Der Rhetorik fällt in der öffentlichen Klimadebatte eine wichtige Rolle zu. Forschungszentren wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), AWI und Geomar beschäftigen Kommunikationsspezialisten, um ihre Ergebnisse möglichst wirksam in den Medien zu platzieren. Im Folgenden wollen wir eine Pressemitteilung des PIK vom 6. August 2018 sprachlich analysieren. Mit welchen rhetorischen Mitteln arbeiten die Postdamer? Lernen von den Experten.

Wir haben den Originaltext der Pressemitteilung in die linke Spalte der untenstehenden Tabelle kopiert. Die Farbkodierung markiert drei wichtige rhetorische Mittel:

1) Konjunktiv: Durch die Verwendung des Konjunktivs und Erwähnung von Unsicherheiten können auch drastische Klimawandelfolgen behauptet werden, die aus wissenschaftlicher Sicht jedoch noch gar nicht gesichert sind. Beispiel: “Morgen könnte die Welt untergehen.” Das kann durchaus passieren, auch wenn es nicht wahrscheinlich ist.

2) Schlagworte und Phrasen (“Buzzwords”): Drastisch gewählte Formulierungen, dramatisierend, überhöhend, bedeutungsschwanger, Wortspiele, Urängste schürend.

3) Politische Forderungen: Aus den wissenschaftlichen Ergebnissen werden politische Forderungen konstruiert, Schuldige benannt, Druck ausgeübt. In vielen Fällen werden hier Grenzen überschritten, bei der Forscher sich die Rolle der Politiker und Entscheider anmaßen.

 

Linke Spalte: Original PIK-Pressetext. Rechte Spalte: Textanalyse.

