In Memoriam S. Fred Singer (27. September 1924 bis 6. April 2020)
Zitat der Woche:
„Bei Fragen der Wissenschaft ist die Autorität Tausender nicht so viel wert wie die bescheidene Argumentation eines Individuums“. – Galileo [International Space Hall of Fame]
Das Haupt-Markenzeichen der Reise Fred Singers durch die physikalische Wissenschaft war endlose Neugier sowie die feste Überzeugung, dass physikalische Beweise (Daten) und nicht die Theorie das Maß aller Dinge sind, um Kontroversen in der Wissenschaft aufzulösen.
Im Alter von 16 Jahren nahm er sich die schwierigen Maxwell-Gleichungen vor, welche die Grundlage des Elektromagnetismus‘ bilden, deren sichtbarer Anteil das Licht ist. In seiner Promotion zum Ph.D. bei Princeton befasste er sich mit den damals noch kaum verstandenen kosmischen Strahlen. Sein Doktorvater war John Wheeler, der zusammen mit Niels Bohr daran gearbeitet hatte, die Kernfusion mittels Quantenmechanik zu erklären. (Alle Studenten bei Wheeler waren ein ganz außerordentlicher Kader, darunter der spätere Nobelpreisträger Richard Feynman).
Zuvor hatten Bohr und Albert Einstein im Bereich Quantenphysik einen berühmten Disput, nachdem Einstein den allgemein üblichen probabilistischen Standpunkt abgelehnt hatte, welcher präzise Prognosen unmöglich macht. Bohrs Ansichten wurden allgemein anerkannt, und die große Bewunderung, die beide jeweils füreinander hatten, blieb davon unberührt. Dies ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass Wissenschaftler unterschiedliche Standpunkte öffentlich diskutieren – ohne die persönlichen Angriffe, die heute nur allzu oft vorherrschend sind.
Singer war ein Pionier bei der Erforschung des Weltalls, besonders bei den obersten Schichten der Atmosphäre. Er maß die Charakteristiken kosmischer Strahlung in der oberen Atmosphäre und entdeckte das hoch-atmosphärische Ozon sowie die äquatoriale ,Electrojet‘-Strömung, welche das geomagnetische Feld intensiviert. Er prognostizierte die geomagnetische Strahlung, die später von Van Allen auch entdeckt worden ist.
Ein Beispiel des umfassenden Wissens von Fred Singer als Wissenschaftler ist seine Konzeption, Definition und dann sein Eintreten für ein Verfahren an die mögliche Erforschung des Mars‘ durch den Menschen, indem er die Schwerkraft der Marsmonde Deimos und Phobos als Zwischenstation beim Abstieg zur Marsoberfläche und beim Aufstieg von der Marsoberfläche nutzt. Die geringere Schwerkraft der Monde reduziert die benötigten Treibstoffe und die damit verbundenen Kosten.
Singers Sorgen um Erde und Menschheit manifestierten sich, als er operationelle Systeme zur Datengewinnung einrichtete mittels Fernerkundung der Atmosphäre, der Ozeane und Landflächen sowie durch seine Führung als erster Direktor des National Weather Satellite Center.
Unter seinen über 400 technischen Veröffentlichungen und Monographien sowie über 200 Beiträge ist auch die Herausgabe des Buches „The Ocean in Human Affairs” (1990). Darin geht es darum, dass unser Planet der einzige im Sonnensystem mit Ozeanen aus flüssigem Wasser ist und vor allem darum, dass deren Bedeutung für Klima, Evolution und Konservierung von Lebensformen häufig übersehen wird.
Vor etwa 3,5 Millionen Jahren beispielsweise schloss sich im Zuge der Plattentektonik der Central American Seaway zwischen dem Atlantik und den Pazifik. Dadurch änderte sich die Ozean-Zirkulation, was möglicherweise zur gegenwärtigen Periode häufiger Vereisungen auf der Nordhemisphäre führte. Diese Perioden der Vereisung werden durch kurze Warmzeiten unterbrochen, in deren jüngster wir jetzt gerade leben.
Singer erkannte, dass nicht Kohlendioxid, sondern Wasserdampf das bedeutendste Treibhausgas ist, dessen Änderungen zu oft ignoriert werden. Ohne Treibhausgase wäre das Leben auf diesem Planeten ganz anders, wobei die meisten großen Landmassen des nachts gefrieren und komplexes Leben darauf fast unmöglich machen würden.
Singer glaubte fest daran, dass die Prinzipien des wissenschaftlichen Verfahrens auch bzgl. Umweltvorschriften angewendet werden müssen, vor allem bei der Fehlerbeseitigung. Im Jahre 1990 gründete er das Science and Environmental Policy Project (SEPP), um das wissenschaftliche Verfahren zur Evaluierung der Umwelt- und Energiepolitik anzuwenden. Eine Anzahl bedeutender Wissenschaftler sprang ihm bei diesen Bemühungen bei.
