Das Sommer­halbjahr 2018 machte seinem Namen alle Ehre – Ein Nachruf

Das Sommerhalbjahr 2018 – eine klimatologische Einordnung

(AMO = Atlantische Mehrzehnjährige Oszillation, ein Index für die gemittelten Meeresoberflächentemperaturen im zentralen Nordatlantik), zeigt folgende Grafik:

Abbildung 1: Deutliche Erwärmung des Sommerhalbjahres in Deutschland. Die Reihe beginnt mit dem Jahr 1856, weil ab da die AMO-Werte vorliegen. In den AMO-Warmphasen, speziell an deren Ende, traten warme Sommerhalbjahre gehäuft auf, so auch gegenwärtig. Die 2018er Werte sind geschätzt.

Abbildung 2: Temperaturentwicklung des Sommerhalbjahres in Zentralengland (CET). Im Gegensatz zu Deutschland erwärmte sich dort das Sommerhalbjahr nur wenig; zumal, wenn man bedenkt, dass die Reihe mit den sehr kühlen Bedingungen der „Kleinen Eiszeit“ startet.

Abgesehen vom kalendarischen Sommerhalbjahr (1. April bis 30. September) gibt es keine exakte Definition für die Dauer eines Sommerhalbjahres. Im meteorologischen Sinne ist es praktikabel, darunter einen einigermaßen zusammenhängenden Zeitraum warmer Tage (solche mit einem Tagesmaximum von mindestens 20,0°C) zu verstehen. Um das zu gewährleisten, sollte aber nur dann der erste und der letzte warme Tag registriert werden, wenn zwischen diesen höchstens eine Zeitspanne von 4 Wochen (28 Tage) ohne warme Tage liegt, denn einzelne „Ausreißer“ schon im März und noch Ende Oktober/Anfang November eröffnen oder schließen keine warme Jahreshälfte, wenn ihnen eine zu lange, kühle Periode folgt beziehungsweise vorausgeht. Was 2018 am Beispiel der Flugwetterwarte Erfurt/Weimar betrifft, so startete das zusammenhängende Sommerhalbjahr am 4. April sehr zeitig und dauerte (vorerst) bis zum 21. September – sollte es bis spätestens Mitte Oktober weitere warme Tage geben, was gar nicht so selten ist, wäre eine Verlängerung möglich. Die gab es 1989. Damals begann das Sommerhalbjahr bereits am 27. März und endete erst am 28. Oktober – das Sommerhalbjahr 2018 war also das wärmste, aber nicht unbedingt das längste. Die folgenden zwei Grafiken zeigen zur besseren Veranschaulichung zuerst ein sehr kurzes Sommerhalbjahr (1996), dann das sehr lange von 1989:

Abbildungen 3a und 3b: Sehr kurzes Sommerhalbjahr 1996 (oben); zwar wurde es damals schon um den 22. April über 20 Grad warm, doch dann folgten mehr als 28 Tage Kälte; und schon nach dem 4. September gab es keine warmen Tage mehr; auch keine späten „Ausreißer“ im Oktober. 1989 (unten) startete das Sommerhalbjahr am 27. März und währte bis zum 28. Oktober. Der bisherige Verlauf für 2018 fehlt noch, er wird aber aller Voraussicht nach die enorme Länge des Sommerhalbjahres von 1989 nicht erreichen; Bildquelle wetteronline.de; leicht ergänzt.

Die Niederschlagsverhältnisse – mehr Dürren im Sommerhalbjahr?

Exakte Definitionen des Begriffs „Dürre“ fehlen – es hängt viel von den subjektiven Betrachtungsweisen, der Betroffenheit einzelner Menschen oder Berufsgruppen, den örtlichen Gegebenheiten (Geografie, Infrastruktur) und den gesellschaftlichen Verhältnissen ab, was darunter verstanden wird. Indizien für Dürren sind geringe Monats-, Jahreszeiten- und Jahresniederschläge oder die Anzahl von Tagen, Wochen und Monaten ohne Niederschlag. Schon ein Blick auf die Entwicklung der Sommerhalbjahresniederschläge in Deutschland seit 1881 zeigt jedoch: Sehr trockene Sommerhalbjahre gab es schon immer, der Negativrekord von 2011 wurde knapp verfehlt, und ein Trend zu mehr Trockenheit ist nicht erkennbar:

Abbildung 4: Gebietsmittel der Niederschlagssummen für Deutschland im Zeitraum April bis September seit 1881. Ein merklicher Trend zu trockeneren Sommerhalbjahren fehlt bislang; auch die Streuung der Werte, welche ein Maß für ein extremeres Klima sein könnte (mehr Streuung bedeutet mehr nasse und dürre Sommerhalbjahre im Wechsel) wurde augenscheinlich nicht größer. Sehr trocken waren neben 1911 auch 1893, 1904, 1929, 1947, 1959, 1976 und 2003; 2018 wird den Negativrekord von 1911 aller Voraussicht nach verfehlen.

Einen gewissen Hinweis, ob sich Dürren häufen, liefert die Anzahl der niederschlagsarmen Monate je Dekade, hier am Beispiel Potsdams gezeigt, für das im Sommerhalbjahr alle Monate mit weniger als 30mm als wesentlich zu trocken gelten können. Es zeigt sich bislang keine signifikante Häufigkeitszunahme:

Abbildung 5: Von den 60 Sommerhalbjahres-Monaten einer Dekade in Potsdam seit 1893 war – mit leichten Schwankungen, meist etwas weniger als ein Viertel (15) zu trocken. Eine merkliche Zunahme ist nicht erkennbar, obwohl die 2013 begonnene Dekade noch nicht vollendet ist.

