geschrieben von Chris Frey | 24. August 2020
Was ist eine zirkulationsarme, unbestimmte Wetterlage?
Abbildungen 1a und 1b: In der oberen Abbildung (1a) erkennt man auf der Wetterkarte vom 5. Juli 2020 zwischen einem Tief über Norwegen und einem Azoren-Hoch zahlreiche weiße Linien, die Isobaren, welche besonders über der Nord- und der westl. Ostsee sehr gedrängt verlaufen – ein kräftiger westlicher Wind war die Folge, mit ihm zogen die Wetterfronten mit ihren Wolken- und Regengebieten rasch ostwärts. Ein ganz anderes Bild dann am 14. August 2020, das sich so ähnlich an vielen Augusttagen zeigte: Kaum Isobaren über Deutschland und auch in höheren Luftschichten praktisch kaum ein Luftdruck- und Temperaturgefälle – eine lehrbuchhafte „unbestimmte“ oder zirkulationsarme Wetterlage. Die orange Farbe weist auf bis in große Höhen vorhandene Warmluft hin, was die anhaltende Hitze erklärt. Bildquelle beider Karten wetterzentrale.de
hier.
Werden zirkulationsarme, unbestimmte Wetterlagen häufiger?
Eine Häufung dieser Lagen deutet sich bei freilich großer Streuung an:
Abbildung 2: Entwicklung der Anzahl der Tage mit XX-Lagen (unbestimmte Lagen nach der Objektiven Wetterlagen-Klassifikation) im Sommer. 2020 Schätzung, da der Beitrag vor Ende August abgeschlossen wurde.
Als Ursachen dieser abgeschwächten Zirkulation kann man neben der sehr geringen Sonnenaktivität die momentane AMO-Warmphase vermuten. Diese trägt Wärme in den Nordatlantik, das Nordmeer und den europäischen Sektor der Arktis ein, was als Hauptursache für den starken Rückgang des arktischen Meereises anzusehen ist. Damit vermindern sich die Temperaturgegensätze zwischen Atlantik und dem europäischen Festland, aber auch das Temperaturgefälle zwischen niederen und höheren Breiten nimmt ab. Im Sommer ist der Einfluss der AMO auf die Lufttemperaturen in Deutschland und die Häufigkeit der Großwetterlagen mit südlichem Strömungsanteil signifikant:
Abbildung 3: Gut 16% der Variabilität der sommerlichen Lufttemperaturen werden in Deutschland von der AMO bestimmt – in AMO-Warmphasen wie um die Mitte des 20. Jh. und momentan, sind die Sommer wärmer. Am Ende der AMO-Warmphasen häufen sich außerdem Großwetterlagen mit südlichem Strömungsanteil (Klassifikation nach HESS/BREZOWSKY). Auch der Sommer 2020 zeichnete sich durch überdurchschnittliche AMO-Werte aus.
Diese Lagen mit südlichem Strömungsanteil häufen sich auch signifikant in Phasen mit geringer Flächenausdehnung des arktischen Meereises im Sommer, und zwar auch dann schon, wenn die Eisbedeckung im Frühling zu gering war. Selbiges gilt, aber in abgeschwächter Form, auch für die Häufigkeit der unbestimmten (XX)-Lagen:
Abbildung 4: Je geringer die Fläche des arkt. Meereises im Mai, desto mehr XX-Lagen treten im folgenden Sommer auf – der Zusammenhang ist aber nicht signifikant. Doch auch dem Sommer 2020 ging ein Mai mit viel zu geringer Meereis-Ausdehnung voraus.
Abbildung 5: Das Zonalwindmittel der QBO, gebildet aus den Werten der 15-, 40- und 70-hPa-Schicht über Singapur, weist im Sommer einen deutlich fallenden Trend auf.
Abbildung 6: Tendenziell mehr XX-Lagen bei negativer QBO in der Fläche 70 hPa (negativer, nicht signifikanter Zusammenhang). Auch im Sommer 2020 herrschten in 70 hPa deutlich negative Werte („Ostwind-Phase“).
Besonderheiten der August-Witterung 2020
Abbildung 7: Hoher Luftdruck nordöstlich von Deutschland und Warmluftadvektion bis in große Höhen (hohes Geopotential – dunkelrote Farbe) leitete eine Hitzewelle ein. Bildquelle: wetterzentrale.de
Doch anschließend fiel der Luftdruck, auch durch Überhitzung bedingt, in den unteren Luftschichten, und es bildete sich über Deutschland ein flaches, diffuses Hitzetief, während sich nun eine Hochdruckzone von den Azoren über die nördliche Nordsee nach Skandinavien erstreckte:
Abbildung 8: Am Rande einer von den Azoren nach Nordeuropa reichenden Hochdruckzone blieb zwar das hohe Geopotential am 9. August erhalten, aber in Bodennähe fiel der Luftdruck über Mitteleuropa, so dass hier kaum noch ein Luftdruckgefälle bestand. Bildquelle: wetterzentrale.de
Außerdem sickerte feuchte Luft ein, in der sich vermehrt Schauer und Gewitter entwickelten, die als typische „Wärmegewitter“ aber keinerlei dauerhafte Abkühlung brachten. Am 13. August war dieses diffuse Hitze-Tief sogar in der Bodenwetterkarte erkennbar:
Abbildung 9: Ein flaches Tief über West- und Mitteleuropa brachte am 13. August ebenfalls keine wesentliche Abkühlung. Bildquelle: wetterzentrale.de
Abbildung 10: Bodenwetterkarte vom 14. August 2020, früher Abend. Die eigenartig gekrümmten, fetten Linien über Mittel- und Westeuropa sind keine Isobaren oder Fronten, sondern Konvergenzen, an denen sich Schauer und Gewitter konzentrieren. Man beachte den gewaltigen, mehr als 1000 Km betragenden Abstand zwischen der 1016 hPa-Isobare über der Nordsee und der 1012 hPa-Isobare über Norditalien – es herrschte also praktisch kein Luftdruckgefälle über Mittel- und Westeuropa. Bildquelle: UKMO-Metoffice aus dem Archiv von wetter3.de, leicht verändert und ergänzt.