Grüne: Kann die Partei der Weltbürger eine Volkspartei werden?
In Höhnes Text wird der der Systemtheoretiker Armin Nassehi vorgestellt, ein Berater von Grünenchef Robert Habeck. Der Mann glaubt, daß die politischen Verortungen „rechts“ und „links“ in der post-industriellen Gesellschaft des Westens nicht mehr greifen könnten. Cem Özdemir sekundiert, Unterscheidung in rechts und links sei nur noch „Gesäßgeografie“. Nun sind Ent-Definierungen ein typisches Mittel von weniger begabten Philosophen, sich wichtig zu machen. Eine etwas herostratisch gefärbte Strategie, zerstören statt schaffen, zumindest im geistigen Sinne. Tatsächlich zeigen die Grünen heuer, daß sie DIE linke Partei der Gegenwart sind, die den Kollegen von Linker und SPD die Ideologie vorgeben. Klimaschutz, Masseneinwanderung/Multikulti und Genderismus, das sind die ideologischen Blaupausen eines jeden Linksfühlenden. Und wenn es um die Abgrenzung von der blauen Konkurrenz geht, dürfen Begriffe wie „rechts“ in verschiedener Ausführung niemals fehlen. Man sieht, die Grünen reden einmal wieder anders, als sie dann handeln.
Höhne beschreibt die Grünen sehr treffend als die Partei der Weltbürger, der „Gewinner der Globalisierung“. Man könnte auch sagen, die Gewinner des weltweiten Turbokapitalismus, denn nichts anderes ist die seit den 1990ern vielgescholtene Globalisierung; sozialistische Systeme haben der Welt nichts anzubieten und schrecken Fremde eher ab. Pikanterweise sind es gerade die Kinder des grünen Weltbürgertums, die sich in Gruppen wie ATTAC gegen den Globalkapitalismus stellen.
Trotz daß die Grüne Partei ihre Politiker und Wähler aus dem recht fest umrissenen und begrenzten linksakademischen Milieu rekrutiert, liebäugeln ihre Führer gerne mit der Rolle der ökologischen Volkspartei, was zumindest im Sommer mit den offiziellen Umfragewerten korrelierte. Auch hat die Partei in den letzten 18 Monaten über 20.000 Neumitglieder gewinnen können. Es ist aber kaum anzunehmen, daß das mit der Volkspartei jemals etwas wird. In Umfragen wird den Grünen die höchste Kompetenz in Umwelt- und Klimafragen zugeschrieben. Oder haben die befragten Bürger nur das Thema benannt, mit dem die Partei am meisten identifiziert wird? Annalena Baerbocks Ahnungslosigkeit beim Thema Energie („Netz ist der Speicher“, Kobolde in Batterien) läßt eigentlich nicht den Schluß zu, daß das grüne Führungspersonal etwas von der Natur und deren Wissenschaft weiß. Und in der Tat: Die Obergrünen im Parlament und in der Partei sind meist Philosophen oder Gesellschaftswissenschaftler (Habeck, Özdemir, Baerbock) oder haben erst gar keinen Beruf (Roth, Göring). Biologen, die man für die umweltpolitische Kompetenz zwingend bräuchte, sind rar gesät und kennen sich meist nicht in aktuellen Themen wie Gentechnik aus. Bekannte Physiker gibt es gar nicht in den oberen Rängen. Dieser Mangel an Fachleuten beweist, daß die Grünen nur deshalb als öko-kompetent eingeschätzt werden, weil sie viel über Klima- und Umweltschutz reden. Tatsächlich sind sie eine typisch linksakademische Milieupartei in der Folge von 1968; der Umweltschutz ist nur ein politischer Hebel.
Valerie Höhne bemerkt in ihrem Essay völlig richtig, daß das Ökothema der Grünen „keine positiven Erzählungen“ beinhalte. Es gehe immer nur um Katastrophenszenarien und das Ende der Zivilisation. Richtig, die Grünen sind schon immer eine Panikmacher- und Erpresserpartei. Wählt uns und gebt unseren NGOs viel Geld, sonst werdet Ihr sterben. Wer hätte 1949 gedacht, daß eine solche Partei in der ehemals besten aller deutschen Demokratien einmal reüssieren könnte. Höhne weist scharfsinnig darauf hin, daß Gesellschaftsentwürfe bislang immer klassisch humanistisch gewesen seien – der Mensch steht im Mittelpunkt. Die Grünen hingegen wollen angeblich Insekten, Wälder, Eisbären, Gletscher und auch noch statistische Konzepte wie das Klima retten. Ein zivilsatorischer Rückschritt – erinnert ein wenig an die Gottesstaaten des europäischen Mittelalters oder des heutigen Islamgürtels, in denen angeblich der Schöpfer im Mittelpunkt steht, dessen Willen freilich von selbsternannten Priestern veröffentlicht wird.
„Die Grünen aber waren anfangs eine Antipartei ohne klares Gesellschaftskonzept, ohne große Idee für die Zukunft. Eine Dagegen-Partei.“
Klug beobachtet. Allerdings würde der Libertäre oder Konservative einwenden, daß die Grünen kurz nach der Gründung von K-Gruppen-Kadern und anderen linken Ultras gestürmt wurden. Da waren also sehr viele mit dem Klassenkampf gescheiterte Sozialisten am Werk, die nach einem Ersatz für den Proletarier suchten, da die Arbeiterklasse den linken Bürgerkindern die kalte Schulter gezeigt hatte. Man könnte also Höhnes Zitat ergänzen mit: die Gescheiterten-Partei.
Mit dem Klassenkampf haben zumindest viele Grüne, der Realo-Flügel, die Absicht zur Abschaffung des Kapitalismus aufgegeben. Warum auch nicht, man kann von den Steuern der wertschöpfenden Werktätigen ja prima leben. Dennoch gibt es viele Widersprüche bei den grünen Weltbürgern. Sie wollen den Klimaschutz, aber auch um den Planeten fliegen. Sie wollen als liberal gelten, sind aber DIE Verbotspartei. Sie wollen Masseneinwanderung und Multikulti, aber nicht mit den Immigranten im selben Viertel wohnen oder ihre Kinder in dieselbe Schule wie die Moslems schicken. Sie schätzen angeblich die schwäbische Quäkeridylle mit Windmühle und Freilandhaltung (Zitat nach Jan Fleischhauer), leben aber mit Vorliebe innenstadtnah in der Metropole. Sie treten angeblich für sozial Schwache ein, haben aber kein Problem damit, den Geringverdienern im Lande die höchsten Stromkosten des Kontinentes aufzudrücken.
Nassehi meint, daß die „Anerkennung dieser Widersprüchlichkeiten durch die Grünen einen Teil ihrer Attraktivität ausmache“. Werden die Widersprüche denn jemals anerkannt? Nichts da- die Weltbürger*innen leben die Heuchelei, aber geben sie nicht zu. Nun ist es bei satten Menschen der oberen Schichten nicht ungewöhnlich, daß diese irrational-emotionale Bedürfnisse entwickeln. Und gerade Bedürfnisse bedient die Grüne Partei perfekt – „nebulös“, wie Höhne sagt. Oder: „Bei den Grünen sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.“