geschrieben von Chris Frey | 27. Juni 2020
Teil 1 – oberflächlich und unvollständig, eine Sendung verpasster Chancen
Teil 2 – viel längst Bekanntes zu den Folgen des Klimawandels
Abbildung 1: Keine winterliche Erwärmung seit 1987/88, hier am Beispiel der Stationen Zugspitze und St. Bernhard gezeigt; Selbiges trifft auch auf weite Teile Österreichs besonders in den höheren Lagen zu. Ursache ist eine Häufigkeitszunahme der Tage mit nördlichem Strömungsanteil, was vermehrt höhenkalte Luft in den Alpenraum führte. Selbst der sehr milde Winter 2019/20 kehrte diesen Trend, der, wie alle Trends, nicht in die Zukunft extrapoliert werden darf, nicht um. Man kann aber annehmen, dass Wintersport über drei oder mehr Monate auch künftig in geeigneten Lagen (Nordhänge über 1500 Meter Höhe gibt es in den Alpen reichlich) meist möglich bleiben wird. Es sind wohl auch unsere gestiegenen, überzogenen Freizeit-Ansprüche (Skisport möglichst schon im Oktober und noch im Mai!), welche mit der schon lange vorhandenen Realität kollidieren!
Abbildung 2: Die tendenziell stark zunehmende Sonnenscheindauer (gelb) am Sonnblick in Österreich beeinflusste die dortige Variabilität der Lufttemperaturen (pink) selbst im Jahresmittel zu mehr als einem Drittel – Sven Plöger deutet diese Problematik kurz an. Seit 1887 nahm dort die jährliche Sonnenscheindauer um mehr als 230 Stunden zu – Ähnliches zeigt sich im gesamten Alpenraum. Die weitaus stärkste Erwärmungswirkung der Sonne findet im Sommerhalbjahr statt, doch im Gegensatz zum Flachland wirkt in den Hochlagen auch die Wintersonne zumindest leicht erwärmend – Dank der besonders klaren Bergluft, der Inversionslagen und der Südhänge, welche, anders als ebenes Gelände, gerade bei tiefem Sonnenstand viel Strahlung empfangen. In AMO-Warmphasen (momentan) ist es sonniger, außerdem trugen die Luftreinhaltemaßnahmen, geänderte Wetterlagenhäufigkeiten sowie die Austrocknung der Landschaft durch Melioration und Besiedlung zur stärkeren Besonnung bei. Weil Lufttemperatur und Sonnenscheindauer sehr unterschiedliche Größen sind, mussten sie zur Veranschaulichung in einer Grafik in Indexwerte umgerechnet werden.
Abbildung 3: Schwankende, aber keinesfalls merklich zu- oder abnehmende Sommerniederschläge in Bad Ischl (Österreich). Ähnlich sieht das an fast allen Alpen-Stationen aus. Und Starkregen oder Unwetter sind (leider schon immer!) ein wesentliches Merkmal des Alpenklimas; sie treten dort viel häufiger und intensiver auf, als im Flachland.
Sehr vorsichtig und kurz, aber deutlich vernehmbar, berichtet Sven Plöger von vergangenen Klimawandeln im Alpenraum, besonders beim Thema „Ötzi“ am Ende der Sendung. Freilich hätte gerade auch diese historisch so spannende Tatsache früherer Klimawandel etwas mehr Sendezeit verdient – es soll hier ebenfalls ergänzt werden:
Abbildung 4: Globaler Temperaturverlauf seit dem Ende der (vorerst) letzten Kaltzeit.
Wir müssen erkennen – Klimawandel war und ist praktisch immer, doch nie passt er uns. Was in diesem insgesamt ganz passablen Teil 2 noch fehlte, war ein Hinweis auf die im 20. Jahrhundert ausufernde Bau- und Siedlungstätigkeit, welche erstens über den Wärmeinseleffekt nicht unwesentlich zum Klimawandel beiträgt, und zweitens die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens von Naturkatastrophen und Menschen stark erhöht. Die Alpen sind (leider) das am stärksten zersiedelte und baulich veränderte Hochgebirge der Welt, was auch ohne Klimawandel zu Konflikten führt. Mit den Worten „ Die Alpen sind ein Hotspot des Klimawandels“ entlässt Sven Plöger den Fernsehzuschauer in den Montagabend. Doch die wirklich unbequeme, seit Jahrhunderten bekannte Wahrheit lautet: Hochgebirge sind aufgrund ihrer Geografie ein schwieriger, gefährlicher Siedlungs- und Wirtschaftsraum. Ihre Schönheit blendet uns, täuscht aber über ihre Gefahren hinweg. Unsere oberflächliche Freizeit- und Spaßgesellschaft vergisst das leider allzu oft – und jammert dann über den „bösen“ Klimawandel, wenn Lawinen, Bergstürze, Flutwellen oder Unwetter wieder einmal ihre Opfer gefordert haben.