Reduktion der CO2-Emissionen möglicherweise ohne Wirkung auf Klima der kommenden 20 Jahre
Fazit: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird wohl kein Unterschied zu bemerken sein, da die natürliche Klimavariabilität in diesen Zeitmaßstäben die Oberhand behält. Das Paper erschien in WIREs Climate Change und kann kostenfrei als PDF heruntergeladen werden:
Quantifizierung der nicht reduzierbaren Unsicherheit in Kurzfrist-Klimaprojektionen
Falls das Paris-Abkommen der COP21 sehr effektiv umgesetzt wird, mögen Treibhausgas-Emissionen nach dem Jahr 2020 sinken. Ob dies zu einer identifizierbaren kurzfristigen Reaktion führen wird in „ikonischen“ Klima-Quantitäten im wissenschaftlichen Sinne und öffentlichem Interesse bleibt unklar, weil die Klima-Reaktion verschleiert sein wird durch die quasi-zufällige interne Variabilität. Ich definiere die Klima-Reaktion als eine Zu- oder Abnahme eines linearen Klimatrends im Zeitraum 2021 bis 2035 im Vergleich mit dem Zeitraum 2006 bis 2020. Außerdem werde ich festlegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine solche Trendänderung auf eine vermutete Politik bzgl. Emissions-Reduktionen nach 2021 zurückzuführen ist. Ich quantifiziere die nicht reduzierbare Unsicherheit bei der Projektion einer solchen Trendänderung mittels sehr großer Ensembles (100 Mitglieder) des hoch modernen Klimamodells MPI‐ESM‐LR. Die Trends der globalen mittleren Temperatur (GMST) sind im Zeitraum 2021 bis 2035 höher als im Zeitraum 2006 bis 2020, und zwar in einem Drittel aller Fälle bei dem Abschwächungs-Szenario RCP2.6, interpretiert als Umsetzung des Paris-Abkommens, im Vergleich zu etwa der Hälfte der Fälle im Nicht-Abschwächungs-Szenario RCP4.5. Die Abschwächung reicht aus, um eine Trendabnahme der GMST zu bewirken mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,40, und ist hinreichend mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,33. Trendzunahmen der September-Eisbedeckung in der Arktis und der Atlantischen Overturning Zirkulation (AMOC) gehen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 auf Emissions-Reduktionen zurück. Im Gegensatz dazu sind Emissions-Reduktionen notwendig für eine Trendabnahme des Wärmegehaltes der oberen Ozeanschichten mit einer Wahrscheinlichkeit über 0,5. Einige ikonische Klima-Quantitäten mögen folglich im Jahre 2035 eine identifizierbare Reaktion eines erfolgreichen Paris-Abkommens zeigen, aber manchmal mit geringer Wahrscheinlichkeit und eine substantielle Kommunikations-Herausforderung darstellend.
In den Conclusions finden sich noch einige deutlichere Aussagen. Marotzke warnt, dass selbst schmerzhafte Anstrengungen zur CO2-Reduktion in den kommenden zwei Jahrzehnten kaum einen Einfluss auf das Klima haben könnten:
Mein Gedanken-Experiment zeigt, dass es entscheidend ist, realistische Erwartungen hinsichtlich der Effizienz von Klimapolitik im Kurzfrist-Zeitraum zu haben: Selbst falls Treibhausgas-Emissionen nach dem Jahr 2020 abzunehmen beginnen, ist die Wahrscheinlichkeit substantiell, dass die Reaktion ikonischer Klima-Quantitäten auf diese Abnahme nicht vor dem Jahr 2035 erkennbar werden.
Mit 90%-iger Wahrscheinlichkeit werden das arktische Meereis (SIA ) und der Golfstrom (AMOC) in den 2030ger Jahren nicht auf Änderungen in den CO2-Emissionen reagieren. Schon jetzt sieht Marotzke eine große Kommunikations-Herausforderung auf die Wissenschaftler zukommen, ähnlich wie bereits beim unerwarteten Hiatus der letzten Jahre.
Der Hauptfortschritt meiner Analyse liegt in der Fähigkeit, das Ausmaß der nicht reduzierbaren Unsicherheit zu quantifizieren darüber, ob die vermuteten Emissions-Reduktionen die gewünschte Klima-Reaktion hervorrufen in einem bestimmten Zeitmaßstab. Die Wahrscheinlichkeit dieser Reaktion hängt ab von der fraglichen Quantität, aber auch von der Art der Ursache: für den Zeithorizont bis 2035 liegt die Wahrscheinlichkeit hier in einer Bandbreite zwischen etwas unter 0,1, die sowohl notwendig als auch hinreichend ist für SIA und AMOC, und etwas über 0,5 als notwendig für den ozeanischen Wärmegehalt.
Die Diskussion dieser Wahrscheinlichkeiten ist nicht trivial, wird aber gefördert durch präzise Definitionen und Bedeutungen, die dieser zugrunde liegen (Hannart et al., 2016; Pearl, 2000). Die Kommunikations-Herausforderung (Deser et al., 2012) stützt außerdem die Vorstellung, dass der jüngste Stillstand keine Irritation für die wissenschaftliche Gemeinschaft darstellt (Lewandowsky, Risbey, & Oreskes, 2016) , sondern stattdessen eine Gelegenheit zu Diskussionen über die Rolle der internen Variabilität (Fyfe et al., 2016) bietet für ein Publikum, welches anderenfalls einer solchen Diskussion abgeneigt ist.
Die Klimawissenschaften steuern weiter in schwerem Fahrwasser. Die natürliche Variabilität bereitet ihnen riesige Probleme, da sie in den Modellen stark vernachlässigt wurde. Noch immer träumt Marotzke davon, dass die Natur nur Rauschen hervorbringt (“quasi‐random internal variability“). Es wird jedoch sicher der Tag kommen, an dem auch er die systematische Wirkung natürlicher Klimafaktoren wie Ozeanzyklen und solare Aktivitätsschwankungen anerkennen wird. Vielleicht sollte er anfangen sich für die Paläoklimatologie zu interessieren, die gerade auf der rechten Spur an ihm vorbeizieht…
Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog Die Kalte Sonne. Übersetzung der englischen Passagen von Chris Frey EIKE