Hin und wieder bleibt subalternes Personal selbst in mehreren Anläufen bei einer Problemlösung erfolglos. Der Boss oder die Chefin nahmen die Sache selbst in die Hand. Dann geht in der Regel ein Aufatmen durch die Belegschaft. Hoffnung entsteht, dass jetzt endlich die Sache geklärt wird.

Die Ankündigung der Kanzlerin zu Jahresbeginn, sich der Frage des Kohleausstiegs, also einer wichtigen, aber dennoch nur einer Teilfrage der Energiewende, persönlich anzunehmen, dürfte hingegen wenig Begeisterung ausgelöst haben. Es steht die Frage im Raum, ob sich die Reihe ihrer politischen Fehler vergangener Jahre nahtlos fortsetzt. Zudem ist sie, obwohl auf dem Gebiet der Physik qualifiziert und promoviert, keineswegs in Energiefragen spezifisch kompetent. Sie bleibt auf die Zuarbeit von Leuten angewiesen, die jeweils nur Teilgebiete der Energiewende überblicken und in einigen Fällen lobbybeeinflusst sind. Diese sitzen auch in der „Strukturkommission“, die, wie zu erwarten war, medial nur als „Kohlekommission“ gehandelt wird mit der regelmäßigen Ergänzung, es gehe um einen Ausstiegstermin.

Als eine von vier Vorsitzenden sitzt dort die Nachhaltigkeits-, Umwelt-, Energie- und Klimaökonomin Professorin Praetorius. Sie ist die einzige für ihren Vorsitz in der Strukturwandelkommission bezahlte Person. Das Geld kommt vom Umweltministerium, ihr Auftrag auch.

Direkter Erfüllungsgehilfe der Kanzlerin ist ein weiterer Vorsitzender, Ronald Pofalla, Ex-Politiker, Kanzlerin-Getreuer, Sozialwissenschaftler und Jurist, der jetzt in einem zunehmend erfolglosen Staatskonzern Vorstand spielt. Seit Mitte der 90er Jahre legte die Bahn 5.400 Gleiskilometer und über 200 Bahnhöfe still und kehrt den Grundsatz „Von der Straße auf die Schiene“ konsequent um. Kein Wunder, dass es Pofalla nicht gelingt, Zusagen zur Infrastruktur zu machen. Die Bahn-Milliarden fließen vor allem in den Stuttgarter Untergrund. Eine für die gescheiterte Verkehrswende zuständige Person soll der Stromwende zum Erfolg verhelfen. Hoffnung sieht anders aus.

Was wird die Kanzlerin tun? Im Vorfeld des „Kohlegipfel“ genannten Treffs am 15. Januar hing Regierungssprecher Seibert die Erwartungen schon mal tiefer, indem er von einem Gespräch zu Information und Gedankenaustausch sprach.
Es gab auch wenig Anlass zur Vermutung, dass die Kanzlerin ihren Stil ändert. Im weiteren Verlauf ihrer „verlöschenden Kanzlerschaft“ (Hans-Ulrich Jörges) laviert sie ohne feste Meinung weiter und versucht, offene Probleme mit Geld zu lösen. Neun Minuten nordkoreanisch anmutender Parteitagsbeifall in Hamburg können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein Beifall zum Abschied war. Sie ist von mehr als nur dem Parteivorsitz zurückgetreten. Für den Rest des Weges ist sie eine erschöpfte Marathonläuferin, die dem Ziel mit abnehmender Leistung entgegengeht. Der nächste Beifall wird weniger die Leistung honorieren, sondern zu erheblichen Teilen dem Mitgefühl entspringen.

Am Ende des „Spitzengesprächs“ steht nun nicht einmal ein merkeltypisch halbgarer Kompromiss, es wurde „Stillschweigen“ vereinbart. Vertrauensbildung sieht anders aus, schließlich geht es nicht um Persönlichkeitsschutz, Tarifverhandlungen oder Staatsgeheimnisse. Teilnehmer äußern sich positiv zum Spitzengespräch. Das einzige konkret benannte Ergebnis neben der üblichen Politrhetorik und den Allgemeinplätzen ist die Zusage des Finanzministers, Geld zu geben. Die Lausitz zum Beispiel solle „EU-Modellregion für Klimaschutz und nachhaltiges Wachstum“ werden. Konkreter ging es offenbar nicht. Konkret sind und werden nur die Abschalttermine. Die Ministerpräsidenten wären gut beraten, sich auf wolkige Versprechen einer gealterten Bundesregierung mit Verfallsdatum nicht einzulassen.

Nun liegt der Ball wieder im Feld der Strukturkommission. Dort gab es ein Patt, das die Spitzenrunde erst nötig gemacht hatte. Unabhängig davon, was die Kommission am 25. Januar verkünden wird, Frau Merkel muss und wird allen gerecht werden wollen. Sie muss die Länderchefs ruhig stellen. Sie muss den Grünen, den im Geiste treuesten Unterstützern – die besonders Treuen beten für sie – ein Opfertier hinwerfen und gleichzeitig das Landvolk beruhigen, ihm eine schöne sichere Zukunft versprechen, ohne den im Raum stehenden politischen Elefanten mit Namen AfD zu erwähnen. Sie muss die in dieser Frage völlig zerrissene SPD irgendwie auf Linie bringen, damit diese auf Bundesebene weiterhin ihre Basis ignoriert.

Die Frage, wer die wegfallenenden Atom- und Kohlekapazitäten ersetzen wird, liegt im Nebel von Diskussionen über Wunschvorstellungen und Szenarien, die allesamt nicht mit Projekten und Plänen, geschweige denn Terminen untersetzt sind. Neu beschlossene Ausbaukorridore können beliebig breit sein, zufällig zur Verfügung stehender Strom kann keinen Beitrag zur Versorgung leisten.

Konkrete Ideen zur Versorgungssicherung und zum Strukturwandel wird die Kanzlerin auch künftig nicht haben. Die Vorschläge ihrer Subalternen sind vage und setzen – wie die Energiepolitik insgesamt – nicht mehr auf Markt, sondern auf den Staat und Subventionen. Auf die Idee, die vom Strukturwandel betroffenen Gebiete für privates Geld von Investoren interessant zu machen, kommt offenbar keiner. Neue Schienen und Straßen sind gut, man kann auf ihnen aber auch schneller an der Region vorbeifahren. Zum Beispiel nach Polen, wo in den grenznahen Wojewodschaften Sonderwirtschaftszonen mit attraktiv niedrigen oder Nullsteuern locken.

In der Nach-Merkel-Zeit werden dann die Karten durch den Druck der Realitäten neu gemischt und alle Misserfolge der scheiternden Energiewende werden auf sie verbucht werden.

Welche Ergebnisse der Chefin-Runde auch sonst hätten entspringen können, ist am Ende nicht entscheidend. Der Hambacher Forst zeigt, wie wertlos politische Entscheidungen und verbriefte Genehmigungen sein können, wenn es Klimarettern, NGO`s und selbst vertragsbeteiligten Grünen nicht (mehr) gefällt. Dann zwingt grüner Mob den Staat unabhängig aller Beschlüsse in die Knie.

Es wird ein neuer Kanzler oder eine neue Kanzlerin kommen. Beim Einzug findet sich dann in der unteren linken Schreibtischschublade der Bericht der Ethikkommissionzum Atomausstieg 2011 mit dem Absatz:

„Moderne, hocheffiziente Kohlekraftwerke bieten einen deutlichen Effizienzgewinn gegenüber solchen alten Kraftwerken, die immer noch mit gerade ca. 30 Prozent Wirkungsgrad am Netz sind. Ihr Ersatz ist eine klimapolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit.“

Wer nicht weiter weiß, gründet eine Kommission. Dies festzulegen, ist Chefsache.

Der Beitrag erschien zuerst bei TICHYS Einblick hier