Woher kommt der Strom? – Woche 49, weder Fisch noch Fleisch
Da besann sich der Wettergott und meinte, dass Nikolaustag ein Wind-Tag sein sollte. Und nicht nur zu Nikolaus, nein, auch die folgenden Tage waren sehr reich an Wind. Leider bedeutet reich an Wind im Dezember fast immer schlechtes Wetter. Die Sonne trug nicht mal 0,1 TWh pro Tag zum Stromergebnis Erneuerbare bei. Da kommt der Moment, wo sich die Sache mit der Windkraft in den Schwanz beißt. Weil trotz einer nahe an Spitzenwerte (um 1 TWh/Tag) reichenden Windstromerzeugung dieser Strom zusammen mit dem Strom der anderen erneuerbaren Energieträger nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Wegen des schlechten, nasskalten Wetters steigt der Strombedarf entsprechend an. Die früh einsetzende Dunkelheit tut das ihre dazu. Das Mehr an Windstrom wird durch den Mehrbedarf im Herbst, im Winter nivelliert.
Dieses Mehr an Windstrom am Nikolaustag führte zu einem Preisverfall an der Strombörse. Die konventionellen Kraftwerke konnten zwar runtergefahren werden, dennoch war insgesamt zu viel Strom – konventioneller Strom – im Markt. Am 6.12. waren die Preise, die erzielt werden konnten, noch recht moderat. Am 7.12.2019 musste für ein paar Stunden Strom praktisch verschenkt werden. Zum Teil mit einer Bonuszahlung.
Die Detailzahlen der Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der aus diesen Werten generierte Chart zeigen die Entwicklung von der Woche in Zahl und Grafik.
Die Tagesanalysen
Sonntag, 1.12.2019: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 26,19 Prozent
Die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energieträger war heute recht schwach. Nun ist der Sonntag ein bedarfsarmer Wochentag, so dass es zu keiner Stromunterdeckung kam. Unter dem Strich exportierte Deutschland mehr Strom, als es importierte.
Montag, 2.12.2019: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 33,74
Wie abgesprochen, steigt passend zum Werktags-Mehrbedarf die Wind- und Sonnenstromerzeugung an. Bemerkenswert ist die Offshore-Stromerzeugung, die bereits am Sonntag angezogen hat. Sie flaut allerdings zur Nacht wieder etwas ab. Mit dem Strom, den Deutschland exportiert, werden zum Teil ordentliche Preise erzielt.
Dienstag, 3.12.2019: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 29,27 Prozent
Der Tag beginnt mit recht wenig Windstromerzeugung. Im Verlauf des Tages zieht diese an und erreicht um 23:00 Uhr einen ersten Wochenhöhepunkt. Die konventionellen Stromerzeuger tragen dieser Entwicklung geschickt Rechnung. So liegt die Stromerzeugung gesamt immer etwas über Bedarf. Der Strom, der ins benachbarte Ausland verkauft wird, bringt gute bis sehr gute Erträge.
Mittwoch, 4.12.2019: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 32,32 Prozent
Auch heute gelingt die Anpassung der konventionellen Stromerzeugung an den Bedarf und den vorrangig einzuspeisenden Strom aus Erneuerbaren Energieträgern. Der Tagesverlauf ist ziemlich gleichmäßig. Es gibt keine „Erzeugungssprünge“. Auch auf dem Meer ist die Stromerzeugung heute konstant. Das spiegelt sich wider in guten Stromverkaufspreisen.
Donnerstag, 5.12.2019: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 38,24 Prozent & Freitag, 6.12.2019: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 59,89 Prozent
Damit der Anstieg der Windstromerzeugung gut nachvollzogen werden kann, fasse ich diese beiden Tage zusammen. Man erkennt, dass die Stromerzeugung auf dem Meer (Offshore) nahezu gleichförmig verläuft. Onshore, auf dem Land hingegen, nimmt die Windstromerzeugung dynamisch zu. Die ohnehin recht schwache Sonnenstromerzeugung sinkt nochmal um etwa ein Drittel. Das Wetter ist schlecht. Und: Obwohl die konventionellen Stromerzeuger die starke Windstromerzeugung am 6.12. gut abfedern, ist das Zuviel an Strom insgesamt nur billig abzugeben. Immerhin werden am 5.12. noch recht ordentliche Preise erzielt. Hier der Im-/Exportchart für beide Tage.
