geschrieben von Chris Frey | 2. Mai 2020
Zeitweise kalter Wind und eisige Nächte – die Schönheitsfehler im sonnigen April 2020
Abbildung 1: Verlauf der Tagesminima (°C) an der DWD-Station Erfurt/Weimar vom 29. März bis zum 26.April 2020. Antizyklonale Kaltfronten lenkten immer wieder trockene Nordluft nach Deutschland – und nur tagsüber wärmt eben die Sonne, das CO2 aber niemals. So folgten dem bitterkalten ersten April mit fast minus 8°C noch weitere Frostnächte; Bodenfrost trat fast durchgängig auf. Bildquelle wetteronline.de, ergänzt.
Ein Wetterkartenbeispiel verdeutlicht, warum dieser April teils empfindlich kühl, dürr und sonnenscheinreich verlief:
Abbildung 2: Wetterkarten-Ausschnitt vom 20. April 2020, 1 Uhr. Ein kräftiges Hochdruckgebiet über dem Nordmeer und Skandinavien lenkt trocken-kalte Festlandsluft aus Nordosten nach Deutschland. Dabei reichte hohes Geopotential (orange) von Nordafrika bis zum Nordmeer; entfernt erinnert seine Form an den griechischen Buchstaben Omega. Solche Lagen sind sehr stabil. Weil Deutschland meist knapp auf der Ostseite des „Omegas“ lag, herrschte zwar Hochdruckeinfluss vor, doch immer wieder konnte Kaltluft aus Norden „einsickern“. Quelle der Karte wetterzentrale.de; Ausschnitt.
Ob auch die weitgehende Einstellung des Flugverkehrs im Zuge der „Corona-Krise“ diesen sonnigen, nachtkalten April begünstigt hat? Seit Mitte März, dem Beginn der Corona-Krise, sind viel weniger Cirrus-Wolken über Mitteleuropa zu beobachten. Das könnte, muss aber nicht zwangsläufig zur Nachtkälte beigetragen und die ein oder andere Sonnenstunde mehr gebracht haben, bedarf aber noch weiterer Untersuchungen und ist gewiss nicht die Hauptursache der hohen Temperaturschwankungen und des Sonnenscheinreichtums.
Abbildung 3: Sonnenaufgang mit aus Kondensstreifen entstandenen Cirrus-Wolken, das war im April 2020 selten zu beobachten. Foto: Stefan Kämpfe
Die langfristige Entwicklung der April-Sonnenscheindauer
Im Gegensatz zu Lufttemperaturen und Niederschlägen, welche im Deutschland-Mittel (DWD) ab mindestens 1881 vorliegen, ist dies bei der Sonnenscheindauer erst seit 1951 der Fall. Aber schon dieser Datensatz zeigt die merkliche Zunahme der April-Sonnenstunden:
Abbildung 4: Eine merkliche Zunahme der Sonnenscheindauer ist eine wesentliche, aber nicht die alleinige Ursache für die steigenden April-Temperaturen; sie beeinflusste deren Variabilität aber zu immerhin einem Drittel. Eine weitere Ursache der April-Erwärmung ist eine Häufigkeitszunahme bestimmter Großwetterlagen. Werte für April 2020 geschätzt. Zur Darstellung in einer Grafik musste die Sonnenscheindauer in Indexwerte umgerechnet werden.
Bis immerhin 1893 zurück reicht der Datensatz aus Potsdam, welcher im Folgenden schwerpunktmäßig analysiert wird:
Abbildung 5: Fast Gleichklang zwischen der AMO, einem Index der Wassertemperatur im zentralen Nordatlantik, der Apriltemperaturen und der Sonnenscheindauer. Einer sehr sonnigen Mitte des 20. Jahrhunderts folgte eine Depression; aber nie seit Aufzeichnungsbeginn 1893 waren die Aprilmonate derart sonnig und warm, wie momentan. Der „Gleichklang“ legt einen Einfluss der AMO nahe. Zur Darstellung in einer Grafik mussten die sehr unterschiedlichen Größen in Indexwerte umgerechnet werden.
