NUMERISCHE ANALPHABETEN

.Die Nachrichtensprecherin etwa erklärt, dass das US-Verteidigungsministerium an die Firma Lockheed soeben einen Auftrag im Umfang von 25 Millionen Dollar vergeben hätte; dabei schaut sie bedeutungsvoll in die Kamera. Wirklich? Ein Auftrag über 25 Millionen Dollar?
Man mag sich darüber streiten, ob Nachrichtensprecher das verstehen müssen, worüber sie berichten. Hier war das sicher nicht der Fall. Ein einziger F35 Fighter kostet um die 100 Millionen Dollar. Ist es da wirklich Breaking News wenn das Pentagon beschlossen hat, an Lockheed einen Auftrag im Wert von 25 Millionen zu vergeben? Es handelte sich natürlich um 25 Milliarden Dollar, also den tausendfachen Wert! Es ist so, als würde die Rundfunkanstalt der Dame am Monatsende nur 14 Euro Gehalt auszahlen statt der vereinbarten 14 000.
Der Fauxpas wird sie aber nicht den Job kosten, denn sie ist in guter Gesellschaft. Kaum einem Zuschauer wird der Patzer aufgefallen sein, denn die meisten leiden ebenso wie die adrette Ansagerin unter numerischem Analphabetismus (NAN). Das ist eine verbreitete kognitive Behinderung, welche es Bertoffenen schwer oder unmöglich macht, mit großen Zahlen sinnvoll umzugehen. Da ist die Milliarde eben eine größere Million, und alles darüber hinaus ist ohnehin absurd.
NAN ist epidemisch und unsere Medien strotzen vor Beispielen. Hier ein Beitrag von FOCUS-MONEY online, wo man eigentlich etwas von Zahlen verstehen sollte. Im Kontext von Energiewende und Atomausstieg informiert man uns: „Der Meiler war 31 Jahre lang in Betrieb und produzierte bis zu seiner Schließung rund 140 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom.“
Kann das sein? Wäre das wirtschaftlich? Für eine kWh zahlen wir Verbraucher heute 30 Cent. Das E-Werk bekommt davon so um die 4 Cent. Dann hätte der Meiler während seiner Lebensdauer 140 Millionen mal 4 Cent Umsatz gemacht; das sind 560 Millionen Cent oder 5,6 Millionen € in 31 Jahren; oder auch 180.000 € pro Jahr. Davon könnten Eon oder Vattenfall nicht einmal das Gehalt eines einzigen Vorstands bezahlen. Liebe Redakteure, wenn Ihr schon nicht wisst, was ein Kilowatt ist, dann solltet Ihr wenigstens etwas von Euros verstehen!
Vielleicht hat das Kraftwerk in den 31 Jahren ja 140 Milliarden kWh produziert statt 140 Millionen und dann statt 200 Tausend € pro Jahr immerhin 200 Millionen € Umsatz gemacht. Aber wen kümmert das schon. Ist ja beides furchtbar viel. Die Leser wollen sich nicht informieren. Sie wollen unterhalten werden oder sich Sorgen machen oder mit dem Finger auf jemanden zeigen können. Sie wollen das, was so treffend „Infotainment“ genannt wird.
Außer Konkurrenz treten in der Disziplin NAN die Damen und Herren der Grünen Partei an. Annalena Baerbock unterstellte den Deutschen, sie würden jährlich neun Gigatonnen CO2 emittieren, https://kaltesonne.de/grunen-vorsitzende-annalena-baer%C2%ADbock-liegt-um-faktor-eine-milliarde-falsch-in-deutsch%C2%ADland-emittiert-jeder-burger-9-giga%C2%ADtonnen-co2/
das ist gerade mal um eine Milliarde zu viel – so als würde man dem Weg zum Kühlschrank für die Reise zum Mond halten. Das Giga muss sie irgendwo aufgeschnappt und nachgeplappert haben, so wie Vierjährige das manchmal tun, um Erwachsene zu beeindrucken. Die Männer ihrer Partei sind da nicht besser, mit Gigabyte und Gigawatt oder Prozent und Grad haben die’s nicht so. Regen wir uns nicht auf, intellektuell sind die doch nicht satisfaktionsfähig. Aber wir Wähler müssen uns mit den Zahlen auskennen, denn es geht um unser Geld, um unsere Lebensqualität.
Durch den verbreiteten NAN lässt sich die Bevölkerung nach Belieben hinters Licht führen. Da konnte man ihr verkaufen, die Energiewende koste pro Haushalt pro Monat nicht mehr als eine Kugel Eis, auch wenn es damals schon klar war, dass es erheblich teurer würde.

