Beschleunigung des Meeresspiegel-Anstiegs aus geologischer Perspektive

J08 und J14 zeigen, dass die Beschleunigung, so es eine solche überhaupt gibt, bereits vor 150 bis 200 Jahren begonnen hatte. Das ist konsistent mit dem Ende der neoglaciation und damit, dass es eine quasi-periodische Fluktuation im Rahmen eines ~60-jährigen Zyklus‘ gibt. CW06 und CW11 sprechen ebenfalls die Beschleunigung im 19. Jahrhundert an, aber auch eine Beschleunigung in jüngerer Zeit infolge der anthropogen verursachten globalen Erwärmung. Diese SLR-Beschleunigung ist im schlimmsten Falle unbedenklich.

Aus CW06: Falls diese Beschleunigung im 21. Jahrhundert aufgetreten war, läge der Meeresspiegel im Jahre 2100 um 310 ± 30 mm höher als im Jahre 1990. Das überlappt sich mit der zentralen Bandbreite der Projektionen im AR 3 (Church et al. 2001).

310 mm von 1990 bis 2100 wären weniger als 3 mm pro Jahr … nicht gerade eine große Beschleunigung:

Abbildung 1: Jevrejeva et al. (2014) in rot, Church & White (2011) in grün

CW11 liegt um etwa 100 mm niedriger als J14. Für den direkten Vergleich ist hier CW11 auf der sekundären Y-Achse eingezeichnet mit einem Abstand von 100 mm:

Abbildung 2: J14 im Vergleich zu CW11. 310 mm ist weniger als die Länge eines Estwing-Rock-Pick. Die grüne Kurve repräsentiert das 5-Jahre-Mittel von CW11, die rote Kurve entsprechend das von J14. Die Y-Achse von CW11 ist um 100 mm nach oben verschoben, um den Abstand zu J14 auszugleichen.

J14 beginnt 60 Jahre früher als CW11 und umfasst damit noch den sinkenden Meeresspiegel am Ende der neoglaciation und der Kleinen Eiszeit. Man erkennt, dass J14 und CW11 von 1880 bis 1930 und dann wieder ab 1993 ziemlich gut zusammen passen. Große Unterschiede zeigen sich aber von 1930 bis 1993. J14 zeigt eine Beschleunigung bis 3,2 mm pro Jahr von 1929 bis 1963, dann eine Verlangsamung bis weniger als 1 mm pro Jahr, wonach sich die Beschleunigung wieder auf 3,2 mm pro Jahr hochschraubt.

Abbildung 3: J14 im Vergleich mit CW11. Welche Kurve würde der Geologe betrachten? Schwarze Kurve = J14, grüne Kurve = CW11.

Bei CW11 fehlt diese quasi-periodische Fluktuation komplett.

Wer hat recht?

Es sind im Allgemeinen drei Faktoren, die den Meeresspiegel-Anstieg und das Sinken desselben steuern:

1. Wassertemperaturen und Änderungen des Salzgehaltes (sterisch)

2. Änderungen der Cryosphäre (glacio-eustatisch)

3. Änderungen der Konfiguration der Kontinente und Ozeanbecken (isostatisch)

Isostatische Prozesse sind nur relevant für global gemittelte SLR-Änderungen über Tausende bis Millionen Jahre und können hier ignoriert werden.

Wassertemperatur und Meeresspiegel

Wenn sich Wasser erwärmt, dehnt es sich aus, umgekehrt bei Abkühlung. Die mittlere Wassertemperatur global ist seit der kältesten Phase der Kleinen Eiszeit allgemein gestiegen, also seit dem 17. Jahrhundert. Während sich die Ozean-Oberfläche ziemlich rasch erwärmen und abkühlen kann, dauert dies in größeren Tiefen viel länger. Somit kann man eine Verzögerung des SLR nach einer Erwärmung erwarten.

J14 passt ziemlich gut zur Wassertemperatur, sofern man eine Verzögerung um 20 Jahre anbringt.

Abbildung 4: J14 im Vergleich mit HadSST3 (Wood For Trees). Die HadSST-X-Achse ist um 20 Jahre nach links verschoben.

J14 zufolge beschleunigte sich der SLR von 1,8 mm pro Jahr im Zeitraum 1882 bis 1915 auf 3,2 mm pro Jahr im Zeitraum 1929 bis 1963, etwa 20 Jahre nach Beginn der Erwärmungsperiode zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Danach sank der SLR auf weniger als 1 mm pro Jahr nach dem Beginn der Abkühlungsperiode Mitte des 20.Jahrhunderts.

Vermeer & Rahmstorff, 2009 folgerten, dass eine Verzögerung von über 10 Jahren zu erwarten ist bei einer Reaktion des Meeresspiegels auf Temperaturänderungen. Auch CW06 führte eine Verzögerung von ~20 Jahren zwischen den Änderungen der Temperatur und des SLR an.