Sonnenscheindauer und Globalstrahlung
Abbildung 6: Globalstrahlung und Sonnenscheindauer korrelieren an der Station Potsdam derart eng, dass die Betrachtung der Sonnenscheindauer im Folgenden ausreicht. Zur Darstellung in einer Grafik mussten die sehr unterschiedlichen Größen in Indexwerte umgerechnet werden.
Die Entwicklung der Häufigkeitsverhältnisse der Großwetterlagen und die Zunahme der Sonnenscheindauer
Abbildung 7: Langfristige Häufigkeiten der zwei Wetterlagen-Cluster Nord plus Ost sowie West plus Südwest plus Nordwest. Man erkennt sehr deutlich die „Vorliebe“ der Frühjahrsmonate für die unter bestimmten Voraussetzungen trocken-kalten, klaren, sonnigen Nord- und Ostwetterlagen – so wie im April 2020.
Doch welche Großwetterlagen begünstigen einen sonnigen April? Es sind alle so genannten antizyklonalen, also diejenigen, bei welchen Hochdruckeinfluss dominiert. Das DWD-Aprilmittel der Sonnenscheindauer wird hochsignifikant von der Häufigkeit dieser Wetterlagen beeinflusst:
Abbildung 8: Sehr enger Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der antizyklonalen Großwetterlagen und der Sonnenscheindauer im April.
Diese „Hochdruckwetterlagen“ herrschten auch im von Polarluft dominierten April 2020 vor. Doch anders als noch im letzten Märzdrittel mit teils noch strengen Nachtfrösten und kalten Tagen erwärmte die Aprilsonne die Luft tagsüber stark. Am Beispiel von Potsdam lässt sich der wärmende Einfluss der Aprilsonne langfristig belegen:
Abbildung 9: In Potsdam, wo seit 1893 auf dem Telegrafenberg gemessen wird, beeinflusste die Sonnenscheindauer die Variabilität der Apriltemperaturen zu mehr als einem Drittel, das ist wegen des hohen Stichprobenumfangs signifikant. Einige herausragend sonnig-warme und trüb-kalte Aprilmonate sind markiert. Der April 2020 wird ähnlich sonnig, aber wegen des vielen Nordwetters weniger warm als die Rekordmonate 2007, 2009 und 2018 ausfallen. Freilich haben auch andere Faktoren, wie die Strömungsrichtung, Einfluss auf die Apriltemperaturen.
Abbildung 10: Fast Gleichklang zwischen der Häufigkeit der antizyklonalen Großwetterlagen im April und der Sonnenscheindauer; die Luftfeuchtigkeit verhält sich spiegelbildlich. Sehr enge, negative Korrelation zwischen Sonnenscheindauer und Luftfeuchte (Bestimmtheitsmaß größer als zwei Drittel). Die Relation zwischen Hochdrucklagen und Sonnenscheindauer ist bei dieser Einzelstation schwächer als beim DWD-Mittel, was außer an örtlichen Besonderheiten auch daran liegen könnte, dass die Klassifizierung der Wetterlagen mit den noch ungenauen Wetterkarten vor 1950 fehlerhafter war. Dennoch ist der Zusammenhang deutlich signifikant. Zur Darstellung in einer Grafik mussten die sehr unterschiedlichen Größen in Indexwerte umgerechnet werden.
Abbildung 11: Der Luftdruck beeinflusste im April die Variabilität der Sonnenscheindauer mit 29,4% deutlich stärker, als die Häufigkeit der A-Lagen (20,2%); außerdem korreliert er sehr eng mit den Hochdrucklagen (Bestimmtheitsmaß über 56%). Ihre größte Häufigkeit hatten die antizyklonalen Wetterlagen zur Mitte des 20. Jahrhunderts, und anders als beim Luftdruck und der Sonnenscheindauer, blieb ihre Häufigkeitszunahme nach der Depression der 1970er Jahre gering. Zur Darstellung in einer Grafik mussten die sehr unterschiedlichen Größen in Indexwerte umgerechnet werden.