Markante Zirkulations­anomalien: 2018, 2019 – und nun auch 2020?

Der Witterungsverlauf seit Herbst 2019

Abbildung 1: Wetterkartenausschnitt vom 29. März 2020 mittags. Man erkennt südlich von Island ein extrem starkes Atlantik-Hoch mit einem Kerndruck von 1055 hPa, das an seiner Ostflanke arktische Kaltluft nach Deutschland lenkt. Ob das ein neuer Luftdruck-Rekord ist, konnte wegen fehlender Unterlagen nicht eindeutig geklärt werden. Bildquelle Archiv wetter3.de, leicht verändert und ergänzt.


Erst mit Aprilbeginn setzte eine allmähliche Erwärmung ein.
Werden die ausgleichend wirkenden Westwetterlagen seltener?

Abbildung 2: Deutliche Häufigkeitsabnahme der (zonalen) West- und nicht signifikante Zunahme der meridionalen Großwetterlagen in Mitteleuropa. Lineare Trends (fette Linien) und 21ig-jährige Gleitmittelwerte, endbetont (halbfette Linien).


Abbildung 3: Seit 1881, dem Beginn der Erstellung halbwegs verlässlicher Wetterkarten, hat sich die Häufigkeit der in Deutschland stark erwärmend wirkenden Südwestlagen merklich erhöht. Außerdem erwärmte sich der Nordatlantik, wobei es eine schwächere Warmphase um 1900, eine stärkere um 1945 und eine aktuelle, sehr starke, gibt. Die Kurvenverläufe der gleitenden Mittelwerte (fette Kurven) ähneln sich, wobei die AMO etwa 20% der Häufigkeitsvariabilität der SW-Lagen erklärt. Fast alle Jahre ganz ohne SW-Lagen traten vor 1950 auf; danach war nur 1991 frei von SW-Lagen; 2019 hatten wir 44 Tage.



Abb. 4: Obwohl der statistische Zusammenhang zwischen der winterlichen Stratosphären-Temperatur über dem Nordpol und dem winterlichen NAO-Index nur mäßig ist, deutet er darauf hin, dass ein intensiver, kalter Polarwirbel die winterliche Westwind-Zirkulation beschleunigt und damit Mildwinter in Deutschland begünstigt.


Leider liegen die genauen NAO-Daten für den Mildwinter 2019/20 noch nicht vor, doch verdeutlicht die folgende Abbildung das markante Vorherrschen positiver NAO-Werte und deren jähen Absturz ins Negative nach Mitte März, was dann die für den Frühling so typische Umstellung der Zirkulation auf Nord bis Ost mit später Kälte und beginnender Dürre auslöste:

Abbildung 5: Täglicher Verlauf der NAO seit Mitte Dez. 2019. Bildquelle NOAA.gov, ergänzt.


Beeinflusst die Sonnenaktivität die arktischen Stratosphärentemperaturen?

Abbildung 6: Langfristige Abnahme der herbstlichen Stratosphärentemperatur (50hPa) über dem Nordpol. Bislang noch kein negativer Langfristtrend im Winter; doch nach dem Jahr 2000 deutet sich auch hier ein leichter Rückgang an.


Zirkulationsstörungen 2020 und Vegetationsentwicklung

Abbildung 7: Vorhersage der Stratosphären-Temperaturen über der Nordhalbkugel für den 21.April 2020 (10 hPa-Niveau) . Der winterliche Polarwirbel ist längst verschwunden – es herrschen nun gegensätzliche Verhältnisse. Über dem Nordpol liegt Warmluft (gelb); über den mittleren Breiten ein Band kälterer Höhenluft (blau). Quelle meteociel.fr


Abbildung 8: In AMO-Warmphasen fällt der April in Deutschland eher wärmer aus. Der Zusammenhang ist nur schwach, aber trotzdem spürbar.


April-Wärme fördert aber die Verdunstung – schon um den 5.April bildeten sich Trockenrisse in den Böden.

Abbildung 9: Die wegen der März-Kälte wochenlang blühenden Osterglocken kämpfen nun mit der beginnenden Dürre – ähnlich, wie 2018. Foto: Stefan Kämpfe


Und welche Schäden die Spätfröste Ende März anrichteten, ist noch gar nicht voll absehbar. Ihre enorme Stärke könnte in selbst noch geschlossenen Blütenknospen die Narbe und den Fruchtknoten geschädigt haben, doch Genaueres wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen.

Abbildung 10: Frühtemperaturen bei der antizyklonalen Ostlage am 23.03.2020. In Südostdeutschland wurden minus 4 bis unter minus 10 Grad gemessen, und die Wetterstationen stehen nicht in den Kältelöchern. Bildquelle wetterzentrale.de


Wie dramatisch sind die aktuellen Zirkulationsanomalien?