DAS GROSSE 1X1

Als Herausgeber dieses Blogs fühle ich mich meinen Lesern gegenüber verantwortlich, aber auch Immanuel Kant. Im Sinne der Aufklärung möchte ich Ihnen daher den „ Ausgang … aus Ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit“ in Sachen Zahlen ermöglichen. Natürlich ist mir klar, dass Sie einem anspruchsvollen Beruf nachgehen und ihr Leben ohne komplizierte Rechnereien sehr erfolgreich meistern. Und vielleicht tragen Sie sogar die Überzeugung mit sich herum „Mathematik ist nichts für mich, das war schon in der Schulzeit so.“ Aber ist es nicht wunderbar, wenn man sich auch noch als Erwachsener von einer Fessel des Typs „das kann ich nicht“ befreien kann? Also, tun Sie sich einen Gefallen und folgen Sie mir.
Es geht jetzt nur um zwei Grundrechnungsarten, nämlich Multiplizieren und Dividieren, „Mal“ und „Durch“. Das machen wir mühelos entweder im Kopf oder mit dem Taschenrechner. Das wird erst ein Problem wenn da diese fürchterlich vielen Nullen stehen. Nehmen wir etwa die Sache aus Fokus Money. Da ist die Rede von 140 Milliarden kWh, das sind ausgeschrieben 140000000000 kWh. Das ist zu unhandlich und niemand kann damit etwas anfangen. Unter Ingenieuren und Physikern ist es daher üblich, mit „Zehnerpotenzen“ zu rechnen, d. h. man zählt die Nullen und schreibt das hinter den relativ harmlosen Buchstaben E. Dann kann man es sich sparen all die Ostereier zu malen. Das „E“ ist übrigens keine Abkürzung von „Ei“, es steht für „Exponent“. Aus der langen Zahl wird mit Hilfe dieser Methode dann 14E10 kWh, weil da zehn Nullen hinter der 14 stehen.
Nehmen wir an, wir interessieren uns dafür, das erwähnte, stillgelegte AKW durch einen Windpark zu ersetzen. Wie groß würde der werden? Um das abzuschätzen müssen wir die Leistung des AKW kennen und durch die Leistung einer typischen Windmühle dividieren, dann sehen wir wie viele wir von den Dingern brauchen. Also:
Aus der in 31 Jahren gelieferten elektrischen Energie können wir die Leistung ausrechnen, indem wir die Kilowattstunden durch die Stunden der 31 Jahre teilen. Ein Jahr hat 365 x 24 = 8760 Stunden, das geht noch ohne das „E“. 31 Jahre haben dann ungefähr 3E5 Stunden. Wenn wir jetzt besagten Energie Output durch diese Zahl teilen, dann bekommen wir die durchschnittliche Leistung: 14E10 / 3E5 = 4.7E5 kW. Die Zahlen vor dem E haben wir ganz normal dividiert, die dahinter einfach voneinander abgezogen. Das ergibt dann 4.7E5 Kilowatt; das sind auch 470 Megawatt.
Eine große Windturbine leistet durchschnittlich 1 Megawatt. 470 davon ersetzen also unser AKW, jedenfalls wenn der Wind weht.
Sie sehen, es ist keine Hexerei mit dem „E“. Falls Sie einen Computer haben – etwa mit Windows und Excel – dann haben Sie schon einen Kumpel zu Hause, der diese Sprache versteht. Statt bandwurmlange Zahlen einzutippen, können Sie unsere Schreibweise mit dem E verwenden und alles funktioniert. Und wenn Sie fensterlos arbeiten, also ohne Windows, z.B. mit iWork, dann funktioniert das genauso.

