Die fünfteilige Fernsehserie „Tschernobyl“; Eine Serie von SKY und HBO

Es ist ein Film, der zeigt, wie Menschen eine Katastrophe ausgelöst haben und dann damit umgegangen sind. War Tschernobyl das Schlimmste, was Menschen je angerichtet haben? Dazu zeigt der Film eine eindrucksvolle Szene. Eine alte Frau soll bei der Evakuierungsaktion ihr verstrahltes Anwesen verlassen, gerade, als sie ihre Kuh melkt. Sie sagt dem Soldaten, der sie nicht nur auffordert mitzukommen, sondern sie mit seiner Waffe bedroht: „Ich habe die Revolution überstanden, den anschließenden Bürgerkrieg, die Hungersnot nach der Zwangskollektivierung und die Kämpfe des 2. Weltkrieges. Wovor sollte ich noch Angst haben? Ich bleibe.“

Viele Leute, vorwiegend Alte, haben damals so entschieden. Es ist auch so: Alle die aufgeführten von Menschen absichtlich herbeigeführten Katastrophen waren schlimmer als Tschernobyl, selbst wenn man den übertriebensten Behauptungen glaubt.

Was im Film nicht gesagt wird: Wer sich der Evakuierung widersetzte, entschied meist richtig. In Weißrussland sollte niemand mehr als 40 Mikrosievert pro Stunde (µSv/h) ausgesetzt sein, wo höhere Werte gemessen wurden, holte man die Leute ab. 40 µSv/h ist zwar fast das Doppelte, was Astronauten u.a. in der Station „Mir“ aushalten mussten (27 µSv/h), aber das über Monate, während die Strahlung aus Tschernobyl schon nach 2 Wochen erheblich abgenommen hatte. Bewohnte Bereiche der Stadt Ramsar im Iran bekommen dauernd bis 28 µSv/h von Natur aus.

Ist nun aber Tschernobyl nur der schlimmste Unfall der Kerntechnik, oder die größte technische Katastrophe des 20. Jahrhunderts? Es war die größte Katastrophe der Technik überhaupt, liest man in einem Bericht der weißrussischen Regierung von 2016. Weißrussland hätte darunter am meister gelitten. Im selben Bericht wird aber auch geschrieben, die Zahl der Sterbefälle in Weißrussland pro 100.000 Personen und Jahr hätte keinen Anstieg gezeigt, nicht einmal unter den „Liquidatoren“. Das heißt, Opfer unter der nicht im Kraftwerk beschäftigten Bevölkerung gibt es nicht oder sie sind zu selten, um sich in der Sterbestatistik zu zeigen. Wie passt das zu der Aussage, es wäre die größte technische Katastrophe gewesen, mit „nur“ etwa 50 Toten?

Ich denke, das kann man schon sagen. Mehrere Zehntausend Menschen haben einige Jahrzehnte gearbeitet, um das größte Kraftwerkszentrum der Welt zu errichten, alles vergeblich. Eine Stadt mit 50.000 Einwohnern und dazu noch über 100 größere und kleine Orte wurden aufgegeben. Halb Europa wurde in Mitleidenschaft gezogen. Bei uns gilt: Niemand außerhalb des Geländes eines Kernkraftwerkes darf einer höheren Jahresdosis als 0,3 mSv ausgesetzt werden. Das ist wenig, 15 % der normalen Strahlenexposition im Flachland von 2 mSv. Unsere Kraftwerke haben diesen Grenzwert locker eingehalten, nicht einmal 0,1 mSv wurden jemals überschritten. Es hätte aber auch eine gewaltige Aufregung ausgelöst und wäre das Topthema in allen Medien gewesen, wären irgendwo ein paar Leute den 0,3 mSv nahegekommen oder sogar darüber hinaus.

Und da deckte das Unglück in einem Land, das gar nicht an Deutschland grenzt, uns von der Nordsee bis zu den Alpen mit radioaktiven Isotopen ein, was die meisten Menschen hier mit dem halben Grenzwert belastete, in großen Gebieten aber mit dem vollen Wert von 0,3 und hier und da auch mit mehr als 0,3 mSv/a.

Im Film konnten die Fachleute gar nicht begreifen, was passiert war, und hielten es für unmöglich. Uns an der „Asse“ ging es ebenso. Wir bestimmten die Aktivität von Regenwasser und konnten das Ergebnis nicht glauben. Das musste doch ein Messfehler sein!

Wir besorgten uns Daten, wie viel Aktivität in so einem Reaktor ist, und dividierten den Wert durch die Fläche von halb Europa. Das Ergebnis passte zu unseren Messwerten.

Die Beurteilung des Unglücks als größte technische Katastrophe ist schon berechtigt, und der Film darüber wirklich eindrucksvoll und sehenswert. Allerdings werden Strahlenwirkungen teilweise übertrieben dargestellt. Wer Strahlendosen über 7 Sievert abbekommt, stirbt nach qualvollem Leiden innerhalb von einigen Wochen. Ärzte können den Tod hinauszögern, aber nicht verhindern. Der Film zeigt da grässliche Bilder, aber so war es. Dass aber die Toten dann solche Strahlenquellen sind, dass man sie nicht anfassen darf, stimmt nicht.

