Neu, next, grün und CO2-frei: Die EU nach von der Leyens Plan
Das Klimablaue vom Himmel versprach Ursula von der Leyen bei ihrer ersten Rede zur Lage der EU. Die Kommissionspräsidentin, die vor einem drohenden parlamentarischen Untersuchungsausschuss aus dem Berliner Verteidigungsministerium auf die Brüsseler Spitzenposition entkam, verkündete: »Wir möchten Vorreiter weltweit sein.«
Ihr »Neuer Grüner Deal« sieht natürlich in Europa keine Autos mehr vor, zumindest nicht solche, die mit Verbrennermotoren angetrieben werden. Für E-Autos sollen mal eben eine Million Ladestellen entstehen; wo der Strom dafür herkommen soll, wenn immer mehr Kraftwerke abgeschaltet werden, interessiert sie in ihrer Rede nicht einmal beiläufig.
750 Milliarden Euro sollen über »umweltfreundliche Anleihen« für grüne Zwecke locker gemacht werden. Genug Geld sei also vorhanden, meinte sie.
Kein Bereich soll ungeschoren davonkommen: Für 40 Prozent der Emissionen sei der Gebäudebereich zuständig. Man ahnt, was kommen soll: Die sollen weniger Energie verbrauchen, also frieren für den Klimawandel. Als Baumaterialien empfahl sie Holz und Künstliche Intelligenz. Es könne ein »neues europäisches Bauhaus« entstehen für die »Next-Generation EU«.
Wasserstoff solle die Kohle bei der Stahlherstellung ersetzen. Von der Leyen versprach »grünen Stahl«, der mit blauem Wasserstoff anstelle schwarzer Kohle erzeugt wird und so die Welt rettet. »Ich verstehe, dass es für einige zu viel ist, für andere nicht genug«, meinte sie.»Unsere Wirtschaft« schaffe das aber, bekräftigte sie mit Blick auf Deutschland, in dem dummerweise gerade der große industrielle Kehraus stattfindet. Streichung von Arbeitsplätzen, Insolvenzen und schliessende Fabriken spielen in der Brüsseler Blase keine Rolle. Auch nicht, dass gerade Continental 30 000 Arbeitsplätze streichen will, deren größter Aktionär Schäffler 4400 und MAN 9500 Stellen. Ein Drittel der Autozulieferfirmen gilt als »akut gefährdet«. Für Von der Leyen offenbar Peanuts.
Wohlgefällig konnte sie dagegen jene rund 150 Wirtschaftsvertreter erwähnen, die bei ihr antichambrierten und ausdrücklich um ein verstärktes »Weiter so!« in der Klimapolitik baten. Die großen Unternehmen reklamieren mindestens 55 Prozent Einsparung.
Deutsche Telekom, Deutsche Bank, Allianz und erstaunlicherweise sogar SAP stehen an und wollen ihren Teil von den Brosamen aus der Staatskasse. Die einstigen Energieriesen RWE, E.on und Vattenfall sind längst zu staatlich alimentierten Institutionen verkommen, die sich das Abschalten ihrer Kraftwerke teuer vom Staat bezahlen lassen. Aus Aktionärssicht ist auch ziemlich gleichgültig, wo das Geld herkommt: Von redlich erarbeiteten Stromverkäufen oder aus vom Staat fürs Abschalten überwiesenen Mitteln. Stattliche staatliche Alimentationen haben die Unternehmenslenker zu ihrem großen Kotau vor der Klimapolitik beflügelt. Die Politik gibt vor – die Manager führen willig aus.
Von der Leyen rief im Parlament unwidersprochen fast 40 Jahre nach Einführung des Internets tatsächlich das »digitale Zeitalter« aus und wollte eine »europäische Cloud«. Sie sagt nicht, woher die gewaltigen Mengen an Strom kommen sollen, die digitale Infrastruktur und Rechenzentren benötigen, wenn Kraftwerke abgeschaltet sind, und mal wieder der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.