Aus CW06: Zwischen 1930 und 1960 steigt der Meeresspiegel schneller als die quadratische Kurve mit einer Rate von etwa 2,5 mm pro Jahr. Dies folge (mit einer Verzögerung von 20 Jahren) der Periode eines stärkeren Temperaturanstiegs von 1910 bis 1940 (Folland et al., 2001).

J14 zeigt eine verzögerte Reaktion auf den ~60-jährigen Temperaturzyklus (quasi-periodische Fluktuation). CW11 zeigt dies nicht. Vielmehr fehlt bei CW11 vollständig die Abkühlung um die Mitte des 20. Jahrhunderts („die Eiszeit wird kommen“) nebst deren Auswirkung auf den SLR. Diese Abkühlung war so signifikant, dass sogar der Anstieg des atmosphärischen CO2-Gehaltes ausgebremst worden ist.

Abbildung 5: Trotz steigender Emissionen stabilisierte sich der atmosphärische CO2-Gehalt von 1940 bis 1955, wenn er nicht sogar rückläufig war (MacFarling-Meure et al., 2006, NOAA ESRL und CDIAC).

MacFarling-Meure schreiben dazu:

Die Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration während der 1940er und 1950er Jahre ist ein bemerkenswertes Phänomen in den Eisbohrkernen. Die neuen Hoch-Dichte-Messungen bestätigen dieses Ergebnis und zeigen, dass sich die CO2-Konzentrationen von ~1940 bis 1955 bei 310 bis 312 ppm stabilisiert hatten. Der Gehalt der Zunahme-Raten von CH4 und N2O nahm während dieses Zeitraumes ebenfalls ab, obwohl die N2O-Variation vergleichbar ist mit der Messungenauigkeit. Eine Glättung infolge der im Eis eingeschlossenen Luft (über etwa 10 Jahre im DE08) entfernt die hochfrequenten Variationen aus der Aufzeichnung. Daher kann die wahre atmosphärische Variation größer sein als aus der Luft in dem Eisbohrkern hervorgeht. Selbst ein Rückgang der atmosphärischen CO2-Konzentration Mitte der 1940er Jahre ist konsistent mit den Aufzeichnungen des Law Dome Eiskerns, was eine große zusätzliche Senke von ~3,0 PgC pro Jahr belegt (Trudinger et al. 2002a). Die d13CO2-Aufzeichnung über diese Zeit zeigt, dass diese zusätzliche Senke zumeist ozeanischer Natur und nicht verursacht war von geringeren Emissionen fossiler Treibstoffe oder der terrestrischen Biosphäre. Die für diese Reaktion ursächlichen Prozesse sind immer noch unbekannt.

Die CO2-Stabilisierung erfolgte während einer Veränderung der persistenten El Nino- zu La Nina-Bedingungen. Dies fiel zusammen mit einer Warm-Kalt-Änderungsphase der PDO, mit sinkenden Temperaturen und einer sich fortschreitend abschwächenden nordatlantischen thermohalinen Zirkulation. Die kombinierten Auswirkungen dieser Faktoren auf den Spurengas-Haushalt sind derzeit noch nicht gut verstanden. Sie können bzgl. des atmosphärischen CO2-Gehaltes signifikant sein, falls Flüsse in Gebieten mit Aufnahme von Kohlenstoff wie etwa der Nordpazifik zunehmen oder falls Ausflüsse aus den Tropen unterdrückt sind.

MacFarling-Meure et al., 2006

Die quasi-periodischen Fluktuationen in J14 sind eindeutig konsistent mit den Ozean-Temperaturen.

Cryosphäre und Meeresspiegel

Es gibt auf der Erde so kalte Stellen, dass Wasser fest gefroren ist. Diese Gebiete mit Schnee oder Eis, in welchen die Temperatur zumindest teilweise pro Jahr unter den Gefrierpunkt liegt, bilden die Cryosphäre. Der Terminus „Cryosphäre“ hat seinen Ursprung im griechischen Wort „krios“, was Kälte bedeutet.

Eis und Schnee auf dem Festland sind ein Teil der Cryosphäre. Darin enthalten sind die größten Gebiete der Cryosphäre, die kontinentalen Eisschilde von Grönland und der Antarktis ebenso wie Eiskappen, Gletscher sowie Gebiete mit Schnee und Permafrost. Wenn kontinentales Eis auf das Meer hinaus fließt, bildet sich Schelfeis.

Der andere Teil der Cryosphäre wird gebildet durch das Eis, das sich in Wasser befindet. Das umfasst gefrorene Gebiete des Ozeans wie die Gewässer rund um Arktis und Antarktis. Auch gefrorene Flüsse und Seen gehören dazu, welche sich hauptsächlich in polaren Gebieten befinden.