Samstag, 7.12.2019: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 66,88 Prozent
Bis um 6:00 Uhr muss der zu viel vorhandene Strom in Deutschland verschenkt, zu einem großen Teil mit Bonus, weitergegeben werden. Um allen Missverständnissen vorzubeugen. Es ist durchaus nicht zu viel erneuerbar hergestellter Strom, der heute zu Preisen abgegeben werden muss, die auch in der Spitze nicht mal die Unkosten decken. Der Mechanismus: Die Windstromerzeugung zieht an. Sie reicht aber durchaus nicht, um den Bedarf zu decken. Die unabdingbar notwendige konventionelle Stromerzeugung kann nicht schnell, nicht weit genug heruntergefahren werden. Deshalb ist ein Stromüberschuss vorhanden. Was am heutigen Tag sehr gut ist, denn die Windstromerzeugung lässt ab 8:00 Uhr etwas nach. Es wird wieder mehr konventioneller Strom benötigt. Der konventionelle Strom muss nicht mehr verschenkt werden und hält die Versorgungssicherheit aufrecht. Billig ist er aber immer noch zu haben.
Die starke Windstromerzeugung hält auch in der nächsten Woche zunächst an. Um dann in eine Art Achterbahn-Auf-und-Ab zu fallen. Dazu mehr am Heiligen Abend.
Wenn ein Professor Märchen erzählt…
Immer wieder gerne wird von der kompetenten Leserschaft darauf hingewiesen, dass Strom in dem Moment erzeugt werden muss, wenn er gebraucht wird. Deshalb seien Durchschnittsrechnungen wenig hilfreich. Zuletzt war dies bei meiner Aussage in Bezug auf die Abschaltungen von Kohlekraftwerken mit einer Minderung auf 30 GW installierte Leistung der Fall. Da im Jahr 2018 im Durchschnitt 23 GW Kohlestromleistung benötigt wurden, so meine Aussage, seien die 30 GW installierte Leistung immer noch mehr als ausreichend.
Aufmerksame Leser meinen, dies stimme so nicht. Es gab Zeiten im Jahr 2018, da seien mehr als 30 GW Leistung Kohlestrom nötig gewesen. Das stimmt (Abbildung, bitte unbedingt anklicken, es werden alle Abbildungen und Mehr geöffnet). Allerdings werden die 30 GW nur selten überschritten. Trotz des Abschaltens von 12,5 GW installierte Leistung Kohlekraft wird also keine relevante CO2-Ersparnis erreicht. Was ja die tiefere Sinngebung des Abschaltens von Kohlekraftwerken sein soll. Und: Ein Ausgleich des in der Spitze fehlenden Kohlestroms durch Gasstrom ist immer problemlos möglich. Fehlender erneuerbar erzeugter Strom hingegen kann immer nur konventionell ausgeglichen werden
Genau da liegt der Unterschied zu den Erneuerbaren Energieträgern Wind- und Sonnenkraft. Da kann nichts ausgeglichen werden. Jedenfalls nicht mit Erneuerbaren. Zwar sind Bestrebungen im Gange, verstärkt Energie aus Biomasse zu speichern und nicht sofort zur aktuellen Bedarfsdeckung zu verwenden. Die heutigen und künftigen Speichermöglichkeiten im Bereich Biomasse werden jedoch kaum ausreichen, um fehlenden Wind- und Sonnenstrom auch nur annähernd auszugleichen. Eine Kurzvorstellung diverser weiterer Speicher finden Sie unter Abbildung 1. Diese würden aber allesamt nicht ausreichen, um genügend Strom zur Verfügung zu stellen, um den Tagesbedarf Deutschlands auch nur für einen Tag zu decken. Weder im Sommer und schon gar nicht im Winter. Deshalb ist es erstaunlich, dass ein Mann wie Professor Hanke-Rauschenbach meint, Strom in solchen Mengen speichern zu können, um damit Tage oder gar Wochen kalter Dunkelflaute (Abbildung 2) überstehen zu können (Abbildung 3). Solche Aussagen sind in den Bereich Sagen und Märchen einzuordnen und dienen offensichtlich dazu, dem Hörer/Leser Zuversicht in Sachen Energiewende einzuhauchen. Mit der technisch-physikalischen Realität hat so etwas nichts zu tun.
Gibt es 100 Prozent erneuerbar erzeugten Strom?
