Woher kommt der Strom? Sehr wenig Windstromerzeugung in der 4. Woche…

Woche vom 20. bis 26.1.2019

Diesmal war es nicht ganz so arg. Dennoch hätte auch eine theoretisch angenommene Verfünffachung der installierten Leistung Wind- und Sonnenkraft an fünf von sieben Tagen der 4. Woche nicht ausgereicht, um Deutschland mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern komplett zu versorgen. 0,75 TWh – immerhin mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Strombedarfs eines Tages in Deutschland – hätten Backup-Kraftwerke zum Beispiel am 25.1.2020 zusätzlich erzeugen müssen, um die Stromversorgung sicherzustellen. Nun gibt es realiter keine Verfünffachung installierter Leistung von Wind- und Sonnenkraft, dafür gibt es zur Zeit noch eine auskömmliche konventionelle Stromerzeugung.

In einem hochinteressanten Gespräch mit einem Energie-Experten habe ich erfahren, dass die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke in Deutschland praktisch nicht mehr ohne weiteres aufgehalten werden kann. Die entsprechenden Vorbereitungen, vor allem auch bürokratisch-juristischer Natur, seien so weit fortgeschritten, dass ein gewünschter Weiterbetrieb ein neues Genehmigungsverfahren für jedes Kernkraftwerk erfordern würde. Das würde dauern. Klimawandel hin, Weltklimauntergang her.

Die Detailtabelle mit den Werten der Energy-Charts, sowie der daraus generierte Chart, und der Im-/Exportchart mit den saldierten Werten seit Jahresbeginn. Grundlage hierfür sind ebenfalls die Werte der Energy-Charts des Fraunhofer ISE. Der Im-/Exportchart belegt: Ohne Frankreichs Strom aus Kernkraft hätte Baden-Württemberg enorme Versorgungsprobleme. Mal schauen, was wird, wenn das Kernkraftwerk Fessenheim/Frankreich abgeschaltet wird. Im Sommer dieses Jahres ist es soweit.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 19.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 38,10%, davon Windstrom 23,02%, Sonnenstrom 2,38%, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,70 %. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Gleichmäßig wenig Wind, die Sonne scheint schwach. Nach Sonnenuntergang geht die Windstromerzeugung weiter zurück. Die Stromversorgung Deutschlands ist auf Kante genäht. Aufgemerkt: Nicht, weil die konventionellen Stromerzeuger nicht könnten. Sie wollen nicht. Die Strompreise, die bisher erzielt wurden. lagen immer unter 40 €/MWh. Da lohnt das Hochfahren eines Kohlekraftwerks nicht. Auch gibt es da noch den Strom aus dem Ausland. Zur Not. Doch wehe, die Abschaltorgie Kernkraft plus Ausstieg Kohle in Deutschland greift. Das ist nicht mehr lange hin. Dann ist Holland in Not. Nicht Holland, nein: Deutschland. Wetten? Weil Holland seinen Strom selbst benötigt. Und Frankreich, und, und, und. Wenn es kalt und dunkel, wenn es windstill ist.

Montag, 20.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 27,85%, davon Windstrom 13,92%, Sonnenstrom 3,16%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,76%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Heute zeigt sich die Windstromerzeugung von der anderen Seite. Morgens wenig, nach Sonnenuntergang dann der Anstieg. Am frühen Morgen ist sie so gering, dass kurzzeitig Strom importiert werden muss. Der Preis ist niedrig. Nachts ist die Nachfrage, ist der Bedarf nicht groß. Über Tag steigert sich die Windstromerzeugung zum „Wochenbuckel“, der morgen seinen Höhepunkt erreichen wird.

Dienstag, 21.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 35,23%, davon Windstrom 21,59%, Sonnenstrom 3,98%, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,66%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Um 7:00 Uhr erreicht der Windstrombuckel mit insgesamt gut 20 GW seinen Höhepunkt. 20 GW von um 7:00 Uhr benötigten knapp 78 GW. Nach Sonnenuntergang verharrt die Windstromerzeugung um die 15 GW. Zuviel erzeugter konventioneller Strom wird bei stark schwankenden Preisen exportiert. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Nein, es ist umgekehrt. Die Windstromerzeugung sinkt …

Mittwoch, 22.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 26,63, davon Windstrom 14,79%, Sonnenstrom 1,78%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,06%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die bundesdeutsche Windstromerzeugung steuert auf einen Tiefpunkt, wenn nicht auf den Tiefpunkt des Jahres zu. In der Nacht zum Donnerstag wird es soweit sein. Bemerkenswert ist der Strompreis, der heute um 18.00 Uhr erzielt wurde. Deutschland exportierte im Saldo 3,463 GW für 65,09 €/MWh. Ist doch was, oder?

