Ältere Menschen starben 2020 in Deutschland mit COVID-19 später als 2016 bis 2019 ohne COVID-19.
In seinem Artikel „Die Maskenpflicht wird immer zweifelhafter.“ stellt Dr. med. Ziegler – eher am Rande – (hier) fest, „ … mit einem Durchschnittsalter der Verstorbenen von 80 Jahren oder darüber ist COVID eine natürliche Todesursache, man stirbt daran in der Regel aus Altersschwäche“.
Randbemerkung zu den Masken
Zunächst aber eine Randbemerkung zu seinem eigentlichem Thema: Nicht nur er begründet die Unwirksamkeit der Masken u.a. mit der Größe des einzelnen Virions von unter 0,1 Mikrometer Durchmesser, deren Eindringen selbst durch die aufwendigeren Masken nicht verhindert würde. Das ist zwar richtig aber insofern nicht ganz stichhaltig, als die Infektionswahrscheinlichkeit proportional der Anzahl der eingedrungen Virionen ist. Grundsätzlich werden sie nicht als einzelne Viruspartikel transportiert sondern in Tröpfchen bzw. Aerosolen. Ihre Anzahl in denselben ist wiederum in etwa proportional dem Volumen des Trägers, Tröpfchen oder Aerosol. Mit den gemessenen mittleren Durchmessern aus Abb. 1 ist dieses Volumenverhältnis ca. 2 Millionen zu Eins (Tröpfchen: d=520 μm zu Aerosol: d=4 μm). Damit dürfte der überwiegende Anteil der Infektionen über Tröpfchen verlaufen.
Dieser dominierende Übertragungsweg wird auch durch weniger aufwendige Masken behindert, allerdings nicht so sehr durch das Zurückhalten der Tröpfchen und Aerosole. Ihre Schutzwirkung besteht vor allem in der Abbremsung der ausgestoßenen Teilchen, deren räumliche Ausbreitung dadurch auf ca. 40 bis 50 cm reduziert wird gegenüber sonst ca. 150. Ihre Anzahl wird dagegen kaum mehr als um 30% verringert. Schuld sind die Undichtigkeiten an den Rändern, durch die insgesamt gut 70% entweichen – allerdings eben abgebremst. Eine Randbedingung für geschlossene Räume bleibt aber – mit oder ohne Masken – zu beachten, dass nämlich ausreichende Frischluftzufuhr die Akkumulation von Aerosolen mit ihrer geringeren Sedimentationsgeschwindigkeit verhindert. Soweit die Randbemerkung.
Datenbasis
Wie zuvor schon (hier) begründet, sind statistische Daten zu Todesfällen – ohne jede Berücksichtigung der Todesursache – die mit Abstand solideste quantitative Information, die zu den gesundheitlichen Folgen einer Epidemie erhoben werden kann. Für die z. Zt. erhobenen und meist unkritisch weiter verbreiteten Zahlen von „Covid-19 Opfern“ gilt das schon nicht mehr. Die Verursachung des Todes durch SARS-CoV-2 wird in aller Regel ohne ausreichende pathologische Untersuchung getroffen und auf dem Totenschein so bescheinigt allein auf Grund der Tatsache, dass der Verstorbene – auch – klinische COVID-19 Symptome zeigte. Das RKI hatte sogar ausdrücklich gerügt, wo Kliniken diese Verursacherfrage mittels dieses wichtigen Instruments der medizinischen Qualitätssicherung hatten klären wollen. Als ‘harte‘ Angabe kann also nur die Tatsache gelten, dass ein Patient mit Covid-19 verstarb. Der Bruchteil derer, die nicht nur mit sondern an Covid-19 d.h. hauptursächlich wegen der Infektion mit SARS-CoV-2 verstorben sind, wird nur mit großer Unsicherheit feststellbar sein, so dass solche Angaben keine verlässlichen Schlussfolgerungen erlauben.
Als Quelle wurden wieder Daten des Statistischen Bundesamtes (DeStatis, hier) und von STATISTA (hier) ausgewertet. DeStatis stellt die Altersverteilung der bundesrepublikanischen Sterbefälle zur Verfügung. STATISTA verbreitet neben unzähligen anderen statistischen Daten die vom RKI aufbereiteten Zahlen von Sterbefällen mit Covid-19 Symptomatik. Beide Quellen bieten Klassifizierung auch nach Alter und Geschlecht an. Zuverlässigere Quellen sind mir nicht bekannt.