Getötet wurden sie durch Gammastrahlen, die aber keine Radioaktivität im Körper erzeugen. Dazu kamen Neutronenstrahlen. Die sind tatsächlich in der Lage, aus normalen Atomen radioaktive zu machen. Wer aber wie ich einmal die Ausbeuten berechnet hat (nicht von Leichen), weiß, dass sehr wenig dabei herauskommt. Eine andere Möglichkeit ist, dass radioaktive Stoffe in die Körper der Leute eingedrungen sind. Trotz Schutzkleidung und teilweise Atemschutz mag das passiert sein, aber viel war es sicher nicht. Eine lebensgefährliche Strahlung aus den Körpern heraus ist nicht vorstellbar.

Im Film wird behauptet: Würde es zu einer Wasserstoffexplosion kommen, dann wäre das die eigentliche Katastrophe, auch die Stadt Kiew hätte aufgegeben werden müssen. Sicherlich nicht. In Fukushima hat es eine Wasserstoffexplosion gegeben. Dadurch wurde die Freisetzung erheblich erhöht, erreichte aber trotzdem bei weitem nicht den Grad von Tschernobyl. Eine Wasserstoffexplosion in Tschernobyl hätte zu einer erheblichen zusätzlichen Freisetzung von Radioaktivität geführt, so dass es gut war, dass man sie verhindern konnte. Aber mehr Radioaktivität als im Reaktor war, konnte nicht verstreut werden, und etwa ein Viertel war schon draußen.

In einem Film über Tschernobyl erwartet man, dass ein Anstieg der Krebsraten beobachtet wird. Wirklich? Im erwähnten Bericht der Weißrussischen Regierung wird das bestritten. Woher kommt überhaupt die Ansicht, mehr Krebs wäre zu erwarten?

Im Film wird einfach behauptet, es wäre so. Unabhängig vom Film möchte ich darlegen, woher diese Behauptungen kommen. Bei hohen Dosen, man hat das bei Hiroshima und Nagasaki beobachtet, gibt es wirklich einen Anstieg der Krebsraten. Aus den dortigen medizinischen Statistiken ließ sich ermitteln: Werden 100 Personen je einer Strahlendosis von einem Sievert (Sv) ausgesetzt, dann ist mit 5 zusätzlichen tödlichen Krebsfällen zu rechnen. Da es leider sowieso 25 Krebsfälle pro 100 Personen gibt, werden es also 30. Außerhalb des Reaktorgeländes von Tschernobyl hat niemand 1 Sv abbekommen. Aber für solche Fälle hat man die Kollektivdosis erfunden. Die 100 Leute, je 1 Sv, haben zusammen 100 Sv. Es gibt also pro 100 Sv 5 Tote. Die gesamte betroffene Bevölkerung um Tschernobyl hat zusammen etwa 80.000 Sv abbekommen. Für jeden waren es im Durchschnitt 16 mSv, also 5.000.000 x 0,016 = 80.000. 16 mSv sind nicht viel gegenüber der natürlichen Umgebungsstrahlung. Die bringt uns in 80 Jahren 2 x 80 = 160 mSv. Also bringen 16 mSv vermutlich keinen um, aber nun kommt die Kollektivdosis. Pro 100 Sv gibt es 5 Tote, also rechnet man: (80.000: 100) x 5 = 4.000 Tote.

Machen wir die Rechnung einmal für Schnaps. Jemand trinkt 2 l und stirbt an Alkoholvergiftung. Oder die Flasche wird an 100 Personen verteilt, jeder bekommt ein Schnäpschen von 20 ml. Aber zusammen sind es wieder 2 l, also muss genau einer von 100 sterben? Absurd? Aber so werden die Tschernobyl-Toten berechnet. 4.000 sind „Grünen“ jedoch zu wenig. Das lässt sich ändern. Der Ausgangswert von 5 zu 100 wird erhöht, die Kollektivdosis auch, so kommt man zu passenden Zahlen. Hat das aber etwas mit der Wirklichkeit zu tun?

 

Trotz dieser Übertreibungen: Der Film wird Anti-Atom-Aktivisten keine Freude machen. Das Fazit ist keineswegs: Diese Technik ist zu gefährlich, legt alle Kernkraftwerke still! In der fünften und letzten Folge wird die juristische Aufarbeitung gezeigt. Nur nebenbei wird erwähnt, dass auch die Konstrukteure eine Mitschuld trifft. Die Steuerstäbe hätten besser sein können.

 

Es geht um das Verhalten der Menschen. Vorgesetzte waren uneinsichtig, teilweise aber auch hilfreich, Untergebene waren zu gehorsam, Unangenehmes wurde unterdrückt. Aber Einige riskierten alles, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Nicht die Technik an sich, sondern das Verhalten der Menschen hat das Unglück herbeigeführt, durch Nachlässigkeit, Machtstreben und viele Lügen.

 

Das wird ganz allgemein gesagt: Die Wahrheit zu unterdrücken, kann immer nur schlimme Folgen haben.

 

Hannover, den 17.09.2019