Donnerstag, 23.1.2020: Der Tiefpunkt der Wind- und Sonnenstromerzeugung 2020. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 19,14%, davon Windstrom 6,79%, Sonnenstrom 1,85%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,89%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Um 1:00 Uhr lag die Windstromerzeugung bei gerade mal 2,21 GW. Still ruhte die See. An Land wehte kaum ein Lüftchen. Es war ein windstiller Tag. Auch die Sonne konnte nichts rausreißen. Tut sie im Winter ohnehin nicht. Das liegt an der Erdachse. Die konventionellen Kraftwerke bollern, was das Zeug hält. Noch. Als ich das schreibe, wird mir irgendwie ganz flau. Ich frage mich, ob unsere Politik- und Medieneliten noch ganz bei Trost sind. Ob die sogenannte Zivilgesellschaft einschließlich Friday für Alles weiß, was sie will, was sie fordert, welche Konsequenzen das hat? Es steht zu befürchten: Diese Leute haben keinen Schimmer. Oder sie wollen den Agrarstaat Deutschland. Vorbild: Das zentrale Afrika mit etlichen Ländern nahe Null CO2-Erzeugung.

Stopp, es gibt auch Ausnahmen: Lesen Sie den neuesten Artikel von Stefan Aust zur Energiewende. Der bringt in aller Kürze das, was ich seit Jahr und Tag schreibe und mit dieser Kolumne detailliert belege.

Freitag, 24.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 25,29%, davon Windstrom 12,35%, Sonnenstrom 2,94%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,00%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute sieht es etwas besser aus mit der Windstromerzeugung. Heute werden über Tag auskömmliche Preise beim Export es zu viel erzeugten konventionellen Strom erzielt. Die Stromversorgung Deutschlands ist zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Nicht wegen der erneuerbaren Energieträger. Wegen der Zuverlässigkeit der konventionellen Stromerzeugung.

Samstag, 25.1.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 26,57%, davon Windstrom 12,59%,Sonnenstrom 2,10%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,89%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Der Windfehlalbtraum geht weiter. Dieser Samstag ist bereits der vierte aufeinander folgende Tag, an dem eine Verfünffachung der installierten Leistung Wind- und Sonnenkraft nicht ausgereicht hätte, um den Strombedarf Deutschlands zu decken. Glauben Sie bitte nicht, dass man nur den Strom aus irgendwelchen Speichern hätte nehmen müssen. Die gibt es nicht. Die wird es nicht geben. Mehr dazu ganz unten. Wieder mal. Denn die Mär von den Stromspeichern, welche die Energiewende retten, hält sich hartnäckig.

Erst ab dem 26.1.2020 nach Sonnenuntergang wird die Flaute nachlassen. Zum Glück ist es Wochenende. Der Strombedarf ist gering. Zum Glück? Die Strompreise fallen wieder. In der nächsten Woche liegen sie teilweise unter 20,- €/MWh. Immerhin besser, als Strom zu verschenken. Womöglich mit Bonus! Keine Bange. Kommt bestimmt noch.

Stromimport, Stromexport Deutschland 2019

In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich bei meinen Analysen immer wieder geschrieben, dass Deutschland in aller Regel höhere Preise zahlt, wenn es Strom importiert, als es beim Export von Strom erzielt. Umso erstaunter war ich, dass die Stromaußenhandelsstatistik, die Energy-Charts liefert, auf den ersten Blick das Gegenteil belegt (Abbildung, bitte unbedingt anklicken, es werden alle Abbildungen und Mehr geöffnet).

Eine weitergehende Analyse ergab, dass meine Aussage im Hinblick auf die meisten Länder korrekt war. Lediglich Frankreich und die Niederlande fielen aus dem Rahmen und – man lese und staune – Polen.

Deutschland exportiert praktisch jeden Tag Strom nach Polen (Abbildung 1). Das Narrativ, Deutschland importiere bei Bedarf „dreckigen“ Kohlestrom aus Polen, bewahrheitet sich 2019 nicht. Stromimport aus Polen fand praktisch nicht statt. Während bei Frankreich und den Niederlanden die Exporterlöse lediglich geringfügig über den Kosten lagen, die für Stromimporte aus diesen Ländern gezahlt werden musste, fiel der Erlös mit 62,16 €/MWh für Strom-Exporte nach Polen erheblich aus dem Rahmen. Ich habe Professor Burger, der die Energy-Charts des Fraunhofer ISE betreut, eine Mail zugesandt, der ich dieses Schaubild (Abbildung 2) beigefügt habe. Die schwarze Linie habe ich bei 62,5 €/MWh gezogen. Es ist offensichtlich, dass der Preis, den Polen an Deutschland gezahlt hat, nicht mit den Börsenpreisen korreliert. Leider verwies mich Burger lediglich an das Statistische Bundesamt, von dem die Zahlen, die er verwertet habe, stammten.

Parallel zur Mail an den Professor der Energy-Charts habe ich bei der Bundesnetzagentur nachgefragt, warum diese im Datenportal www.smard.de überhaupt keine Preise zu Polen auswirft. Die wesentlichen Teile der Antwort:

[…] Die Plattform SMARD bezieht ihre Daten im Bereich „Marktdaten visualisieren“ direkt vom Verband der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) und fragt sie von dort automatisch ab. ENTSO-E bekommt die Daten gemäß der europäischen Transparenzverordnung (Verordnung (EU) Nr. 543/2013) gemeldet. Die gelieferten Daten von ENTSO-E werden von uns zunächst geprüft, anschließend weiterverarbeitet und auf SMARD übersichtlich aufbereitet und zum Download bereitgestellt. Polnische Großhandelspreise wurden für den Zeitraum vom 02.03.2017 bis 19.11.2019 in der Währung PLN/MWh veröffentlicht. Leider ist es uns aus technischen Gründen nicht möglich auf SMARD einen flexiblen Wechselkurs zu konfigurieren, um die Preise durchgehend in EUR/MWh anzeigen zu lassen. Sie können daher die polnischen Großhandelspreise für den fehlenden Zeitraum nur direkt auf der ENTSO-E Transparenzplattform einsehen: Hier klicken. […] (Abbildung 3)

Einen Schritt weiter ging die Antwort von Fabian Hein, Analyst und verantwortlich für das Agorameter bei Agora-Energiewende, der mir die polnische Webseite nannte, die Agora zur Datenermittlung verwendet. Abbildung 4 wirft für den Zeitraum von 2009 bis 2019 die Preise pro MWh Strom in polnischen Złoty aus. Tatsächlich sind in den vergangenen 1 1/2 Jahren die Importstrompreise angezogen. Der polnische Złoty hat einen Wert von aktuell etwa 0,23 Euro. Weshalb nun aber Polen so viel mehr Stromimportkosten als unsere übrigen Nachbarn an Deutschland zahlt, konnte mir niemand erklären. Und dies, obwohl ich konkret nach Sondereinflüssen gefragt habe.

Frankreich Stütze der bundesdeutschen Stromversorgung

Wie auch immer. Ich habe bei meiner Analyse  des bundesdeutschen Stromaußenhandels 2019 Polen einmal komplett außen vor gelassen (Abbildung 5). Damit stimmt meine Aussage für das Jahr 2019 auch im Mittel. Der Durchschnittspreis, den Deutschland für Stromimporte zahlen musste, lag bei 45,08 €/MWh. Beim Stromexport erlöste Deutschland pro MWh 44,42 €.

Wenn die Erlöse durch den Stromexport nach Polen berücksichtigt werden, dreht sich das Bild. Nun werden für Importe wiederum die 45,08 €/MWh bezahlt, Exporte hingegen bringen 46,89 €/MWh. Polen sei Dank. (Abbildung 6)

Wenn Sie sich den Chart unter Abbildung 6 genauer anschauen, erkennen Sie, dass Deutschland besonders viel Strom nach Österreich und in die Schweiz exportiert hat. Von dort wurde auch eine Menge Strom importiert. Für beide Länder ein gutes Geschäft, wenn man die Im-/Exportpreise jeweils vergleicht. Sie differieren wesentlich stärker als die oben genannten Durchschnittspreise.

