Viel zu trockener Frühling in Deutsch­land – die meteorolo­gischen Hinter­gründe

Trotz des vielen Sonnenscheins und des hohen Luftdrucks zeigte sich der Frühling 2020 bisher eher wechselhaft und extrem trocken. Deutlich wird das am Verhalten der Maximum-Temperaturen in Erfurt:

Abbildung 1: Verlauf der Tagesmaxima (°C) an der DWD-Station Erfurt/Weimar vom 19. März bis zum 16. April 2020. Einige warme Tage konnten trotz des anhaltenden Sonnenscheins bislang keine dauerhaften Frühlingsgefühle wecken – extrem trockene Kaltluft sorgte immer wieder für Temperaturstürze. Bildquelle wetteronline.de, ergänzt.


Zwei Wetterkartenbeispiele veranschaulichen das:

Abbildungen 2a und 2b: Auf der Vorderseite eines Skandinavien-Tiefs hatten am Ostersonntag, dem 12. April, die Höchstwerte in Erfurt noch bei 23Grad gelegen (oben). Auf der Rückseite des Tiefs wurden einen Tag später nur noch 10 Grad erreicht. Quelle beider Wetterkarten wetterzentrale.de.


Zu hoher Luftdruck begünstigt Dürren

Abbildung 3: Luftdruck-Verlauf am Flughafen Erfurt/Weimar vom 16. März bis zum 13. April 2020 (Tagesmittelwerte in hPa, reduziert). Fast stets zu hohe Luftdruckwerte über vier Wochen und mehr sind für unsere Breiten mit ihrem raschen Wechsel von Hoch- und Tiefdruckgebieten besonders im Frühjahr untypisch; am ehesten treten sie über so lange Zeit im Spätherbst und in meist sehr kalten Wintern auf. Bildquelle wetteronline.de, ergänzt.


Abbildung 4: Wetterkarte vom 8.April 2020, 1 Uhr. Ein sehr kräftiges Frühlingshoch liegt über dem südöstlichen Mitteleuropa – die nächsten Tiefs sind weit über eintausend Kilometer entfernt und nördlich der Azoren, Ostkanada, bei Spitzbergen, über Nordrussland und über dem Nahen Osten zu finden. In der Höhe sind zwei Tröge über dem Atlantik und Osteuropa erkennbar; dazwischen ein bis Südskandinavien reichender Höhenrücken (orange Farbtöne). Derartige Konstellationen regenerieren sich immer wieder, was großflächige Niederschläge verhindert. Bildquelle wetterzentrale.de, ergänzt.


Hoher Luftdruck bedeutet jedoch tendenziell absinkende Luft, was zur Austrocknung der Luft und damit zur Wolkenauflösung führt – das begünstigt im Frühjahr zwar teilweise schon warme, sonnige Tage, aber eisige Nächte, so, wie auch 2020. Den negativen statistischen Zusammenhang zwischen der Höhe des Luftdrucks und der Niederschlagsmenge im April illustriert die folgende Abbildung am Beispiel Potsdam:

Abbildung 5: In Potsdam, wo seit 1893 auf dem Telegrafenberg gemessen wird, beeinflusste der Luftdruck die Variabilität der Aprilniederschläge zu fast einem Viertel, das ist wegen des hohen Stichprobenumfangs signifikant. Einige herausragend nasse und dürre Aprilmonate sind markiert. Freilich haben auch andere Faktoren, wie die Luftfeuchte und Vorgänge in höheren Luftschichten, Einfluss auf die Niederschlagsmenge.


Abbildung 6: Mit dem dekadenweisen Ausbau der Windenergie stiegen auch die Luftdruckwerte im April merklich. Der Luftdruck musste zur besseren Darstellung beider Größen in einer Grafik in Indexwerte umgerechnet werden; die wahren, in Potsdam nicht auf NN reduzierten Werte siehe in den grünen Säulen.


Bisher sehr ähnliche Jahreswitterung 2007 und 2020

Abbildung 7: Mittelwerte des Niederschlages (mm) der gleichrangigen Zyklus-Sommer nach dem Sonnenfleckenmaximum. Sichere Vorhersagen erlaubt diese Methode nicht, doch könnte der Sommer 2020 feuchter und weniger warm als in den beiden Vorjahren verlaufen.


Beeinflusst die Sonnenaktivität die Zirkulationsverhältnisse?
Dass die Sonnenaktivität die Frühjahresniederschläge beeinflusst, deutet sich an. Nimmt man als „Startpunkt“ das jeweilige Maximum der Sonnenaktivität im etwa 11-jährigen SCHWABE-Zyklus und ordnet die darauf jeweils folgenden Frühjahre oder Monate von 1 bis 11 („1“ direkt nach dem Maximum, das immer vor der betrachteten Jahreszeit liegen muss!), so zeigt sich folgendes Bild:

Abbildung 8: Mittelwerte des Niederschlages (mm) der gleichrangigen Zyklus-Frühjahre nach dem Sonnenfleckenmaximum. Die Ergebnisse sind nicht signifikant und demzufolge auch für Vorhersagen unsicher; für den April alleine zeigen sich ähnliche Verhältnisse. Der sechste Frühling und besonders der sechste April, den wir mit dem Dürre-April 2007 hatten und auch 2020 wieder haben, fielen aber merklich zu trocken aus.


