Ostschweiz gegen Windenergie
Bild 1: Die Linthebene, vom Benkner Büchel aus gesehen. Rechts hinten Glarus Nord das Tor zum „Glarnerland“ (Foto: Kurt Zwahlen).
Die Nachricht kam für alle Beteiligten überraschend: Die Regierung des kleinen Schweizer Kantons Glarus strich eine seit 14 Jahren geplante Windenergiezone bei Bilten (politische Gemeinde Glarus Nord) in der Linthebene aus dem Richtplan. Wörtliche Begründung: Im Einzugsbereich von Siedlungsgebieten sollen keine neuen Windenergieanlagen erstellt werden. Windkraftanlagen verunmöglichen auf lange Sicht die Siedlungsentwicklung. Gemäss dem politischen Entwicklungsplan will Glarus Menschen aus anderen Regionen gewinnen und sorgt für eine intakte Landschaft und nachhaltig genutzte Erholungs- und Freizeitgebiete. Glarus Nord ist das Tor zum Glarnerland.
Fünf 200 Meter hohe Turbinen sollten mitten in dicht besiedeltem Gebiet gebaut werden, nur 300 Meter entfernt von Wohnbauten. Der Standort ist nicht einmal Windpotentialgebiet gemäss Windatlas des Schweizer Bundesamtes für Energie (BFE). LinthGegenwind, der „Verein zum Schutz der Linthebene vor Windkraftanlagen“, organisiert eine breite Gegnerschaft aus Anwohnern und Naturschützern und hatte bereits erreicht, dass im Juni 2019 ein Antrag auf 700 Meter Mindestabstand zur Abstimmung vor die Gemeindeversammlung kommt. Kürzlich wurde auch bekannt, dass der angrenzende Kanton Schwyz eine Untersuchung in Auftrag gegeben hat, welche die Errichtung von 14 weiteren Windturbinen im Schwyzer Teil der Linthebene empfiehlt.
Bild 2: 19 Windräder in der Linthebene? Diese Fotomontage von LinthGegenwind erweist sich als nicht übertrieben.
Eine Woche später folgte ein weiterer Paukenschlag. Die Regierung von Appenzell-Innerrhoden gab bekannt, dass für ein geplantes Windkraftwerk bei Oberegg keine Windzone festgelegt wird. Eine Windkraftanlage würde zu verschiedenen Konflikten in den Bereichen Siedlung und Umwelt führen. Das Hauptargument für den ablehnenden Entscheid bildet die Unverträglichkeit der Windkraftanlage mit dem Landschaftsbild, hiess es. Im Vernehmlassungsverfahren gab es 500 Einwendungen gegen die Windzone und nur 60 dafür. Gegen die Windräder waren unter anderem der Kanton Appenzell-Ausserrhoden (der Windkraftwerke auf eigenen Kantonsgebiet bis auf weiteres überhaupt ausschloss), der benachbarte Kanton St. Gallen, das österreichische Bundesland Vorarlberg und die Gemeindepräsidentenkonferenz Appenzell. Ein Landschaftsgutachten war zum klaren Schluss gekommen, dass das gesamte Kantonsgebiet von Appenzell aus Gründen des Landschaftsschutzes mit Windkraftwerken unvereinbar ist.
Auch andere Projekte in der Ostschweiz stossen auf Widerstand. Im Thurgau hat sich in den Gemeinden Braunau und Wuppenau ein starker Widerstand in der Gemeindebevölkerung formiert. Die Gemeindevertretung hat angekündigt, sich gegen alle Versuche des Kantons, eine Windenergiezone festzulegen, zur Wehr setzen zu wollen. Der Kanton Thurgau hatte 2017 aufgrund hunderter Vernehmlassungs-Eingaben sämtliche Windenergiezonen aus dem Richtplan entfernt und eine Neubeurteilung angekündigt. Diese hatte zur Folge, dass die Windenergiezonen massiv verkleinert und zwei Gebiete zur Gänze gestrichen wurden.
Im Kanton Schaffhausen soll eine Windindustriezone auf dem Chroobach errichtet werden. In der Vernehmlassung zum Richtplan gingen 1300 Einwendungen gegen das Projekt ein, viele auch aus dem benachbarten Deutschland. Die Gemeinde Hemishofen sprach sich 2016 in einer Konsultativabstimmung gegen den geplanten Windpark Chroobach aus. Weitere betroffene Gemeinden sind ebenfalls dagegen. Eine Volksinitiative verlangt eine Änderung der kantonalen Verfassung, nach der sowohl die Kantonsbürger als auch die Standortgemeinden über Windenergiezonen abstimmen können.