Frankreich und die Niederlande exportieren ebenfalls Strom nach Deutschland. Wobei Frankreich praktisch eine der Stützen der bundesdeutschen Stromversorgung, vor allem Baden-Württembergs ist. Strom in einer Menge, welche praktisch von 1 1/2 Kernkraftwerken produziert wird, wurde aus Frankreich importiert. Deutschland zahlte dafür etwas weniger, als es für den – verhältnismäßig geringen – Export nach Frankreich erzielte. Aus den Niederlanden wurde mit über 5 TWh ebenfalls eine große Menge Strom importiert. Deutschland exportierte gleichwohl viel mehr Strom in die Niederlande. Und machte unter dem Strich damit Gewinn.

Abbildung 7 weist die Kosten und die Erträge aus, die im Jahr 2019 für die Stromerzeuger Deutschlands anfielen. Saldiert wurden 27,251 TWh Strom exportiert. Deutschland hat 49,37 €/MWh erhalten, wenn man die polnischen Importe und dessen Ertrag für Deutschland berücksichtigt. Rechnet man Polen heraus, sind es 42,80 €/MWh. Was bemerkenswerterweise annähernd dem Preis entspricht, den Abbildung 3 zum Ende des Jahres 2019 in Polen hergibt.

An dieser Stelle möchte ich noch mal ausdrücklich darauf hinweisen, dass Stromversorgung ein Gleichzeitigkeitsgeschäft (Abbildung 8) ist. Strom muss genau dann produziert werden, wenn er, wenn die zu transportierende Energie benötigt wird. Was in der einen Sekunde noch genau passend war, kann in der nächsten schon zu wenig oder zu viel sein. Deshalb kommt es bei einem Industrieland wie Deutschland mit hoher schwankender Stromerzeugung (Wind- und Sonnenkraft, Abbildung 9). Genau deshalb finden permanente Stromimporte, Stromexporte statt. Das Stromnetz muss zu jeder Zeit austariert, „ausgeregelt“ werden, damit die Netzfrequenz 50 Hertz exakt eingehalten wird. Zuviel Strom ist genauso gefährlich für die Versorgungssicherheit wie zu wenig Strom. Ein höchst komplexer, permanenter Vorgang, der den Ingenieuren und Mitarbeitern der Stromerzeuger und Netzübertragungsbetreiber höchste Konzentration und Unmengen Know-how abverlangt sowie eine Menge Erfahrung erfordert.

Stromspeicher

Nun meinen manche Zeitgenossen, die sich in aller Regel recht wenig mit der Materie beschäftigt haben, dass das Problem doch mit genügend Stromspeichern gelöst werden könne. Und in der Tat. Immer wieder wird von neuen Speichermöglichkeiten berichtet, die suggerieren, jetzt sei der „Durchbruch“ gelungen, die Energiewende, die faktisch nur eine Stromerzeugungswende ist, sei gerettet.

Aktuell wird über die Möglichkeit berichtet, mittels Luftverflüssigung, das Problem zu lösen. Lassen Sie sich nicht täuschen. Eine Pilotanlage ist „schnell“ aufgebaut. Funktionieren tut das Konzept auch. Was aber immer wieder vollkommen falsch eingeschätzt wird, sind die Strommengen, die im Falle eines Falles (Wind und Sonnenkraftwerke liefern viel zu wenig Strom wie zum Beispiel diese Woche) bereitgestellt werden müssten. Abbildung 10 stellt die neuartige Anlage aus England vor. Dort gibt es auch einen Link zu einem Artikel mit meiner Einschätzung und realistischen Zahlen.

Ordnen Sie Deutschlands CO2-Ausstoß in den Weltmaßstab ein. Zum interaktiven CO2-Rechner: Hier klicken. Noch Fragen?

Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Rüdiger Stobbe betreibt seit 4 Jahren den Politikblog  www.mediagnose.de.

Zuerst erschienen bei der Achse des Guten; mit freundlicher Genehmigung.