die Analysen ergaben keine wissenschaftlich fundierten Beweise dafür“, so der Joint-Research-Centre-Report 2021, „daß die Kernenergie der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt mehr Schaden zufügt als andere Stromerzeugungstechnologien, die bereits in der Taxonomie als Aktivitäten zur Unterstützung des Klimaschutzes aufgeführt sind“.
Auch der Atommüll, erklären die Experten, bereite keine Probleme mehr: „Gegenwärtig besteht ein breiter wissenschaftlicher und technischer Konsens darüber, daß die Endlagerung hochradioaktiver, langlebiger Abfälle in tiefen geologischen Formationen nach heutigem Kenntnisstand als ein geeignetes und sicheres Mittel angesehen wird, um sie für sehr lange Zeiträume von der Biosphäre zu isolieren.“
Ungelöste Fragen der Atommüll-Entsorgung waren für die Experten des vergangenen Berichtes vor zwei Jahren noch der Grund, die Atomkraft abzulehnen. Doch gerade Atomländer wie Frankreich und damals noch Großbritannien sowie andere osteuropäischen Länder mochten sich dieser Einschätzung nicht anschließen und beauftragten eine neue Analyse.
Man kann sich den Schock von Kotting-Uhl und anderen „Umweltschutzorganisationen“ ausmalen, die jetzt befürchten, daß die Atomlobby den „Green Deal“ kapern könnte, den sie doch so schön im Griff haben. Die grüne Bundestagsabgeordnete, unter anderem ehemalige Germanistikstudentin, Kindergartenleiterin, Fördermitglied von Greenpeace und jetzt Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, empfindet das Votum als persönliche Beleidigung, ist doch das Joint-Research-Centre – ehedem Institut für Transurane (ITU) – gewissermaßen Nachbar in ihrem Wahlkreis Karlsruhe-Stadt. „Das Joint-Research-Center mit seinem Sitz in meinem Wahlkreis Karlsruhe enttäuscht und entsetzt mich hier zutiefst.“
Früher wurden hier die Grundlagen der deutschen Kernindustrie gelegt, befand sich an diesem Flecken doch mit dem 1956 gegründeten ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe die Wiege der deutschen Kernkraftnutzung. Wissenschaftler erforschten hier die wesentlichen Grundlagen der Kernnutzung, die heute noch der Kernkraft dienen. Weltweit zumindest – in Deutschland nicht mehr.
Deutschland koppelt sich ab, weltweit werden Kraftwerke gebaut
Für die Sozialdemokraten war die Kernkraft – so hieß es 1959 noch im Godesberger Programm der Partei – „die Hoffnung dieser Zeit, daß der Mensch im atomaren Zeitalter sein Leben erleichtern, von Sorgen befreien und Wohlstand für alle schaffen kann“. Erst als die Kernkraft in Mißkredit gebracht wurde, war das Ende des Forschungszentrums besiegelt, und die Grünen verordneten dem Zentrum grüne Luftblasenforschung und begannen mit der systematischen Zerstörung der Energieversorgung Deutschlands. Ganz in der Nähe sprengten die Grünen vor genau einem Jahr das stillgelegte Kernkraftwerk Philippsburg in die Luft, ein voll funktionstüchtiges Kraftwerk im Wert von rund drei Milliarden Euro.
Zum Ende dieses Jahres sollen in Deutschland drei weitere Kernkraftwerke vom Netz gehen, die letzten drei dann Ende 2022. Klar ist niemandem, woher der Strom dann kommen soll. Der wird in Deutschland Mangelware, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) denkt über Rationierung der wichtigsten Lebensader eines Industrielandes nach und hofft, Strom aus Nachbarländern importieren zu können. Die aber haben selbst teilweise zu wenig Strom und werden im Zweifel ihren eigenen Bedarf zuerst decken.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD): „Deutschland ist das einzige Land, das gleichzeitig aus Kohle und Atom aussteigt. Das sollte man nicht unterschätzen – und das wird auch international anerkannt.“ Schulze scheint höfliches Kopfschütteln mit Anerkennung zu verwechseln, bemerkt nicht das komplette Unverständnis, wie ein Industrieland seine Energieversorgung kappen kann.
Deutschland koppelt sich von einer sicheren und preiswerten Energieversorgung ab, während weltweit neue Kernkraftwerke gebaut werden. In den meisten Industrieländern der Welt erlebt die Kernkraft einen richtigen Boom. So wird im Nachbarland Frankreich gerade in Flamanville ein neuer Druckwasserreaktor gebaut; in der EU erzeugen derzeit 109 Kernkraftwerke Strom, allein 96 davon in Frankreich. In Finnland wird ein Reaktor fertiggestellt, in Slowenien zwei. Tschechien und Bulgarien planen ebenfalls neue Reaktoren, Ungarn und Rumänien sogar zwei. In Rußland stehen 39 Reaktoren. In China arbeiten 49 Anlagen, 15 neue Kernkraftwerke sind im Bau, weitere 34 geplant. In den USA wird eine neue 1.250-Megawatt-Anlage in diesem Mai eingeschaltet. Insgesamt produzieren 96 Reaktoren in den USA 20 Prozent des Stromes.