Der Kanton St. Gallen plant derzeit zwei Windenergiezonen, bei Krinau im Toggenburg und bei Sargans im Rheintal. Gegen beide Standorte im Richtplanentwurf gingen Einwendungen ein. Die Vorgaben des Bundes an den Kanton St. Gallen sind hoch: 130 – 400 Gigawattstunden Strom aus Windenergie sollen produziert werden, das entspricht 25 – 100 Grosswindkraftwerken. Dies sei „absolut utopisch„, sagt Kantonsplaner Ueli Strauss-Gallmann im St. Galler Tagblatt. Der Kanton hat sich selbst nur ein Ziel von 25 GWh festgelegt, bis 2020 sollen es 10 GWh sein. Gegen das Projekt auf dem idyllischen Älpli Krinau hat sich ein Verein organisiert. Die SVP der politischen Gemeinde Wattwil, zu der das Dorf Krinau gehört, hat gegen das Projekt Stellung bezogen. Im Rheintal in der Nähe von Sargans war schon 2017 ein Windkraftprojekt bei Balzers, Liechtenstein, geplant worden. Noch bevor das Projekt konkret wurde, liess der Gemeinderat die Bevölkerung darüber abstimmen. Mehr als 65% stimmten gegen die Windräder. Daraufhin wurde das Projekt eingestellt.
Das einzige Grosswindkraftwerk in der Ostschweiz steht in Haldenstein bei Chur und dient als Vorzeigeprojekt. Es produzierte 2017 bei einer Auslastung von bescheidenen 15.91% Strom im Marktwert von ca. 200.000 Schweizer Franken und erhielt dafür eine massiv subventionierte Vergütung von 880.000 Schweizer Franken (21.5 Rappen/kWh). Windkraftwerke in der Schweiz generieren dreimal mehr Subventionen als Strom (zu Marktpreisen). Nur deshalb können sie überhaupt betrieben werden.
Medien, Vertreter der Windindustrie und Politiker klagen über die Ausbauflaute bei Windenergie und den Rückschlag für die „Energiewende“. Reto Rigassi, Leiter des Branchenverbandes Suisse Eole, macht sich Sorgen über die gut organisierte Gegnerschaft. Suisse Eole erhielt Millionenzahlungen vom Bundesamt für Energie mit dem ausdrücklichen Auftrag, die Meinung der Bevölkerung zur Windenergie zu manipulieren und Volksabstimmungen zu beeinflussen. Der Verband „Freie Landschaft Schweiz“, die Dachorganisation der Windkraftgegner, hatte diesen Skandal aufgedeckt („Bund zahlt Millionen an Wind-Lobby“, SonntagsZeitung vom 7. Mai 2017). Folgende Organisationen wehren sich in der Ostschweiz gegen Windkraftprojekte: LinthGegenwind – Verein zum Schutz der Linthebene vor Windkraftanlagen (Glarus), Pro Landschaft AR/AI (Appenzell), Lebensqualität Braunau/Wuppenau (Thurgau), ÄlpliGegenwind (Toggenburg, St. Gallen), IG Gegenwind Chroobach (Schaffhausen) und die IG Sezner-UmSu-Grenerberg (Surselva, Graubünden).
Die Windkraftbefürworter setzen nun alle Hebel in Bewegung, um die Entscheidungen der Kantonsregierungen Appenzell und Glarus wieder rückgängig zu machen. Die Sozialdemokratische Partei Appenzell-Innerrhoden hat angekündigt, im Kantonsparlament einen Vorstoss für den Windpark zu lancieren. In Glarus ist die Grün-Liberale Partei dabei, eine überparteiliche Allianz aufzustellen, um die Entscheidung der Regierung im Kantonsparlament zu Fall zu bringen. Unterstützung findet sie ausgerechnet beim Gemeindepräsidenten der betroffenen Gemeinde Glarus Nord, Thomas Kistler (SP). Und die Präsidentin der Grünen, Prisca Müller, forderte im Schweizer Fernsehen: Wenn schon muss man Windräder dort bauen, wo die Infrastruktur da ist, wo sie gebraucht werden, und das ist in der Schweiz in der Nähe von Siedlungen. (SRF Schweiz aktuell, 6. November 2018). Es ist schwer zu sagen, was an dieser Aussage übler ist, die technische Ignoranz – Strom wird ja nicht schlecht durch Transport wie z. B. Gemüse und die Leitungsverluste für wenige Kilometer sind vernachlässigbar – oder die daraus hervorgehende Menschenverachtung.