Die Komponenten der Cryosphäre spielen eine bedeutende Rolle hinsichtlich des Klimas der Erde. Schnee und Eis reflektieren die Wärme von der Sonne und helfen so, die Temperatur unseres Planeten zu regulieren. Weil Polargebiete bzgl. Klimafluktuationen am empfindlichsten sind, kann die Cryosphäre einer der ersten Orte sein, an welchen Wissenschaftler globale Klimaänderungen zu bemerken in der Lage sind.

NOAA

Die Massenbilanz von Gletschern ist eine Möglichkeit, Änderungen der Cryosphäre messtechnisch zu erfassen. Ein Gletscher mit negativer Massenbilanz verliert mehr Eis, als er pro Jahr an Eis zunimmt, bei positiver Massenbilanz ist es umgekehrt.

Die globale Gletscher-Massenbilanz war negativ seit dem Ende der Vereisung zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

Wenn Gletscher und Eisschilde negative Massenbilanzen aufweisen, findet ein großer Teil des Schmelzwassers seinen Weg in den Ozean, und der Meeresspiegel steigt. Während der meisten Zeit der letzten 150 Jahre sind mehr Gletscher geschrumpft (negative Massenbilanz) als gewachsen (positive Massenbilanz).

Eine andere Art, Gletschervorstöße und -rückzüge zu erfassen ist die Messung der Länge des Gletschers. Die Klima-Rekonstruktion nach Oerlemans (2005) wurde abgeleitet aus Änderungen der global erfassten Gletscherlänge. In der folgenden Graphik sind der atmosphärische CO2-Gehalt und die Temperaturen der Nordhemisphäre über Oerlemans Gletscherlänge gelegt:

Abbildung 6: 45% des Eisverlustes erfolgten vor dem Jahr 1900 mit einem atmosphärischen CO2-Gehalt noch unter 300 ppm. Bis 1975 waren 75% der Eismasse verloren gegangen. Nur 25% der Eismasse sind verloren gegangen, seit die Menschen vermeintlich zum Haupttreiber von Klimaänderungen geworden sind. Zur Zeit des „Die Eiszeit kommt“ (1975) waren 90% des Eises bereits verschwunden.

In dem extrem unwahrscheinlichen Fall, dass die Klimamodelle richtig sind, sind 90% der Eisverluste schon eingetreten, bevor ein anthropogener Fingerabdruck auszumachen ist.

Abbildung 7: Modifiziert nach IPCC AR4 und dem Cover der Ausgabe von Science News vom 1. März 1975 (hier).

Man erkennt, dass die quasi-periodische Fluktuation des 20. Jahrhunderts auch in den Oerlemann’schen Aufzeichnungen der Gletscherlänge präsent ist.

Abbildung 8: Kann man hier von „Übereinstimmung“ sprechen?

CW11 andererseits ist nicht einmal ansatzweise parallel…

Abbildung 9: CW11 mit der gleichen Skalierung wie in Abbildung 6.

Die quasi-periodischen Fluktuationen in J14 sind eindeutig konsistent mit Änderungen der Rate des Gletscher-Rückzugs. In CW11 ist das nicht der Fall.

Eine bizarre Behauptung in Church & White 2006:

Die Quadratur impliziert, dass die Anstiegsrate um das Jahr 1820 bei Null lag, als der Meeresspiegel um etwa 200 mm unter dem heutigen Niveau lag. Dieses Niveau ist konsistent mit Schätzungen aufgrund von Felsen-Einlagerungen in Tasmanien im Jahre 1840 und dem Höhepunkt der antiken römischen Aquarien. Dies impliziert praktisch keine langfristige mittlere Änderung des Meeresspiegels vom 1. bis zum 19. Jahrhundert.

CW06

Das ist einfach falsch.

Abbildung 10: Global der letzten 7000 Jahre ohne Fehlerbalken. J14 ist in rot darüber gelegt mit der gleichen Skalierung. Die Klima-Rekonstruktion der Nordhemisphäre nach Lundquist ist ebenfalls eingetragen. Die relativ großen Schwankungen des SLR während der letzten 2000 Jahre sind eindeutig konsistent mit den Jahrtausend-Klimazyklen des Holozäns.

Conclusion

Es ist ziemlich offensichtlich, dass Jevrejeva et al. (2014) konsistenter mit Änderungen von Klima und Cryosphäre sind als Church &White (2011) und sind damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit akkurat.

References

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Link: https://wattsupwiththat.com/2019/12/09/sea-level-rise-acceleration-jevrejeva-vs-church-white/

Übersetzt von Chris Frey EIKE