2020 zum wiederholten Mal sehr ungünstiger Frühling in Teilen Deutschlands – häuft sich Extremwetter? Teil 1
Teil 1: Häufen sich zu Extremwetter neigende Großwetterlagen?
Ein kleines Rätsel zum Auftakt
Nachlassende Sonnenaktivität – Menetekel für Extremwetter und Missernten?
Schon der deutsch-britische Astronom und Musiker Friedrich Wilhelm Herschel (englisch William Herschel) hatte um 1800 den Zusammenhang zwischen Weizenpreisen und Sonnenaktivität erkannt – immer, wenn die Anzahl der Sonnenflecken sehr gering war, stiegen die Weizenpreise, weil es (vermutlich) bei einer inaktiveren Sonne, die sich grob in weniger Sonnenflecken äußert, mehr Extremwetter gibt. Das 20. Jahrhundert war trotz der zwei furchtbaren Weltkriege auch deshalb ein außergewöhnlich günstiges für die Menschheit, weil es ein insgesamt mildes mit meist ausreichenden Niederschlägen war – Dank einer sehr aktiven Sonne waren die Schrecken der „Kleinen Eiszeit“ mit ihren Kälte- und Dürreperioden vergessen. Doch das 21. Jahrhundert wird viel ungünstiger verlaufen – ein Blick auf die Entwicklung der Sonnenaktivität zeigt, warum das so sein könnte:
Großwetterlagenhäufigkeiten nach HESS/BREZOWSKY – näher betrachtet
hier. Aus den insgesamt 30 Wetterlagen müssen in der Regel für Häufigkeitsanalysen „Cluster“ mit ähnlichen Eigenschaften gebildet werden; etwa einer ähnlichen Strömungsrichtung, oder ob sie antizyklonal (hochdruckbeeinflusst) oder zyklonal (Tiefdruckeinfluss) sind. Pauschale „Extremwetterlagen“ gibt es zwar nicht, doch neigen beispielsweise alle Ostlagen zu strenger Winterkälte und großer Sommerhitze, Südlagen fallen, mit Ausnahme des Winters im Flachland, mehr oder weniger deutlich zu warm, im Sommer teils extrem heiß, Nordlagen mit Ausnahme des Winters in Tieflagen, mehr oder weniger deutlich zu kalt aus; alle antizyklonalen Lage tendieren zu Niederschlagsarmut. Und wenn sich ähnelnde Lagen wochenlang vorherrschen, wie etwa im Hitze-Juni 2019, als 22 Tage mit südlichem Strömungsanteil einen neuen Rekord bedeuteten, so ist das Extremwetter. Die Häufigkeitsverhältnisse geben also lediglich wichtige Hinweise, ob die Witterung in einem bestimmten Zeitraum zu Temperatur- oder Niederschlagsextremen neigte. Weil die Daten seit 1881 vorliegen, boten sich langfristige Analysen an, weil diese aber manche aktuelle Entwicklung verschleiern, wurde außerdem der Zeitraum ab Beginn des Maximum-Jahres im SCHWABE-Zyklus 21 (1979) näher betrachtet; er ist mit 41 Jahren schon lang genug, um bei der großen Streuung der Häufigkeiten brauchbare Aussagen zu liefern. Im Folgenden werden daher stets zwei Grafiken der Häufigkeitsentwicklung desselben Clusters gezeigt; immer aufgeschlüsselt nach den vier meteorologischen Jahreszeiten: erst der Gesamtzeitraum und dann der ab 1979. Die jahreszeitenweise Betrachtung ist sinnvoll, weil bestimmte Wetterlagentypen, wie schon dargelegt, sehr unterschiedliche jahreszeitliche Auswirkungen haben können, besonders hinsichtlich der Temperaturen, aber auch die Neigung zur Trockenheit hat im Frühling/Sommer viel gravierende Auswirkungen, als im Herbst/Winter. Wegen des großen Untersuchungsumfangs können im Folgenden nur die wichtigsten Entwicklungen dargestellt werden. Bei allen Wetterlagen mit Westanteil (außer den vier Westlagen; siehe Abb. 3, kommen da noch die jeweils zwei Nordwest- und Südwestlagen hinzu) zeigt sich nur langfristig eine Zunahme im Winter und eine Abnahme im Sommer; seit 1979 aber nicht; hier ging die Häufigkeitsabnahme auf Kosten des Herbstes; geringe Abnahmen im Winter/Frühling sind ebenso nicht signifikant wie ein geringer Anstieg im Sommer (der aber, wie wir gleich sehen werden, fast nur von warmen, mitunter zu Hitzewellen und Unwettern neigenden SW-Lagen verursacht wurde). Auch bei allen meridionalen Lagen verlief die Entwicklung auf den ersten Blick nicht dramatisch; langfristig eine mäßige sommerliche Häufung bei nicht signifikanten Rückgängen in den übrigen Jahreszeiten. Seit 1979 eine Häufung im Herbst bei leichten und minimalen Häufungen im Winter bzw. Frühling; fast kein Sommer-Trend. Spannender ist da schon die Entwicklung des Großwettertyps Nord:
Bei den insgesamt seltener auftretenden, im Sommer oft zu Hitzewellen und Dürren neigenden Südlagen zeigt sich Folgendes:
Und wie sah die Entwicklung bei den für Extremwetter berüchtigten Ostlagen aus?
Als Nächstes müssen zwei besonders „verhaltensauffällige“ Wetterlagen-Cluster betrachtet werden – die Trog- und die Südwestlagen. „Troglagen“ sind zwar stets zyklonal, doch nicht immer niederschlagsreich, aber sie treiben die „Meridionalisierung“ auf die Spitze, und ihre Häufung ist damit ein ernster Hinweis für zunehmende Extremwetterlagen, denn bei ihnen reicht, aus der Arktis kommend, eine mit Kaltluft gefüllte, trogartig geformte Tiefdruckzone oft bis in subtropische Breiten. Damit strömt auf der Vorderseite eines Troges oft extrem warme, auf der Rückseite hingegen kalte Luft heran, deren Kälte aber durch Atlantik/Nordsee in den unteren Luftschichten gemildert wird.
Die Südwestlagen als Teil des Clusters mit Westanteil zeigten eine den Troglagen grob ähnelnde, auffällige Zunahme:
diese Arbeit hingewiesen. Hier soll nur der enge Zusammenhang zwischen AMO und Südwestlagenhäufung nochmals dargestellt werden:
Eine Vermutung wird nur teilweise bestätigt
Antizyklonale (A-Lagen) sind hochdruckbeeinflusst und neigen zu Trockenheit. Auch diese entwickelten sich „verhaltensauffällig“ – aber durchaus unerwartet, denn sie wurden seltener:
Nun müsste diese Häufigkeitsabnahme der Hochdrucklagen ja eine Zunahme der Niederschlagsmenge bewirken, denn ihre Häufigkeit korreliert signifikant negativ mit den Niederschlagsmengen. Eine Betrachtung des Gesamtjahres reicht dafür aus:
Es ist also denkbar, wenngleich nicht sicher erwiesen, dass neuerdings andere Faktoren wie etwa der zunehmende Landschaftsverbrauch oder die immer massivere Häufung der Windkraftanlagen, das Niederschlagsverhalten stärker beeinflussen. Im Teil 2 werden unter anderem die jahreszeitlichen Besonderheiten des Niederschlagsverhaltens betrachtet.