Deutschland liegt leider etwas näher zum Nordpol als zum Äquator. Nur im Sommerhalbjahr vermag hier die Sonne ausreichend Wärme und Licht zu spenden, und es ist folglich nur von April bis September mit zunehmender Sonnenscheindauer auch fast immer zunehmend wärmer. Hingegen ist der Einfluss der immer schneller steigenden CO2-Konzentration (Werte seit 1959 verfügbar) fraglich. Den recht engen Zusammenhang zwischen Sonnenscheindauer und Lufttemperaturen in Deutschland zeigt folgende Grafik:

Abbildung 6: Enge „Verzahnung“ zwischen den Sonnenstunden und den Lufttemperaturen im Sommerhalbjahr. Fast 60% der Variabilität der Temperatur in Deutschland im Sommerhalbjahr lässt sich mit der Sonnenscheindauer erklären; unsere Sommerhalbjahre erwärmten sich hauptsächlich, weil sie sonnenscheinreicher wurden. Als extrem sonnig können, bezogen auf das DWD-Mittel, alle Sommerhalbjahre mit mindestens 1400 Sonnenstunden gelten; diese sind in der Grafik ausgewiesen; denn wegen der sehr unterschiedlichen Größen der Lufttemperatur und der Sonnenscheindauer musste in Indexwerte umgerechnet werden. Das Rekord-Sommerhalbjahr 2018 war zugleich das sonnigste. Hingegen ist der Zusammenhang von CO2-Konzentration und Lufttemperaturen fraglich; denn in den 1970er Jahren sanken die Temperaturen trotz steigender CO2-Konzentrationen, und seit etwa 20 Jahren verlangsamte sich der Temperaturanstieg trotz beschleunigt steigender CO2-Werte.

Abbildung 7: Auch langfristig gilt: Kein Sommerhalbjahr war so sonnig wie 2018 – zumindest in Potsdam. Dort landete das Sommerhalbjahr von 1947 sowohl bei der Sonnenscheindauer als auch bei der Lufttemperatur auf Platz 2.

Über die Gründe der zunehmenden Besonnung lässt sich nur spekulieren. Neben geänderten Großwetterlagenhäufigkeiten, auf welche gleich noch eingegangen wird, kommen die Luftreinhaltemaßnahmen, die Sonnenaktivität selbst und die Austrocknung Deutschlands durch geänderte Landnutzung (Melioration), Bebauung und Versiegelung, in Betracht. Durch Letzteres fehlen intakte Böden und eine dichte Vegetation, was die Verdunstung und damit die Bildung von Wolken, Dunst oder Nebel erschwert.

Geänderte Großwetterlagenhäufigkeiten als Erwärmungsursache im Sommerhalbjahr?

Abbildung 8: Merkliche Häufigkeitsabnahme der im Sommerhalbjahr fast stets zu kühlen West-, Nordwest- und Nordlagen (dunkelblau); dafür häufigere Süd-, Südwest-, Südost- und Zentralhochlagen (rotbraun), welche meist zu warm ausfallen. Die Bestimmtheitsmaße beziehen auf das DWD-Deutschland-Temperaturmittel des Sommerhalbjahres, welches zur besseren Veranschaulichung ebenfalls in Indexwerte umgerechnet werden musste. Man beachte, dass der Zusammenhang zwischen den West-, Nordwest- und Nordlagenhäufigkeiten und der Temperatur stark negativ ist! Mit den geänderten Häufigkeitsverhältnissen der Großwetterlagen wurden unsere Sommerhalbjahre wärmer. Großwetterlagen-Klassifikation nach HESS/BREZOWSKY; die Daten für 2018 lagen noch nicht vollständig vor; so dass diese Grafik mit dem Sommerhalbjahr 2017 endet.

Abbildung 9: Mehr in der Höhe antizyklonale Großwetterlagen bei insgesamt feuchter Atmosphäre seit 1980 in Deutschland im Sommerhalbjahr. Diese wirken signifikant erwärmend. 2018 gab es mit mehr als 80 Tagen dieses Großwetterlagentyps einen neuen Häufigkeitsrekord.

Auf die Ursachen der geänderten Zirkulationsverhältnisse und Großwetterlagenhäufigkeiten kann im Rahmen dieses Beitrages nicht eingegangen werden. Interessierte Leser finden Näheres dazu in dem unlängst erschienenen Beitrag zu den Zirkulationsanomalien 2018 hier.

Der Wärmeinseleffekt heizt unseren Sommerhalbjahren ebenfalls ein

Abbildung 10: In den letzten 50 Jahren erwärmte sich das boomende Frankfurt mit seinem ausufernden Flughafen im Sommerhalbjahr viel stärker als das ländlichere Gießen. War Frankfurt anfangs nur um gut 0,5 Grad wärmer, sind es heuer fast 2 Grad.

Zusammenfassung: Dieses Sommerhalbjahr 2018 brach viele, doch nicht alle Rekorde. Es war das wärmste, aber keinesfalls das längste und auch nicht das trockenste seit Aufzeichnungsbeginn im Jahre 1881. In den letzten Jahrzehnten häuften sich sonnige, heiße Sommerhalbjahre in Deutschland. Bislang fehlen jedoch eindeutige Anzeichen für eine Häufung sommerlicher Unwetter oder Dürren in Deutschland. Neben einer längeren Sonnenscheindauer trugen geänderte Großwetterlagenhäufigkeiten und verschiedenste Wärmeinseleffekte ganz wesentlich zur Erwärmung des Sommerhalbjahres bei. Über den zeitlichen Verlauf dieses denkwürdigen Sommerhalbjahres und dessen Auswirkungen auf Natur und Landwirtschaft wird im Teil 2 dieses Beitrages berichtet werden.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher