Mal wieder unbemerkt von den Mainstream-Medien: Swissgrid, 20. Mai 2019: „Alarmstufe rot“
Was geht`s uns an, wenn die Schweizer ein Problem haben, die sind ja nicht mal in der EU. Halt ein Thema für die Ricola-Fraktion, mag der deutsche Michel denken, im Land, in dem er gut und gerne lebt und der die Verdrängung ungelöster Fragen verinnerlicht hat. Nun haben die Deutschen den Schweizern ein Problem verursacht, ohne akut etwas falsch gemacht zu haben.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit rief der Schweizer Netzbetreiber Swissgrid am 20. Mai um 8 Uhr eine „Netzsicherheitsverletzung“ aus, „Alarmstufe rot“, die höchste Warnstufe und letzte Maßnahme vor Lastabwürfen oder umgangssprachlich – Abschaltungen. Diese wären nötig geworden, um einen flächendeckenden Blackout zu verhindern.
Swissgrid
Als Ursache gibt Swissgrid große Differenzen zwischen Änderungen im Stromhandel und den Netzprognosen an. Daraufhin flossen 4,5 Gigawatt Richtung Deutschland (mehr als ein Drittel der gesamten Schweizer Stromproduktion) und drohten, die Leitungen zu überlasten. Stark steigende Großhandelspreise waren zwischen 6 und 9 Uhr 30 zu verzeichnen. In der Schweiz stiegen sie von 36,50 auf 60 Euro pro Megawattstunde, in Deutschland von 30 auf 79. Der deutsche Import ergab sich aus dem Preisunterschied und der Notwendigkeit der Netzstabilität, was wiederum von einer Arbeitsverweigerung der deutschen „Erneuerbaren“ herrührte. Um 8 Uhr lieferten Wind und Sonne ganze 10,1 Gigawatt (bei einer installierten Leistung von 106,5 Gigawatt), um 11 Uhr dann 16 Gigawatt (Daten von Fraunhofer ISE). Das große deutsche Pumpspeicherwerk in Goldisthal war an diesem Tag nicht verfügbar.
Die „n-1“-Sicherheit des Schweizer Netzes war gefährdet. Dieses Sicherheitskriterium besagt, dass die Stromflüsse auch bei Ausfall einer Leitung oder eines Transformators über andere Leitungen vollständig möglich sein müssen. Kritische Situationen im europäischen Netz nehmen zu, weil Stromhandel und Netzprognosen voneinander in der Vorschau abweichen können und die Komplexität wie auch die Anzahl der Marktteilnehmer zunimmt. Unsichere Windprognosen tragen das ihre bei. Das Fehlen von „eingeplantem“ regenerativen Strom stellt inzwischen eine Situation dar, die das System überfordern kann. Erschwerend kommt hinzu, dass der Schweiz aufgrund eines fehlenden Stromabkommens nicht alle Informationen aus dem grenzüberschreitenden Stromhandel zugänglich sind.
Der Mangel an Backup-Kraftwerken, der mit Fortschreiten des deutschen Sonderwegs zunehmen wird, lässt erste Risiken praktisch erkennen. Bereits am 14. Dezember 2018 und am 10. Januar 2019 gab es kritische Situationen im europäischen Netz, die noch nicht bis ins Detail aufgeklärt sind.
Energietage Berlin ohne Swissgrid
An jenem 20. Mai war gegen 11 Uhr die Gefahrenlage vorbei. In Berlin fand zeitgleich der erste der drei „Energietage“ statt. Referate gab es unter anderem zu folgenden Themen: „Wenn nicht jetzt – wann dann? Die Vision 2050 für den Klimaschutz“, „Klimaschutz braucht Vielfalt“, „Klimaschutz in Bürger*innenhand“, „Generation Klimaschutz“.
In vier Vorträgen ging es auch um Netze: Zweimal um Fernwärmenetze, desweiteren „Elektromobilität und Stromnetze“ und „Effizienz-Netzwerke“. Und außerdem: „Erfolgreiches Networking unter Frauen oder Konkurrenz am Arbeitsplatz?“,
Zum Stichwort „Versorgungssicherheit“ bringt die Suchmaske der Veranstaltungs-Homepage keine Ergebnisse.
Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber Entso-E verlautbarte unterdessen, dass die Kapazitäten in Europa ausreichen, die Stromnachfrage im kommenden Sommer decken zu können. Anders als 2018 seien die Pegel der Flüsse und Stauseen in den Alpen gut. Dies bestärken Meldungen über Rekord-Schneehöhen auf der Zugspitze. Währenddessen hüpfen in deutschen Großstädten Kinder mit grenzdebilen Plakaten: „Oma, was ist ein Schneemann?“ Zur Versorgungslage im kommenden Winter äußerte sich Entso-E noch nicht.
Es bleibt spannungsreich in Netz – hoffentlich. Eines ist sicher: Die Schweiz könnte sich problemlos selbst versorgen. Wir können es in absehbarer Zeit nicht mehr. Der Tell produziert flexibel, kostengünstig und emissionsarm. Der deutsche Gessler nicht.
Siehe auch
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