Was treibt die solaren Zyklen? Deutsche Wissenschaftler glauben, die Antwort gefunden zu haben.
Eine der großen Fragen der Sonnenphysik lautet, warum die Solaraktivität einen regelmäßigen Zyklus von 11 Jahren durchläuft. Forscher vom Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf (HZDR), einem unabhängigen deutschen Forschungsinstitut, präsentieren jetzt neue Ergebnisse, welche belegen, dass die Gezeitenkräfte von Venus, Erde und Jupiter das solare Magnetfeld beeinflussen und damit den solaren Zyklus steuern. Das Forscherteam veröffentlicht seine Ergebnisse im Journal Solar Physics hier.
Im Prinzip ist es nicht ungewöhnlich für die magnetische Aktivität eines Sterns wie die Sonne, zyklische Oszillationen zu durchlaufen. Und doch waren Modelle der Vergangenheit nicht in der Lage, den sehr regelmäßigen Zyklus der Sonne nachzubilden. Das HZDR-Forschungsteam war jetzt aber erfolgreich hinsichtlich des Nachweises, dass die planetarischen Gezeitenkräfte wie ein Uhrwerk von außen auf die Sonne einwirken und dass sie als ein maßgeblicher Faktor hinter dem stetigen Rhythmus stehen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, verglichen die Wissenschaftler systematisch historische Beobachtungen der Sonnenaktivität über die letzten 1000 Jahre mit planetarischen Konstellationen, womit sie statistisch beweisen konnten, dass die beiden Phänomene miteinander verbunden sind. „Wir sehen ein erstaunlich hohes Maß der Übereinstimmung: was wir sehen, läuft vollständig parallel mit den Planeten über den Verlauf von 90 Zyklen“, begeisterte sich Frank Stefani, der Leitautor der Studie. „Alles deutet auf einen Prozess wie ein Uhrwerk“.
Genau wie die Gravitationskräfte des Mondes die Gezeiten auf der Erde verursachen, sind die Planeten in der Lage, das heiße Plasma an der Sonnenoberfläche zu beeinflussen. Die Gezeitenkräfte sind am stärksten, wenn Venus, Erde und Jupiter in einer Reihe stehen – eine Konstellation, zu der es alle 11,07 Jahre kommt. Aber der Effekt ist zu schwach, um auch die Flüsse im Inneren der Sonne zu beeinflussen, weshalb die zeitweilige Koinzidenz lange in Abrede gestellt worden war. Allerdings fanden die Forscher am HZDR dann Beweise für einen potentiellen indirekten Prozess, welcher in der Lage sein könnte, das Magnetfeld der Sonne über Gezeitenkräfte zu beeinflussen: Oszillationen in der Tayler-Instabilität, einem physikalischen Effekt, der bei einer bestimmten Strömung das Verhalten einer leitfähigen Flüssigkeit oder eines Plasmas verändern kann. Aufbauend auf diesem Konzept entwickelten die Forscher ihr erstes Modell im Jahre 2016. Seitdem haben sie ihr Modell immer weiter verbessert, um in ihrer neuen Studie ein realistischeres Szenario zeigen zu können.
Kleine Ursache, große Wirkung: Gezeiten nutzen Instabilität
Im heißen Plasma der Sonne durchdringt die Tayler-Instabilität den Fluss und das magnetische Feld, wobei sie selbst sehr empfindlich auf geringe Kräfte reagiert. Ein kleiner Energiestoß reicht dafür aus, dass die Störungen zwischen linksdrehender und rechtsdrehender Helicity oszillieren (die Projektion des Drehmoments [spin] in die Richtung des Impulses [momentum]). Das hierfür erforderliche Momentum könnte alle 11 Jahre induziert werden durch planetarische Gezeitenkräfte – womit ultimativ auch der Rhythmus festgelegt wird, bei welchem das magnetische Feld der Sonne seine Polarität umkehrt.
„Als mir zum ersten Mal der Gedanke einer Verbindung zwischen dem solaren Dynamo und den Planeten begegnete, war ich sehr skeptisch“, erinnert sich Stefani. „Aber nachdem wir die von Strömungen getriebene Tayler-Instabilität entdeckt hatten, welche Helicity-Oszillationen in unseren Modellen durchlief, fragte ich mich: Was würde geschehen, falls das Plasma einer Beeinflussung durch eine geringe Störung nach Art von Gezeiten ausgesetzt wird? Das Ergebnis war phänomenal. Die Oszillation war wirklich begeisternd und wurde synchronisiert mit dem Timing der externen Störungen“.