In der Schweiz gibt es heute 37 Windkraftanlagen, die 0.2% [sic!] des verbrauchten Stromes produzieren. Bis 2050 sollen vier Terawattstunden produziert werden, das entspricht 6.8% des Stromverbrauchs oder 1.7% des gesamten Energieverbrauches (Vergleich mit Verbrauchswerten von 2017). Dafür müssten 800 – 1000 Windkraftanlagen gebaut werden. Der Ausbau der Windenergie hinkt der Planung jedoch weit hinterher. In den letzten beiden Jahren ist kein einziges neues Windkraftwerk gebaut worden. Es wird immer offensichtlicher, dass die Ausbaupläne für die Windenergie reines politisches Wunschdenken sind. Das Ziel ist völlig unrealistisch, was mittlerweile auch von Vertretern der Energiebranche offen zugegeben wird. Die Schweiz eignet sich nicht für Windkraft. Sie ist zu kleinräumig und zu dicht besiedelt. Windkraftprojekte gehen auf Kosten des Landschaftsschutzes, der Natur sowie der Lebensqualität und Gesundheit der Bevölkerung.
Quellen:
Regierung verbietet Windräder in Bilten – Linthwind vor Aus. Südostschweiz, 6. November 2018
Gegenwind war zu stark: Doch kein Windpark in Oberegg. Die Ostschweiz, 12. November 2018
Wie Kantonsregierungen die Windenergie ausbremsen. Tagesanzeiger, 13. November 2018
Turbulenzen bei der Windkraft. Neue Züricher Zeitung (NZZ), 15. November 2018
Bund zahlt Millionen an Wind-Lobby. SonntagsZeitung, 7. Mai 2017
LinthGegenwind – Verein zum Schutz der Linthebene vor Windkraftanlagen
Lebensqualität Braunau/Wuppenau
Anmerkungen der EIKE – Redaktion
A. Der Autor dieses Beitrages publiziert unter einem Pseudonym, um seine berufliche Existenz nicht zu gefährden.
B. Wir sind bisher davon ausgegangen, dass in der Schweiz immer noch rechnen, sachliches argumentieren und handeln den Vorrang vor „windiger“ Ideologie haben. Wir haben uns leider getäuscht. Eigentlich sprechen die Zahlen für sich. Mit irrsinnigem Aufwand und entsprechend extremen Kosten vergleichsweise winzige Mengen Strom zu erzeugen, können nur Verrückte oder Ideologen planen, also Grüne. Als es Alexander Gauland (AfD) wagte, in einer Bundeststagsdebatte eine korrekte(!) Zahl zu nennen, nämlich den Beitrag von grob 2% Deutschlands zu den globalen CO2-Emissionen, wurde er von den Grünen mit dem Zwischenruf „Fake-News“ beschimpft. Und solch eine Partei von sachlich völlig Unkundigen kommt inzwischen auf 20%! Welch tiefer Bildungsstand unserer Nation ist daran ablesbar! Was es mit „Erneuerbaren“ auf sich hat, ist hier zu lesen.
C. EIKE ist entsetzt und erschrocken darüber, dass es die bislang mehrheitlich rational/sachlich agierende Schweizer Zentralregierung nunmehr unternimmt, die von der diktatorisch-grünen UN gezündelte Aktion „Klimaschutz/Erneuerbare“ an der eigenen Bevölkerung auszuprobieren. Hier ist die in allen Staaten ablesbare Problematik sichtbar, dass die Entfernung von Realität, Volkswillen und Demokratie proportional zur politischen Bedeutung der Amtsträger ist! Schließlich ist es doch das unübersehbare Ziel der UN-EU-Soros-NGO-Greenpeace-Deutsche Umwelthilfe-usw.usw… Aktion, industrialisierte Länder zu schwächen oder möglichst gleich ganz zu zerstören. Wie blind, verbohrt oder gar korrupt muss eine politische Klasse eigentlich sein, um dies nicht zu erkennen? In der Schweiz wird der Aktion freilich kein Erfolg beschieden sein. Das Schweizer Volk ist schon mit ganz anderen äußeren Feinden fertig geworden. Man denke nur an die Vernichtung der Heere Karls des Kühnen (Herzog von Burgund) bei Grandson, Murten und schließlich Nancy. Fast jedes Schweizer Schulkind weiß aus dem Geschichtsunterricht auswendig, was Karl der Kühne bei seinen Versuchen verlor, die Schweizer zu unterwerfen: „Bei Grandson das Gut, bei Murten den Mut und bei Nancy das Blut„. Auch die Bemühungen der Habsburger, mit angeworbenen Söldnern die stolzen und wehrhaften Schweizer Bauern niederzuzwingen, waren erfolglos. Wir drücken den Eidgenossen die Daumen, dass sie auch diesmal obsiegen – mit etwas friedlicheren Mitteln als früher.
Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke, EIKE-Pressesprecher