In jedem Fall soll dieses »Neuland« (Merkel) Internet »bis ins letzte Dorf« ausgebaut werden, 5G und 6G und Glasfaser gleich mit, denn das sei wichtig, hat sie erkannt. Man kann kaum noch nachvollziehen, zum wievielten Male schon diese Forderung zu hören war. Und man vermeint, von ferne das grölende Lachen der US-Internetgiganten zu hören. Das Einzige, das die EU fertig bringt, ist, jenen Hightech-Riesen ein paar Milliarden als Strafzahlungen aus der Tasche zu leiern, anstelle in der EU den Boden für eigene freie Entwicklungen zu bereiten.Acht Milliarden Euro sollen laut von der Leyen für die nächste Generation von Supercomputern ausgegeben werden. Die europäische Industrie solle außerdem nach ihren Worten einen neuen Mikroprozessor entwickeln. Aus Brüssel vermutlich schwer zu erkennen, dass die europäische Halbleiterindustrie schon längst abgewandert ist. Die Sätze von der Leyens muffeln nach Erich Honecker, der 1986 den Experten des Zentrums für Mikroelektronik (ZMD) in Jena befohlen hatte, den internationalen Anschluss zu finden und 1988 einen Chip als Beweis für die Leistungsfähigkeit des Sozialismus entgegennahm. Doch Chip und Land waren längst Auslaufmodelle.
Sie schwärmt in ihrer Rede von Technologien wie Precision Farming, der mit IT-Technologie präzise arbeitenden Landwirtschaft. »Aber diese Welten brauchen Regeln«, meinte sie in sozialistischem Neusprech. Doch die benötigen eher weniger Bürokratie, gar Gender-, Quoten und andere Unsinnsregeln, sondern Selbstverantwortung und Handlungsfreiheit. Ein europäisches Google bliebe vermutlich im Dschungel von Vorschriften, Einschränkungen und spätestens bei der fehlenden LGBT– und Quotenfrage hängen, anstatt sich frei entwickeln zu können.
Tatsächlich fiel dann in von der Leyen Rede auch das Stichwort: LGBT-freie Gebiete seien menschlichkeitsfreie Gebiete, meinte sie, so unglaublich das auch klingt. Ein »Koordinator für Rassismus« soll installiert werden.
»Europa muss jetzt führen« und man müsse »schnell und entschlossen handeln!«, rief sie den wenigen Parlamentariern entgegen, die sich zu ihrer Rede ins Parlament verirrt hatten und wissen wollten, was die Stunde der EU geschlagen hat.
Warum das Ganze? Um »unseren zerbrechlichen Planeten« zu retten. »Der erhitzt sich immer weiter.« Die Gletscher des Mont Blanc seien bereits kollabiert, wusste sie.
In jedem Fall wollen ihre Bürokraten in Brüssel bis kommenden Sommer auflisten, wem alles im Zuge der CO2-Abgaben Geld abgenommen werden könne, und die rechtlichen Grundlage dafür schaffen. Jenes mittelalterliche Ablass-Emissionshandelssystem hat sich als so ertragreich erwiesen, dass es auf weitere Bereiche ausgeweitet werden soll. Bisher müssen nur Industrie, Autoverkehr und Kraftwerke CO2 Abgaben bezahlen. Da geht noch mehr.
Die EU habe die Abschaffung der europäischen Industrie beschlossen, hatte der frühere BDI-Präsident Hans Olaf Henkel vorher getwittert. Das Freiburger »Centrum für europäische Politik« kritisierte von der Leyens Rede als »wirtschaftspolitisches Harakiri«:
»Entgegen der Darstellung von der Leyens ist die Verschärfung des EU-Klimaziels, die CO2-Emissionen gegenüber 1990 bis 2030 statt um 40 Prozent um mindestens 55 Prozent zu reduzieren, eine immense Herausforderung für Bürger und Volkswirtschaften. Klimaziele sind leicht gesetzt. Aber gerade angesichts der Corona-Krise muss sichergestellt sein, dass dies die europäischen Unternehmen nicht überfordert und gegenüber ausländischen Konkurrenten benachteiligt.«Am 23. Oktober wollen sich die Umweltminister der EU treffen, bis dahin soll die Position bei allen durchgepeitscht sein und bis Mitte Dezember soll das Parlament zustimmen.
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