Aus der Synoptik: Warum stellt eigentlich niemand die richtigen Fragen?
In mehreren Beiträgen haben Kowatsch & Kämpfe (grundlegend hier) belegt, wie sehr das Temperaturniveau von bestimmten Wetterlagen-Typen abhängig ist. Eine stramme winterliche Südwestlage bringt mit Sicherheit auch während kältester Eiszeit-Zeiten mildes oder sehr mildes Winterwetter. Umgekehrt dürfte ein kontinentales Hochdruckgebiet mit einer östlichen Strömung auch zu wärmsten Warmzeiten immer kaltes Frostwetter zur Folge haben. Beide Extreme mögen in Warm-/Kaltzeiten ausgeprägter sein als in Kalt-/Warmzeiten, aber das ist nach Wissen des Autors noch nie untersucht worden.
Man könnte natürlich Statistiken über die Verhältnisse in den Ursprungsgebieten der zu uns strömenden Luftmassen errechnen, doch stößt das auf alle möglichen Probleme, die eine solche Untersuchung unmöglich machen, wie der Autor vor vielen Jahren bei einem solchen Versuch feststellen musste.
Aber ich schweife ab. Aus Obigem geht hervor, dass sich die Frage nach wärmer oder kälter (als was eigentlich?) anders stellt: Warum gibt es bei uns mehrere Jahre lang eine Häufung von Südwestlagen, während sich in anderen Perioden mehrere Jahre lang im Sommer Nordwest-, im Winter Nordostlagen häufen?
Überspitzt: Warum gab es in der „Kleinen Eiszeit“ so häufig Nordostlagen (nur diese advehieren die Kälte, die zum Zufrieren der Themse in London führt). Und warum gab es während der letzten Jahre so viele Südwestlagen, und zwar sommers wie winters?
Damit lässt sich jetzt die Frage nach Warm- oder Kaltzeiten anders und besser formulieren: Wovon ist es abhängig, dass verstärkt Südwestlagen bzw. Nord- oder Ostlagen auftreten? Hat die Anzahl von Südwestlagen während der letzten Jahre ein Maximum erreicht und dieses Maximum vielleicht überschritten?
Derzeit geistert durch die einschlägigen Wetter-Sites ja die Möglichkeit einer Aufspaltung des Polarwirbels, ein so genanntes „Major Warming“. Mehr dazu hier. Ein solcher Vorgang hat fast immer starke Wintereinbrüche bei uns zur Folge. Frage: Gibt es zu Eiszeiten viel häufiger und ausgeprägter solche Aufspaltungen (splittings) des Polarwirbels? Wenn ja, warum? Und warum gab es während der letzten Jahre kaum einmal eine solche? Im Februar 2018 war es kurzzeitig dazu gekommen. Wird es, wenngleich vielleicht auch nicht aktuell, in absehbarer Zukunft häufiger dazu kommen?
Wovon ist das abhängig? Vielleicht von der Sonnenaktivität? Und gibt es anhaltend kaltes Winterwetter auch bei einem ungestörten Polarwirbel?
Man sieht schon, „kälter“ oder „wärmer“ sind nur die Auswirkungen von Vorgängen, die kaum einmal zur Sprache kommen. Aber Synoptik war weiland schon bei meinen Kommilitonen sehr unbeliebt.
Und so schließt sich auch der Kreis zu der unsäglichen Behauptung eines Herrn Latif aus dem Jahr 2000, der am 1. April von sich gab: „Richtige Winter mit Frost und Schnee wie noch vor 20 Jahren wird es in unseren Breiten nicht mehr geben“. Quelle. Er meinte es ernst!
„Übersetzt“ mit dem oben Gesagten meinte er also: „Richtig kalte Nordost-Wetterlagen wird es bei uns nicht mehr geben“.
Nicht einmal Scharlatane würden das ausschließen. Und doch ist dieser Herr in allen einschlägigen Medien immer noch präsent!
Fazit: Wenn es einen Wechsel gibt zwischen häufigen und selteneren Südwestlagen im Winter – egal von was dieser Wechsel abhängig ist – so wird es nach dem Maximum der Südwestlagen der vergangenen Jahre auch wieder ein Minimum geben.
Aber ist nicht genau dieser Wechsel bei uns „normal“? Wäre es nicht drastisch ungewöhnlicher, wenn es bei unserem Wetter auf einmal überhaupt keine Extreme mehr gibt? Der Autor fände dies extrem! Sie auch?