Altersverteilung der Sterbefälle mit Covid-19
Für seine Einstufung von COVID-19 als „natürliche Todesursache“ verweist Dr. Ziegler auf eine aktuell vom RKI publizierte Altersverteilung der Sterbefälle mit COVID-19 Diagnose, wie sie von STATISTA (siehe oben) mit dem Stand vom 17.11.2020 verbreitet wurde. Als erfahrenem Arzt genügte ihm offensichtlich der Blick auf die dort als Balkendiagramm dargestellte Häufigkeitsverteilung von Frauen und Männern in Abhängigkeit vom Sterbealter. Abbildung 2, links zeigt dieses Balkendiagramm.
Dem weniger Erfahrenen bestätigt das rechte Feld in Abb. 2 die Aussage, daß das mittlere Sterbealter mit COVID-19 (im Median) für Männer mit etwas über 81 und für Frauen mit etwas über 85 Jahren sich von einer ‘normalen‘ Alterssterblichkeit nicht unterscheiden lässt.
Altersverteilung der Sterbefälle mit und ohne Covid-19
Nachdem die Gesamtsterblichkeit der COVID-19 Wellen des Jahres 2020 gemessen an den Grippewellen der vorhergehenden Jahre deutlich bis erheblich geringer ausfällt (hier), sollte doch wenigsten der stellenweise als dramatisch beklagte Verlust an Lebenszeit in den Altentagesstätten und bei den alten Mitbürgern überhaupt sich in der Altersverteilung der COVID-19 Sterbefälle bemerkbar mache.
Zur Prüfung dieser Vermutung bietet sich der Vergleich an mit den Daten der Altersverteilungen der Gesamtsterblichkeit, d.h. ohne Berücksichtigung von Todesursachen, die das Statistische Bundesamt für die Jahre 2016 bis 2019 in einer Sonderauswertung (siehe oben) am 20.11.2020 bereitstellte. Für die Jahre 2016 bis 2019 kann postuliert werden, dass COVID-19 als Todesursache keinen Betrag zur Sterblichkeit in diesen Jahren geliefert hat. Somit sollten ein Vergleich der Altersverteilungen der Sterbefälle, die den Kurven in der Abb. 2, rechts entsprechen, unter Umständen die Behauptung Dr. Zieglers widerlegen können. Die mit Covid-19 Verstorbenen verstarben möglicherweise doch verfrüht!
Als Vergleichswert wurde für jede Altersklasse in den DeStatis Tabellen der arithmetische Mittelwert der jährlichen Gesamtsterblichkeit in den Referenz-Jahren 2016 bis 2019 gebildet (notiert als <2016-2109> in den Abbildungen 3 bis 6). Die Altersverteilung dieser Mittelwerte stellt insofern eine ‘normale‘ Referenzkurve dar, als SARS-CoV-2 in diesen Jahren nichts zur Sterblichkeit hat beitragen können und auch die Gesundheitsbehörden diese Jahre als ‘normal‘ bewerteten. Auch sind keinerlei der in 2020 für die Eingrenzung der SARS-CoV-2 als unverzichtbar postulierten Katstrophenschutzmaßnahmen zuvor jemals nur angedacht, geschweige denn verhängt worden.
Die detailliertere Darstellung in Abb. 3 bestätigt Dr. Zieglers Beurteilung, dass die Alterssterblichkeit mit Covid-19 nicht schlimmer ausfiel als in den Referenzjahren. Tendenziell scheinen Frauen mit Covid-19 sogar später als in den Referenzjahren zu sterben. Was in Abb. 3 bei den Frauen nur tendenziell so erscheint, das ist bei Männer in Abb. 4 nicht mehr zu übersehen. Sie sterben in 2020 mit Covid-19 ca. 3 Jahre später, als die Männer in den 4 Jahren, als SARS-CoV-2 noch nicht in Europa angekommen waren.
Die Fragestellung, ob Dr. Ziegler recht hatte, daß die Covid-19 Sterblichkeit von einer normalen Alterssterblichkeit nicht zu unterscheiden ist, war von der Alternativhypothese angeregt worden, dass sie eventuell doch wenigstens früher sterben, wenn schon rein zahlenmäßig in 2020 deutlich weniger Epidemie Opfer sterben als in üblichen Grippewellen. In Abb. 4 ist für Männer das Gegenteil einer solchen Tendenz zu erkennen. Hier verschiebt sich der Medianwert der Sterbealter mit Covid-19 um rund 3 volle Jahre von ca.78,3 auf 81,3 Jahre. Ein – nicht ernst gemeinter aber prinzipiell denkbarer – Vorschlag zur Deutung dieses Befundes wäre, dass Covid-19 überdurchschnittlich oft überdurchschnittlich Gesunde befällt, die ohne Covid-19 noch deutlich länger hätten leben können, so dass nur deren Überschuss Lebenserwartung durch Covid-19 ein wenig verringert würde. Bei Frauen fiele diese Wirkung deutlich geringer aus, weil diese sowieso schon deutlich älter als Männer werden.