Solarer Dynamo mit einem hinzugefügten Touch
Beim Standard-Szenario eines Dynamos erzeugen die Rotation der Sonne und die komplexe Bewegung des solaren Plasmas ein sich zyklisch änderndes magnetisches Feld. Zwei Effekte stehen hier miteinander in Wechselwirkung: Das Plasma rotiert am Sonnenäquator schneller als an den solaren Polen. Dies führt zu einem Omega-Effekt: die im Plasma eingefrorenen magnetischen Feldlinien erstrecken sich rund um die Sonne und konvertieren das magnetische Feld in ein Feld, das fast parallel zum Sonnenäquator verläuft. Der Alpha-Effekt beschreibt einen Prozess, welcher magnetische Feldlinien verdreht, was das magnetische Feld zurück in einen Nord-Süd-Verlauf zwingt.
Was genau den Alpha-Effekt verursacht ist jedoch umstritten. Stefanis Modell zeigt, dass teilweise die Tayler-Instabilität dafür verantwortlich ist. Die Forscher betrachten das plausibelste Szenario als eines mit einem klassischen solaren Dynamo, kombiniert mit den Modulationen ausgelöst durch die Planeten. „Dann wäre die Sonne ein vollkommen normaler, älterer Stern, dessen Dynamo-Zyklus jedoch durch die Gezeiten synchronisiert wird“, fasst Stefani zusammen. „Das Gute an unserem Modell ist, dass wir jetzt leicht Effekte erklären können, die zuvor schwierig zu modellieren waren, wie etwa ,falsche‘ Helizitäten, wie sie bei Sonnenflecken beobachtet werden, oder wie die Doppel-Spitze des solaren Aktivitäts-Verlaufes“.
Neben der Beeinflussung des 11-Jahre-Zyklus‘ können planetarische Gezeitenkräfte auch andere Auswirkungen auf die Sonne haben. Zum Beispiel kann man sich vorstellen, dass die Schichtung des Plasmas im Übergangsbereich zwischen der inneren radiativen Zone und der äußeren Konvektionszone der Sonne (die Tachocline) auf eine Weise beeinflusst wird, dass der magnetische Fluss einfacher vor sich gehen kann. Unter diesen Bedingungen könnte sich auch die Magnitude der Aktivitäts-Zyklen verändern, was einst zum Maunder-Minimum der Fall war, als es eine starke Abnahme der Sonnenaktivität über einen längeren Zeitraum gab“.
Langfristig würde ein präziseres Modell des solaren Dynamos den Wissenschaftler helfen, Klima-relevante Prozesse leichter zu quantifizieren, wie etwa die Vorhersage des ,Weltraum-Wetters‘ verbessern und vielleicht sogar eines Tages auch Klima-Prognosen verbessern. Die neuen Modellrechnungen bedeuten außerdem, dass neben den Gezeitenkräften potentiell auch andere, bislang bestrittene Prozesse in die solare Dynamo-Theorie Eingang finden müssen – Prozesse mit geringen Kräften, welche aber dennoch – wie die Forscher jetzt wissen – einen wesentlichen Einfluss haben können. Um sich dieser fundamentalen Frage zu nähern, konstruieren die Forscher gegenwärtig ein neues Flüssigmetall-Experiment am HZDR.
Zu diesem Beitrag fand ich gleich an erster Stelle einen bemerkenswerten Kommentar, den ich dieser Übersetzung noch beifügen möchte:
Ein(e) Penelope schreibt:
Was für eine gewaltige Hypothese! Weil also Erde, Venus und Jupiter alle 11 Jahre auf einer Linie stehen, kann dies ursächlich für den Sonnenzyklus sein. Überwältigend.
Aber da Gezeitenkräfte abhängig sind von Gravitation und die Gravitation der Sonne so viel größer ist – wäre es nicht dann eher ein WECHSELSPIEL der Gezeitenkraft der Sonne mit derjenigen der anderen Körper?
Ich meine, sicher können wir nicht von [einer Wirkung der] Planeten auf die Sonne sprechen ohne über die Gezeitenwirkung der Sonne auf die Planeten zu sprechen. Das heißt, es ist ein Gesamteffekt, oder?
Aber dann bin ich vielleicht pingelig.
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Übersetzt von Chris Frey EIKE