Schwer besorgt darüber, dass die UN eine verengte, einseitige Sichtweise der extrem komplexen Prozesse verbreitete, welche Wetter und Klima der Erde verändern bei gleichzeitiger Ignoranz der umfassenden, von Satelliten gemessenen Temperaturtrends gründete Singer im Jahre 2007 das Nongovernmental International Panel on Climate Change (NIPCC), um der Ansicht der UN entgegen zu treten, wonach menschliche Emissionen von Kohlendioxid das Klima kontrollieren.
Hunderte Wissenschaftler weltweit haben zu den NIPCC-Berichten beigetragen, was besonders für die jüngste Reihe von Veröffentlichungen gilt, als da wären Climate Change Reconsidered II; The Physical Science; Biological Impacts; Why Scientist Disagree about Global Warming und Fossil Fuels. Diese Berichte präsentieren extensive Daten, die belegen, dass zunehmende Konzentrationen von Kohlendioxid eine bedeutende Rolle spielen bei der Zunahme von Biodiversität und der beobachteten Ergrünung der Erde, wohingegen es kaum eine Rolle bzgl. der Änderungen der Temperatur des Planeten spielt.
Als ein Streiflicht, welches sein breites Interesse an der Zivilisation belegt, hielt Singer Vorträge über die antiken Sprachen des Nahen Ostens und zeigte Parallelen auf zu anderen antiken Sprachen wie griechisch, phönizisch und andere semantische Sprachen.
Jene, die ihn kannten, werden sich immer an seinen brillanten, wissbegierigen Geist und seine Menschlichkeit erinnern. Im Sommer 2019 unterzeichneten 150 hauptamtliche Wissenschaftler anlässlich seines 95. Geburtstages ein Dokument, in dem es u. A. heißt:
„Wir, die Unterzeichneten, wollen unserer tief empfundene Dankbarkeit Ausdruck verleihen für deine außerordentliche führende Rolle im Bereich Klimawissenschaft viele Jahrzehnte lang. Wir stehen tief in deiner Schuld. Du warst für Viele von uns der ,Mentor‘. Von dir haben wir nicht nur Wissenschaft gelernt, sondern auch Geduld und Ausdauer im Umgang mit Anderen. Mit Lob, Zuneigung und Liebe sagen wir: Danke, Dr. Fred Singer!“
Science and Environmental Policy Project
Thomas P. Sheahen, Chairman
Ivan Bekey Vice Chairman
Kenneth A. Haapala, President
Howard C. Hayden, Executive Vice President
Donna Fitzpatrick Bethell, Secretary & Treasurer
Craig D. Idso, Director
David R. Legates, Director
Willie Wei-Hock Soon, Director
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Nachruf auf Fred Singer
Von seinem Freund William Happer
11. April 2020, Princeton, New Jersey
Fred Singer hat einen großartigen Kampf ausgefochten, ist seinen Weg gegangen und hat immer seinen Glauben behalten. Jetzt wird die Geschichte über ihn urteilen. Mit den Jahren bin ich sicher, dass Freds positive Beiträge an seine Generation immer breiter und mehr anerkannt werden.
Freds Weg durch das Leben war nicht einfach. Alles, was er erreichte, ist seiner eigenen Intelligenz und seinem unbeugsamen Geist geschuldet. Er hatte keine mächtige Familie oder mächtige Gönner hinter sich. Das hat ihn nie gestört, vielleicht weil er so viele Freunde gewann, die seine Courage bewunderten.
Obwohl er immer wieder ungerechten Angriffen ausgesetzt war, schien er nie irgendwelche Ressentiments zu hegen. Nur wenige von uns können auf die Art und Weise vergeben und vergessen wie Fred es getan hat.
Es scheint angemessen, diesen Nachruf auf Fred zu schließen mit dem, was ich ihm zu Ehren seines 90. Geburtstages geschrieben habe:
„Es ist mir eine Ehre, ein paar Worte anlässlich des 90. Geburtstages von Fred Singer zu schreiben. Fred ist ein guter Wissenschaftler, ein Mann mit großen Mut, unerschütterlichem Optimismus und enormer Energie“.
Als Jugendlicher ist Fred Singer vor der Nazi-Herrschaft in seinem Geburtsland Österreich geflohen. Zunächst fand er Unterschlupf in England. Während der 1940er Jahre kam er dann in seine Wahlheimat USA, um an der Princeton University zu promovieren. Dort erwarb er seinen Ph.D. in Physik mit Arbeiten über kosmische Strahlung. Sein Doktorvater John Wheeler war ein Schüler von Niels Bohr. Er leistete einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Wasserstoffbombe.
In Freds Dissertation ging es um kosmische Strahlen, welche die Erde aus den Tiefen des Weltraumes bombardieren. Und Fred hat sich ein Leben lang für Atmosphäre, Weltraum und -erkundung interessiert. Er half die ersten Erdbeobachtungs-Satelliten zu entwickeln einschließlich von Instrumenten zur Messung des atmosphärischen Ozons. Während der letzten Jahre konzentrierte er sich darauf, wie die Rate der Temperaturänderung mit der Höhe in der Atmosphäre abhängt. Für Klimamodelle ist dieser Bereich heikel, prophezeien diese doch viel mehr Erwärmung in der mittleren Troposphäre als tatsächlich beobachtet wird. Er veröffentlichte auch interessante Studien zum Ursprung der Monde von Erde und Mars. Nebenbei hat Fred Expertenwissen angesammelt hinsichtlich einer erstaunlichen Anzahl von Themen – „of shoes and ships and sealing wax, of cabbages and kings“. Bei einem Besuch von Princeton machte mich Fred mit seinem alten Freund Ephraim Isaac bekannt, einem ausgezeichneten Experten antiker semitischer Sprachen. Ephraim wurde in Äthiopien geboren und erwarb dort einen großen Teil seiner Bildung.