Solange Strom zur Deckung des Stromgesamtbedarfs in Deutschland nicht zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energieträgern hergestellt wird, ist folgender Sachverhalt zu beachten. Auch wenn Strom in Teilbereichen zu 100 Prozent, zum Beispiel für die Herstellung von Wasserstoff, verwendet wird, ist es nicht korrekt, zu behaupten, dieser Wasserstoff sei 100 Prozent Wasserstoff aus Erneuerbaren. Ein Beispiel: Die Stadt Düren möchte gerne Vorreiter in Sachen Wasserstofftechnologie sein. Deshalb soll der komplette Strom eines Windparks nahe Düren zur Wasserstoffherstellung verwendet werden. Mit diesem Wasserstoff sollen eine Regionalbahn und mehrere Busse ==> Ziel ÖPNV mit Wasserstoff betrieben werden. Eine prima Idee, sollte man meinen. Wenn man allerdings genauer hinschaut, sieht es so aus: Der Strom, der durch den Windpark erzeugt wird, wird dem allgemeinem Stromnetz vorenthalten. Deshalb muss dort mittels konventioneller Stromerzeugung der entgangene Windstrom ersetzt werden (Abbildung 4)
Hinzu kommt, dass die Umwandlung von Windstrom in Wasserstoff (Elektrolyse/Verflüssigung) und die Rückverwandlung in Strom (Brennstoffzelle) eine Menge Energie kostet (Abbildung 5). Eine Einheit Windstrom bringt nur eine Viertel Einheit Strom aus Wasserstoff. Würde der Windstrom direkt in einem Elektrofahrzeug mittels Batterie verwendet, stünden 90 Prozent des erzeugten Stroms zur Verfügung, um Bewegungsenergie (Bahn, Bus usw.) zu erzeugen. Wobei das zu Beginn meiner Überlegungen angesprochene Problem bleibt. Auch das ist kein komplett grüner Strom. Wenigstens wird er effektiver genutzt.
Bisher ausgeblendet wurde der Sachverhalt, dass Windstromerzeugung an sich schon höchst ineffizient ist. Es sind im Durchschnitt mindestens vier Windkraftanlagen gleicher Bauart notwendig, um die Nennleistung einer dieser Windkraftanlagen tatsächlich zu erzeugen. Eingedenk der Tatsache, dass die guten Windlagen in Deutschland praktisch belegt sind, ist ein weiterer Ausbau praktisch nur auf dem Meer (Offshore) sinnvoll. Zumindest, was den Stromertrag angeht. Kosten, Umweltschäden usw. seien hier nur erwähnt, nicht diskutiert. Ein weiterer Ausbau an Land (Onshore) erscheint wegen der im allgemeinen immer geringer werdenden Windhöffigkeit Richtung Süden der Republik wenig vernünftig. Hinzu kommt zusätzlich der immer größer werdende Widerstand der Bevölkerung, die nicht in hundert Jahren, sondern jetzt ein gutes Leben führen möchte. Ohne Windkraftindustrieanlagen vor der Haustür. Mit allen ihren Nachteilen.
Wasserstofftechnologie ist nichts Neues. Mercedes hat bereits vor Jahrzehnten intensiv in diesem Bereich geforscht. Man ist aber zu dem Ergebnis gekommen, dass sich angesichts des gewaltigen Energiebedarfs, des technischen, vor allem des sicherheitstechnischen Aufwands – Wasserstoff ist hochexplosiv und extrem flüchtig (Abbildung 6) –, dass sich der Aufwand in Sachen Wasserstoff insgesamt kaum rechnet. Entscheidend bleibt aber der wirklich gigantische Energiebedarf. Diese Mengen an „überflüssigem“ = Über-Bedarf vorhandenem, aus erneuerbaren Energieträgern erzeugtem Strom stehen schlicht nicht zur Verfügung. Auch nicht in mittlerer Zukunft. Deshalb „lohnt“ sich auch hier nur etwas, wenn kräftig subventioniert wird. Diese Subventionen räumen die Initiatoren des Dürener Projekts selbstverständlich ab. Überhaupt werden sie ein gutes Geschäft machen. Auch Daimler ist wieder mit dabei. Man will ja nichts verpassen. Dem Klima wird weder mit dem Projekt in Düren noch mit der Forschung beim Daimler geholfen. Wasserstofftechnologie ist heute vor allem gewaltige Energieverschwendung. Aber es hört sich alles gut und fortschrittlich an.
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Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.
Zuerst erschienen bei der Achse des Guten; mit freundlicher Genehmigung.
Rüdiger Stobbe betreibt seit über 3 Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.