Auf dem Weg in die “Heißzeit“? Planet könnte kritische Schwelle überschreiten Textanalyse: Gleich im Titel greifen die PIK-Schreiber auf altbewährte Werkzeuge der Bibel zurück. Das clever gewählte Wort “Heißzeit” ist eingänig und wohlklingend, da sich die beiden ei-ei-Silben schön reimen. Hiermit wird ganz offensichtlich auf die Hölle angespielt, in die alle Sünder kommen, die sich nicht an die göttlichen (PIK-) Vorgaben halten. Da es sich um Religion handelt, sind die Regeln nicht verhandelbar, müssen als gegeben akzeptiert werden. Im zweiten Teil der Überschrift wird das Wort “Planet” verwendet. Es geht nicht um Deutschland, nicht um Europa, es geht schlicht um alles. Früher benutzte  man den Begriff “Weltuntergang”, der aber durch die vielen ausgebliebenen Untergänge mittlerweile eher belächelt wird. Also heißt es heute “Planet, der die kritische Schwelle überschreitet”.
Das PIK gefällt sich in der Rolle als Schürer der Klimaangst. Da man sich jedoch vollständig darüber bewusst ist, dass alle Warnungen auf Basis unsicherer Modelle beruhen, baute man zur Sicherheit noch einen Konjunktiv ein (jeweils grün markiert): Die Welt KÖNNTE untergehen, muss aber nicht. So wahrt man bei allem Alarmismus den wissenschaftlichen Schein.
Die globale Erwärmung auf lange Sicht bei 1,5°C bis 2°C zu stoppen, könnte schwieriger sein als bisher angenommen. Selbst bei Umsetzung der im Pariser Abkommen festgelegten Pläne zur Minderung von Treibhausgasemissionen bleibt ein Risiko, dass der Planet durch verschiedene Rückkopplungsprozesse in einen Zustand gerät, den die Forscher als „Hothouse Earth“ bezeichnen. Dies diskutiert ein internationales Team von Wissenschaftlern in einer neuen Studie im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). Eine solche Heißzeit wäre langfristig durch etwa 4°C bis 5°C höhere Temperaturen charakterisiert sowie durch einen Meeresspiegelanstieg um 10m bis 60m, so die Veröffentlichung. Der Übergang zu einer emissionsfreien Weltwirtschaft müsse deshalb deutlich beschleunigt werden, argumentieren die Autoren. Der Text beginnt mit einer drastischen Warnung, umgehend entkräftet mit einem Konjunktiv: Es wird ganz schlimm, aber nur vielleicht. Es bestehe ein großes “Risiko” für den “Planeten”. Auch hier wieder keine absolute Aussage. Wer in ein Auto steigt, setzt sich dem Risiko aus, einen Unfall zu haben. Die meisten Fahrten sind jedoch unfallfrei und die Insassen erreichen das Ziel gesund und munter. Etwas später erscheint erneut der Begriff “Heißzeit” (Hölle) aus der Überschrift, gepaart mit einem Konjunktiv. So ganz sicher ist man sich mit der Hölle dann doch nicht. Am Ende des Absatzes folgt eine knallharte politische Forderung: Die Gesellschaft soll noch schneller umgekrempelt werden, die PIK-Forderungen endlich in die Tat umgesetzt werden. Da es sich beim PIK  eigentlich “nur” um ein ganz normales Forschungsinstitut handelt, wirkt das Streunen auf der politischen Seite stark befremdlich.
„Industrielle Treibhausgasemissionen sind nicht der einzige Faktor, der die Temperatur auf der Erde beeinflusst. Unsere Arbeit weist darauf hin, dass eine vom Menschen verursachte globale Erwärmung von 2°C andere Prozesse des Erdsystems anstoßen könnte (oft als Rückkopplungen bezeichnet). Diese wiederum könnten die Erwärmung weiter vorantreiben – selbst wenn wir aufhörten, Treibhausgase auszustoßen“, sagt Leitautor Will Steffen von der Australian National University (ANU) und dem Stockholm Resilience Centre (SRC). „Um dieses Szenario zu vermeiden, ist es notwendig, das menschliche Handeln in eine neue Richtung zu lenken, von der Ausbeutung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Erdsystem.