Wissenschaftler und Akademiker lieben es, sich ihrer coolen Objektivität zu rühmen, aber tatsächlich kann man für unabhängige Gedanken einen hohen Preis zahlen, worauf nur wenige vorbereitet sind. Plato zufolge war Sokrates die „Bremse“ [gadfly] des antiken Athens. Fred war eine effektive Bremse des wissenschaftlichen Establishments unserer Generation. Einige Jahre, nachdem ich Fred kennengelernt hatte, lud ich ihn während meiner Zeit als Direktor des Office of Energy Research im US-Energieministerium zu einem Vortrag über globale Erwärmung an der Princeton University ein. Nach der öffentlichen Ankündigung von Freds Vortrag kam ein Physik-Kollege und Nobelpreisträger in mein Büro und tadelte mich mit obszönen Worten, wobei ich überrascht war, dass er diese überhaupt kannte. Dies sorgte dafür, dass mein Ansehen des Kollegen zu Bruch ging, der fast nichts wusste über die Physik des Klimas, während gleichzeitig meine Achtung vor Fred stieg.
Viele Akademiker sind frustrierte „philosopher kings“ – verbittert, weil die Gesellschaft als Ganzes ihnen nicht die Reverenz erweist, die zu verdienen sie glauben. Vielleicht als Reaktion darauf schauen Viele nach innen und verbünden sich mit gleichgesinnten Akademikern, während sie der übrigen Gesellschaft mit Geringschätzung und sogar Hass begegnen. Gruppendenken ist bei verschiedenen Themen vorprogrammiert. Akademische Groupies verurteilen Fox News und preisen die New York Times. Sie sind sich sicher, dass der fortgesetzte Verbrauch fossiler Treibstoffe den Planeten zerstören wird. Es gibt kaum einen Akademiker, der auch nur einen Bruchteil davon versteht, was Fred über die Klimawissenschaft weiß, aber die Groupies schreien immer wieder mit größter Sicherheit heraus, dass Freds Standpunkte bzgl. Klima falsch sind. All ihre Freunde stimmen ihnen zu. Das erinnert mich an das Märchen von Hans Christian Andersen „Des Kaisers neue Kleider“: „Nicht nur waren ihre Farben und Muster ungewöhnlich fein, sondern die aus diesem Stoff hergestellten Kleidungsstücke hatten auch eine wunderbare Möglichkeit, für jeden unsichtbar zu werden, der für sein Amt ungeeignet oder ungewöhnlich dumm war“*. Wie viele andere von uns hatte Fred große Schwierigkeiten, die neuen Klima-Kleider zu erkennen, die geheiligtes Dogma für die Groupies sind. Er wurde übel angegriffen, weil er auf die Probleme des Klima-Dogmas hinwies. Zu seiner Ehre muss gesagt werden, dass er erfolgreich einen besonders verleumderischen Gefolgsmann von Al Gore wegen Rufschädigung verklagte. Ein Sprichwort aus seiner Heimat lautet „Viel Feind, viel Ehr’“.
[*Rückübersetzung aus dem Englischen mittels Linguee-Translator.]
Viele Jahre lag hat Fred seine Mitbürger über Entwicklungen in der Klimawissenschaft informiert, und zwar in Gestalt eines regelmäßigen Rundbriefes mit dem Titel „The Week That Was“. Ich freue mich immer wieder auf diesen Rundbrief, enthält er doch neue wissenschaftliche Erkenntnisse bzgl. Klima, politische Entwicklungen bzgl. Klimawandel sowie Kommentare von Fred selbst und seinem Mitherausgeber Ken Haapala. Es gibt viele gute Rundbriefe und Blogs bzgl. Klima, aber „The Week That Was“ ragt dabei besonders heraus wegen seiner Grundlage ordentlicher Wissenschaft [sound science]. Was sonst würde man von Fred erwarten, einem akademischen Enkelsohn von Niels Bohr?
Freds Leben wird sehr gut durch ein altes Volkslied zusammengefasst, welches immer wieder von tapferen Anti-Nazis in Deutschland angestimmt wurde:
Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei, wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen,
Es bleibet dabei: die Gedanken sind frei.*
[*Originaltext des Volksliedes. Im englischen Original stand es auch in Deutsch, aber in einer fehlerhaften Übersetzung. Dort ist auch eine Übersetzung ins Englische beigefügt. Anm. d. Übers.]
Link: https://wattsupwiththat.com/2020/04/13/weekly-climate-and-energy-news-roundup-405-2/
Übersetzt von Chris Frey EIKE