Zur Verdeutlichung zeigt Abb. 5 den Kurvenverlauf, den man erwarten würde, wenn die Alternativhypothese zuträfe, dass Covid-19 das Sterbealter auffällig vorverlegt hätte – bei jeweils gleicher Gesamtopferzahl. Die in Abb. 3 und 4 gegebenen Kurvenverläufe zeigen genau das Gegenteil der unter der Alternativhypothese erwarteten Verläufe in Abb. 5.
Der Vollständigkeit halber sei ergänzt, dass die (noch vorläufige) Altersverteilung der Gesamtzahl der Sterbefälle in 2020, d.h. einschließlich der mit Covid-19 gemeldeten Sterbefälle, sich von dem entsprechenden Mittelwert der Jahre 2016 bis 2020 nicht unterscheidet. Jedenfalls nicht ausreichend dafür, um mit einer generellen Reduktion der Sterblichkeit in 2020 in den Altersklassen ab etwa 70 Jahren – aus welchen Gründen auch immer(!) – die beobachtete Reduktion bei den Covid-19 Fällen erklären zu können. Wie zuvor (hier) und (hier) gezeigt ist auch die Gesamtzahl der Todesfälle in 2020 bisher von denen der Jahre 2016 bis 2019 nicht zu unterscheiden – mit Ausnahme der Todesfälle in den typischen ‘Grippe-Wellen‘, die in 2020 unterdurchschnittlich ausfielen.
Bewertung
Die Erwartung, dass Covid-19 wenigstens gemessen an der Größe der verlorenen Lebenserwartung die Gesellschaft als Ganzes bedrohen könnte, ist mit den hier ausgewerteten Daten nicht zu vereinbaren. Bei dieser Erwartung hätte der Vergleich mit der Altersverteilung von Sterbefällen ohne Covid-19 tendenziell wie in Abb. 5 ausfallen müssen. Wenn überhaupt eine Wirkung, so offenbaren die Daten in Abb. 3 und 4 die genau entgegengesetzte Wirkung. Die bisher 12804 mit Covid-19 in 2020 Verstorbenen haben länger gelebt als in den 4 Vergleichsjahren zuvor die ohne Covid-19 Verstorbenen. Für die Behauptung, dass SARS-CoV-2 auch im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Lebenszeit keine messbare schädliche Wirkung entfaltet, reicht dieser qualitative Vergleich aus. Insofern hat Dr. Ziegler richtig gesehen.
Als Nebenbefund sei bemerkt, daß die in Abb. 3 und 4 sichtbare Verschiebung der Sterbefälle zu höheren Sterbealtern auch statistisch hoch signifikant ist. Der 2-Stichproben Kolmogorov-Smirnov Test für den Vergleich von empirischen Verteilungsfunktionen ergibt Testwerte, die noch weit über den kritischen Testgrößen bei einer zweiseitigen Irrtumswahrscheinlichkeit von 10-6 liegen(Tabelle 1).
Zu erinnern ist:
- Quellen für verlässlichere Daten kenne ich nicht.
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Vor allem soweit es 2020 betrifft sind die Daten vorläufig. Nur eine dramatische Verlaufsänderung der inzwischen auch schon wieder abflauenden Sterblichkeit könnte die Bewertung jedoch noch ändern.
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Die Daten gelten nur für Deutschland. Neben dem biologischen Gefährdungspotential eines Erregers ist für die Zahl der Sterbefälle und deren Altersverteilung sowohl der allgemeine Gesundheitszustand der befallenen Bevölkerung als auch die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems maßgebend. Ohne explizite Berücksichtigung dieser Faktoren sind Hinweise über dramatische Verläufe in anderen Ländern belanglos.
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Weder in der Gesamtzahl der bisher mit Covid-19 Verstorbenen noch in der verringerten Lebenszeit der Verstorbenen ist aus diesen Daten eine Bedrohung der Allgemeinheit zu erkennen.
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Die tatsächliche Anzahl der Verstorbenen, für deren Tod Covid-19 die entscheidenden Ursache war, ist kleiner als die Zahl der von STATISTA weitergegebenen Todesfälle mit Erwähnung von Covid-19 auf dem Totenschein.
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Die Vermutung, daß die Schutzwirkung des am 23. März verhängten Lockdown die Ursache für diesen ‘glimpflichen‘ Verlauf darstellt, wird durch die Tatsache widerlegt, daß er deutlich nach dem Ende der exponentiellen Welle verhängt wurde. Auch das Ausbleiben einer auf den Lockdown folgenden weiteren Absenkung der effektiven Reproduktionszahl paßt schlecht zu dieser Erklärung.
Das immer tragische Sterben vergleichsweise weniger Einzelner in Deutschland kann insofern keine Rechtfertigung für drakonische Eingriffe in das Leben der Allgemeinheit liefern.