“ Derzeit liegt die globale Durchschnittstemperatur bereits um gut 1°C über dem vorindustriellen Niveau und steigt etwa 0,17°C pro Jahrzehnt an. Das PIK suggeriert, dass “andere Prozesse” plötzlich auftreten könnten, die kaum jemand heute auf dem Radar hat. Eine interessante Strategie: Obwohl heute von diesen “anderen Prozessen” noch nichts zu sehen ist, bringt man sie als mysteriöse Unbekannte einfach mal ins Spiel und erhöht so den Druck. Um nicht sofort damit durchzufallen wird schnell noch ein Konjunkiv (“könnte”) nachgeschoben. Im zweiten Teil des Absatzes wird das Geschehen auf die Metaebene gehoben. Philosophisch-ethisch wird fomuliert, das “menschliche Handeln” müsse nun endlich den PIK-Weg einschlagen. Dies wäre die “neue Richtung” ins Licht in eine verheißungsvolle Zukunft. Dies unterscheidet sich kaum von den Slogans religiöser Sekten, die auf Menschenfang gehen. Der Mensch hat gesündigt, er ist schlecht, muss Buße tun. Er schädigt den Planeten durch “Ausbeutung”, agiert nicht verantwortungsvoll. Wieder ein biblisches Muster: “Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern…Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit”. Wer hat nicht schon am Sonntag in der Kirche das Vaterunser gebetet, konnte sich aber an keine eigene Missetat der letzten Woche erinnern, für die er sich dann allsonntäglich entschuldigen sollte. Sind wir wirklich so grundauf schlecht, wie uns immer von Religion und PIK eingeredet wird?
Die Autoren der Studie betrachten zehn natürliche Rückkopplungsprozesse, von denen einige mit den sogenannten Kippelementen im Erdsystem verknüpft sind. Durch das Überschreiten kritischer Schwellen könnten diese in fundamental andersartige Zustände versetzt werden. Die Rückkopplungen könntenz.B. Kohlenstoffspeicher in Kohlenstoffquellen verwandeln, die in einer entsprechend wärmeren Welt unkontrolliert Emissionen freisetzen würden. Zu den kritischen Prozessen gehören insbesondere tauender Permafrost, der Verlust von Methanhydraten vom Meeresboden, eine Schwächung von Kohlenstoffsenken an Land und in den Ozeanen, eine zunehmende bakterielle Atmung in den Ozeanen, das teilweise Absterben des Amazonas-Regenwaldes sowie der borealen Wälder, eine Verringerung der Schneedecke auf der Nordhalbkugel, der Verlust von arktischem und antarktischem Meereis sowie das Schrumpfen der großen Eisschilde. Die Studie berücksichtigt noch nicht mögliche Rückkopplungen zwischen Emissionen und der planetaren Wolkenbedeckung. Eine der bekanntesten PIK-Erfindungen betritt die Bühne: Die Kippelemente. Auch wenn die Entwicklung aktuell ganz und gar nicht dramatisch aussieht, hält man den Katastrophenjoker in der Hinterhand: Das System könnte ganz plötzlich und unerwartet kippen. Wie ein Meteoriteneinschlag den niemand vorhersehen und vermeiden kann. Gegen eine solche Argumentation ist man machtlos. Mit den Kippelementen steht das PIK auch ziemlich allein da. Viele Wissenschaftler lehnen das windige Konstrukt ab, vertrauen lieber auf solide Wissenschaft als auf mysteriöse, nicht nachvollziehbare Prozesse. Wieder tauchen die “kritischen Schwellen” aus dem Titel des Pressemiteilung auf. Imaginäre Linien, mysteriöse Prozesse: Science Fiction statt Science. Wieder eine Prise Konjunktiv (“könnten”, “könnten”, “würden”) zur Absicherung gegen berechtigte Zweifler. Der Konjunktiv als imaginäre klimatische Narrenkappe. Mit ihr ist alles erlaubt. Vielleicht sollte man einfach mal dem PIK den Konjunkiv verbieten. Mal sehen, was noch übrigbleibt. Im weiteren Verlauf des Absatzes tauchen ein ganze Reihe von emotionalen Signalwörtern auf. Nach den “kritischen Schwellen” folgen “kritische Prozesse”. Alles ist “kritisch”, kurz vor dem Kollaps, der Weltuntergang ist nah. Der Mensch ist unkontrolliert, tut was er will, hält sich nicht an die göttlichen PIK-Vorgaben. Als Strafe drohen “Verlust”, “Schwächung”, “Absterben”, “Verringerung” und “Verlust”. Ob das PIK eine spezielle Wörterdatenbank für Strafwörter hat? Potsdamer Meister der rhetorischen Verführung.
Landwirtschaft  bringen das Erdsystem aus dem Gleichgewicht
„Diese Kippelemente könnten sich wie eine Reihe von Dominosteinen verhalten. Wird einer von ihnen gekippt, schiebt dieses Element die Erde auf einen weiteren Kipppunkt zu. Es könnte sehr schwierig oder sogar unmöglich sein, die ganze Reihe von Dominosteinen davon abzuhalten, umzukippen. Manche Orte auf der Erde könnten unbewohnbar werden, wenn die „Heißzeit“ Realität würde“, ergänzt Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre und designierter Ko-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Ein weiterer Absatz aus dem rhetorischen PIK-Kochbuch: Es “kippt” an allen Ecken und Enden, “Dominosteine” fallen, der Planet (warum jetzt plötzlich “Erde”?) wird unbewohnbar. “Heißzeit” als Realität. Oder vielleicht doch nicht? Hierauf weisen “könnten”, “könnte”, “könnten” und “würde” hin. Sturm im Wasserglas, aus Spaß am vermeintlichen Ökodrama? Cry Wolf – ein gefährliches Spiel mit hohem gesellschaftlichen Einsatz.