VERSTEHEN STATT BEHAUPTEN

Unser Bild von der Welt setzt sich wie ein Mosaik aus unzähligen „Steinchen“ zusammen, die wir entweder verstanden haben und solchen, von denen wir überzeugt sind. Oft sind wir von Dingen überzeugt, weil wir so erzogen wurden oder weil fast alle unserer Freunde so gepolt sind. Aus welcher der beiden Domänen eine Aussage kommt erkennen wir sofort an dem Gefühl, welches sie in uns hervorruft. Wissen stimmt uns gelassen, Überzeugung stimmt uns kämpferisch.
Wenn Sie mir beispielweise erzählen würden, dass Johannesburg die Hauptstadt Südafrikas sei, dann würde ich gelassen bleiben und Sie aufklären, dass das nicht so ist. Wenn Sie mir aber sagen würden, ich sei ein schlechter Autofahrer, dann würde ich zum Kampfroboter, denn ich bin von meinen Fahrkünsten überzeugt. Sebastian Vettel aber würde an meiner Stelle ganz ruhig bleiben, denn er weiß, dass er der Beste ist.
Viele Themen aus der Domäne der Überzeugung können wir in die Domäne des Wissens verlegen und oft hilft uns die Mathematik dabei. In den aktuell heiß diskutierten Themen Klima und Umwelt stößt man auf viele Überzeugungen und auf wenig Wissen. Daher die kämpferische Atmosphäre, die in der Sache vorherrscht. Hier kann das Rechnen mit großen Zahlen helfen. Ein Beispiel:
Oft hört man, der Mensch sei für die Verschmutzung der Weltmeere verantwortlich. Chemikalien und Unrat würden sich in den Ozeanen verbreiten und kein Tropfen Wasser sei mehr natürlich sauber. Schauen wir uns das mal an. Wie viel Wasser gibt es eigentlich pro Kopf der Erdbevölkerung? Ist das ein Eimer voll für jeden, eine Badewanne? Oder vielleicht ein Swimmingpool? Schätzen Sie mal bevor Sie weiterlesen.
Die Ozeane haben 1,3E18 Kubikmeter Wasser (Wikipedia). Die Bevölkerung der Erde zählt 7,5 Milliarden, also 7,5E9. Wir teilen das eine durch das andere: 1,3 durch 7,5 ergibt 0,17 (vor dem E) und 18 minus 9 ergibt 9 (hinter dem E). Also: pro Kopf 0,17E9 Kubikmeter.
Ist das viel? Ein großer Swimmingpool hat vielleicht hundert Kubikmeter, also 1E2. Wir dividieren und kommen auf 0,17E7 Pools pro Kopf der Erdbevölkerung, das sind knapp zwei Millionen Pools pro Person. Sie glauben das nicht? Nun wir sind hier nicht in der Domäne des Glaubens sondern des Verstehens. Wo haben wir einen Fehler gemacht?
Vielleicht wenden Sie ein, dass doch schon jeder mit eigenen Augen den widerlichen Plastikmüll an den Stränden gesehen hat, und dass der bestimmt menschengemacht sei. Wie soll das gehen, wenn jeder zwei Millionen Pools verschmutzen soll?
Nun, der Müll den wir sehen verteilt sich nicht gleichmäßig in den Wassern der Ozeane, sondern schwimmt an der Oberfläche und bleibt letztlich an den Küsten liegen. Untersuchen wir jetzt also, wie viele Kilometer Küstenlinie pro Kopf der Erdbevölkerung zur Verfügung stehen. Alle Küsten dieser Erde, aller Inseln, Halbinseln und Kontinente sind zusammen etwa 1,5 Millionen Kilometer lang, das sind 1,5E6 km oder auch 1,5E9 Meter. Das Teilen wir jetzt durch die Kopfzahl auf Erden, nämlich 7,5E9 und erhalten 0,2E0 Meter, das sind zwanzig Zentimeter in normaler Sprache.
Würden sich alle Erdbewohner neben einander an den Küstenlinien unseres Planeten aufstellen, dann hätte jeder nur 20 cm Platz – ein ziemliches Gedränge! Und um diese 20 cm pro Person mit Plastik zu vermüllen, da haben wir keine Schwierigkeiten, das machen wir noch vor dem Frühstück.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und bitte: helfen Sie mit beim Kampf gegen den numerischen Analphabetismus. Schreiben Sie Leserbriefe wenn Sie Fragen oder Kommentare haben. Ich freue mich über Post von Ihnen.

Der Artikel erschien zuerst in www.think-again.org und im Buch Grün und Dumm https://think-again.org/product/grun-und-dumm/