Nur in Deutschland glauben Grüne, SPD, Linke und andere, man könne mit Wind- und Sonnenstrom den Energiebedarf eines Industrielandes decken. Windenergie – die wurde früher vor allem im Norden von Windmüllern genutzt, die ihr Getreide mit Windmühlen zu mahlen versuchten, während bei Flaute eben nichts mehr ging. Der Grund liegt in der zu geringen Energiedichte von Wind- und Sonnenenergie.
Nicht umsonst benötigten Segelschiffe möglichst große Flächen, um den Wind für den Vortrieb von relativ geringen Lasten zu nutzen. Wesentlich besser sieht es beim Dieselantrieb aus, mit dem eine verhältnismäßig geringe Menge an Kraftstoff mit hohem Energiegehalt die riesigen Schiffe mit über 20.000 Containern über die Ozeane treiben kann. Noch besser sieht das Verhältnis bei Kernantrieben aus, bei denen geringe Mengen Uranbrennstoff gewaltigen Flugzeugträgern monatelang Dampf machen können.
Denn das ist das Reizvolle an der Kernenergie: Sie ist viele Millionen Mal stärker als die Energie aus Kohle- oder Ölverbrennung oder – noch ungünstiger – aus Sonnenstrahlung oder Windenergie.
Im Kern schlummert eine enorme Energie
Die Ursache dafür liegt im Aufbau des Atoms. Außen umgibt jedes Atom eine negativ geladene Hülle von Elektronen. In dieser Ebene spielt sich das ab, was wir täglich erfahren: die Zustandsänderungen von Stoffen, wenn sich Atome mit anderen zu neuen Stoffen verbinden oder auch bei Verbrennungsprozessen und, natürlich, wenn elektrischer Strom fließt.
Doch diese Energien sind vergleichsweise schwach gegenüber denen im Innern des Atomkerns. Dringen wir in den Kern des Atoms vor, so herrschen hier 100 Millionen Mal stärkere Energien als außen in der Elektronenhülle. Die Protonen des Atomkerns werden durch extrem starke Kräfte zusammengehalten, während außen in der Hülle mal schnell ein Elektron abgegeben oder aufgenommen werden kann.
Genau diese Verhältnisse machen die Nutzung der Atomkraft so reizvoll. Spaltet man die Protonen des Atomkerns, so werden dabei gigantische Mengen an Energie frei – entweder explosionsartig wie bei der Atombombe oder kontinuierlich über einen längeren Zeitraum bei der Erzeugung von Strom in einem Kernkraftwerk.
Deutschland wird zum energiepolitischen Problemfall Europas
Zum ersten Mal erkannten deutsche Forscher wie Otto Hahn, daß die Spaltung bestimmter Isotope des Urans oder Plutoniums einen Teil der extremen Energie des Atomkerns freisetzt. Und – Zukunftsmusik – um noch ein Vielfaches höhere Energien verspricht die Verschmelzung von Wasserstoff-Isotopen, der sogenannten Kernfusion. Dieser Vorgang liefert die unvorstellbar großen Energiemengen in der Sonne.
Dies alles bedeutet: Deutschland schreitet mit voller Kraft rückwärts, greift auf die spärliche Energieversorgung früherer Jahrhunderte zurück und wird damit zum energiepolitischen Problemfall Europas. Die derzeit installierte Leistung von rund 63 Gigawatt an Windanlagen nutzt nichts, wenn der Wind nicht weht. Da hilft auch nicht, was die neue alte grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg plant: mindestens 1.000 neue Windräder. Auch 0 mal 1.000 bleibt null, kein Wind – kein Strom.
Microsoft-Mitbegründer Bill Gates will sich da nicht weiter in die deutsche Diskussion einmischen, betont er gern. Doch er rät zur Kernkraft, die das Klima retten soll: „Das Einzige, was ich den Deutschen sagen würde, ist dies: Falls es eine komplett neue Generation von Kernkraftwerken geben sollte, deren Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Müllbilanz dramatisch besser sind, dann solltet ihr angesichts des Klimawandels vielleicht dafür offen sein, zu schauen, ob sie Teil der Lösung sein könnten.“
Gates hatte bereits vor 15 Jahren das Unternehmen Terrapower mitbegründet, das neue Reaktortechnologien entwickeln soll. Die sollen vor allem die „Abfälle“ der bisherigen Reaktoren zur Energiegewinnung nutzen können. Mit diesen Resten könnten, so hat Terrapower ausgerechnet, fast alle Menschen über ein Jahrtausend mit Energie versorgt werden. Denn die bisherige Reaktortechnologie aus den fünfziger Jahren konnte nicht mehr als drei Prozent der Energie aus dem Brennstoff herausholen. Der Rest steckt immer noch in den atomaren Abfällen.
Deswegen ist es keine besonders gute Idee, radioaktive „Abfälle“ aus den Kernkraftwerken in Schächten zu vergraben. Sie sind der Brennstoff künftiger Generationen von Reaktoren. Und ja, die sind CO2-frei, sollte jemand auf dieses Argument Wert legen.
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