Kippelemente im planetarischen Getriebe: Treibhausgase aus Industrie und Landwirtschaft  bringen das Erdsystem aus dem Gleichgewicht
„Die Treibhausgasemissionen aus Industrie und Landwirtschaft bringen unser Klima und letztlich das ganze Erdsystem aus dem Gleichgewicht, das zeigen wir auf. Im Zentrum stehen hier vor allem die Kippelemente in der globalen Umwelt, die sich – sobald ein bestimmtes Belastungsniveau einmal überschritten ist – grundlegend, schnell und möglicherweise irreversibel verändern könnten. Gewisse Kaskaden solcher Ereignisse könnten das gesamte Erdsystem in eine neue Betriebsweise kippen“, sagt Hans Joachim Schellnhuber, amtierender Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. „Was wir derzeit noch nicht wissen, ist, ob das Klimasystem sicher bei etwa 2°C über dem vorindustriellen Niveau ‚geparkt‘ werden kann, wie es das Pariser Abkommen vorsieht. Oder ob es, einmal so weit angestoßen, weiter abrutschen würde in ein dauerhaftes Supertreibhaus-Klima. Die Forschung muss sich daran machen, dieses Risiko schnellstmöglich besser abzuschätzen.“Die Reduktion von Treibhausgasen allein reicht nicht aus.
Um die Chancen zur Vermeidung einer „Heißzeit“ zu verbessern, brauche es nicht nur eine entschlossene Minderung von Kohlendioxid- und anderen Treibhausgasemissionen. Auch erweiterte biologische Kohlenstoffspeicher, etwa durch ein verbessertes Wald-, Landwirtschafts- und Bodenmanagement, oder die Erhaltung der biologischen Vielfalt sowie Technologien, um der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen und unterirdisch zu speichern, können eine wichtige Rolle spielen, so die Autoren. Entscheidend sei jedoch, dass diese Maßnahmen auch durch grundlegende gesellschaftliche Veränderungen gestützt werden.
Und wieder kippt es überall, gerät der Planet aus dem Gleichgewicht. Es geht um die Grundpfeiler unsere Zivilisation: Industrie und Landwirtschaft. Gibt es wichtigere Bereiche? Das “Risiko” einer “Heißzeit”, “überschrittene Belastungsniveaus”. Das ganze “global”, “grundlegend”, “irreversibel” und “dauerhaft”. Ganz sicher? Nein. “Möglicherweise”, “derzeit noch nicht wissen”, “können”. Die PIK-Lyrik erreicht ihren Höhepunkt: Zeit für politische Forderungen: PIK-Forderungen müssen “schnellstmöglich” und “entschlossen” erfüllt werden, sonst drohe Sodom und Gomorra. Dazu müssen die Menschen auch bereit sein, “grundlegende gesellschaftliche Veränderungen” zu akzeptieren. Revolution unter dem Deckmäntelchen der Konjunktiv-Wissenschaft.
„Das Klima und andere Veränderungen zeigen uns, dass wir Menschen das Erdsystem bereits auf globaler Ebene beeinflussen. Das bedeutet auch, dass wir als internationale Gemeinschaft an unserer Beziehung zum System arbeiten können, um die zukünftigen planetarischen Bedingungen zu beeinflussen. Diese Studie identifiziert einige der Hebel, die dafür genutzt werden können“, schließt Katherine Richardson von Center for Macroecology, Evolution and Climate an der Universität Kopenhagen. Wieder die Metaebene: “wir Menschen”, “internationale Gemeinschaft”. Wir sind Schuld, denn wir “beeinflussen” “global”. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Es verwundert kaum, dass der Schlusssatz wieder eine Forderung enthält: Endlich die Hebel in Bewegung setzen, um die PIK-Doktrin umzusetzen. Das alles ist natürlich alternativlos, wie so Vieles in Deutschland…
Artikel: Will Steffen, Johan Rockström, Katherine Richardson, Timothy M. Lenton, Carl Folke, Diana Liverman, Colin P.Summerhayes, Anthony D. Barnosky, Sarah E. Cornell, Michel Crucifix, Jonathan F. Donges, Ingo Fetzer, Steven J. Lade, Marten Scheffer, Ricarda Winkelmann, Hans Joachim Schellnhuber (2018). Trajectories of the Earth System on the Anthropocene. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). [DOI: 10.1073/pnas.1810141115]

Übernommen von Die kalte Sonne hier

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