Auch wenn die Zusammenhänge nur schwach ausfallen, so scheint doch die Sonnenaktivität die Häufigkeit bestimmter Großwetterlagen zu beeinflussen:

Abbildung 9: Tendenziell treten in Zeiten mit geringerer Sonnenaktivität mehr Wetterlagen mit Nordanteil (hier nach HESS/BREZOWSKY klassifiziert) auf. Dies gilt im Frühling, noch mehr aber im gesamten Jahr. Die aktuelle Häufigkeitszunahme der nördlichen Lagen wird somit erklärbar; möglicherweise hat auch die AMO, eine weitere Einflussgröße, ihr Maximum nun erreicht oder schon überschritten. Nördliche Lagen bringen aber meist polare Luftmassen mit, welche im Frühling relativ kalt sind und nur wenig Wasserdampf enthalten. Zur besseren Veranschaulichung in einer Grafik wurden Index-Werte verwendet.


Die Nordatlantische Oszillation (NAO)
Geringe Fläche des Meereises in der Arktis – mögliche Auswirkungen
hier. Lediglich im April zeigen sich mäßige Zusammenhänge zwischen der Meereisbedeckung und den Niederschlägen in Deutschland, und zwar am deutlichsten, wenn man eine zweimonatige Verzögerung (Eisbedeckung Februar zu Aprilniederschlag) in Relation setzt:

Abbildung 10: Tendenziell feuchterer April in Deutschland bei größerer Meereis-Bedeckung im vorausgehenden Februar. Dieser zeigt sich auch zwischen Februar-Eis und den Frühlingsniederschlägen insgesamt, aber etwas undeutlicher. In den meisten übrigen Monaten und den übrigen Jahreszeiten bestehen nur minimale oder gar keine Zusammenhänge


Man erkennt die recht synchrone Abnahme der Meereis-Bedeckung und der Aprilniederschläge seit 1980:

Abbildung 11: Synchrone Abnahme der eisbedeckten Meeresfläche in der Arktis und der Aprilniederschläge.


Erklärbar wird dieser Zusammenhang, weil auch die Häufigkeit bestimmter, sehr feuchter April-Wetterlagen von der Eisbedeckung beeinflusst werden könnte:

Abbildung 12: Tendenziell weniger in der Höhe zyklonale Wetterlagen über Deutschland im April, wenn die Arktis-Meereisbedeckung im Februar geringer war. Objektive Wetterlagen-Klassifikation des DWD, Näheres dazu hier


Aber was könnte den massiven Schwund des Arktis-Meereises ausgelöst haben? Es ist die schon in der Abbildung 5 erkennbare AMO, ein Index für die Meeresoberflächentemperatur des zentralen Nordatlantiks:

Abbildung 13: In AMO-Warmphasen, wie seit etwa 1990, wird mehr Wärme in das Eismeer eingetragen – das Eis geht zurück. Solche Warmphasen dauern aber vermutlich selten länger, als 25 bis 40 Jahre. Der beste, negativste Zusammenhang zeigte sich zwischen der AMO im Winter und der Eisbedeckung des Frühlings. Auch bei den einzelnen Frühlingsmonaten ist der Zusammenhang recht gut erkennbar, besonders bei März und April.


Weitere Telekonnektionen (Fernwirkungen)

Abbildung 14: Auf Winter mit einem sehr kalten, kräftigen Polarwirbel, hier anhand der 50 hPa-Stratosphärentemperaturen (Nordpol) dargestellt, folgen eher trockene Frühjahre in Deutschland. Trotz der fehlenden Signifikanz zeigten sich in den Jahren 1990 und 2007 ähnliche Verhältnisse.


Ähnliche, andeutungsweise Beziehungen zeigen sich zur Häufigkeit der antizyklonalen (und damit meist trockenen) Großwetterlagen nach HESS/BREZOWSKY im Frühling – sie sind nach Wintern mit kalten Polarwirbeln häufiger zu verzeichnen. Und die polaren Stratosphärentemperaturen des Frühjahres selbst beeinflussen die Häufigkeit der oft dürren Ostwetterlagen über Deutschland sogar deutlicher:

Abbildung 15: Grenzwertig signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen der Stratosphärentemperatur (Nordpol) und der Häufigkeit der Ostwetterlagen nach HESS/BREZOWSKY über Mitteleuropa im Frühling. Eine vergleichsweise „warme“ Stratosphäre über der Arktis scheint Ostlagen zu begünstigen.


Abbildung 16: Grenzwertig signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen der QBO im 40 hPa-Niveau im Januar und der Häufigkeit des Großwettertyps Süd im Frühling über Mitteleuropa. In Westwind-Phasen der QBO treten mehr Südlagen auf; ganz markant war das 1983 zu beobachten.


Abbildung 17: Trend zu negativen QBO-Werten im Mai – das bedeutet mehr Ostwind und könnte mehr Extremwetter in Mitteleuropa auslösen.