Golfstrom mit Glatteis – oder, wie Müller Jung von der FAZ die Welt sieht.
Die Sonne kracht, die Biergärten sind rammelvoll, die Mädchen leicht bekleidet (außer in bereits Minirock-befreiten Zonen). Es besteht Grund zur Freude, die Erhitzung der Atmosphäre zeigt einmal mehr ihre schönsten Folgen. Selbst die Eisbären in den Zoos sind gut gelaunt, offenbar haben sie noch nicht mitgekriegt, dass sie demnächst aussterben sollen. Während die Süddeutsche Zeitung noch den ausgelutschten Drops von den verhungernden Bärchen serviert, ist der Tagesspiegel schon auf einem anderen Trip: Dem Eisbären stehen goldene Zeiten bevor!
Denn, so haben Ausflüge in die weite Welt der Klima-Hochrechungen ergeben, der Golfstrom verlangsamt sich, und Europa wird alsbald unter einer Eisdecke bibbern. Die FAZ meldet, der Klimawandel hinterließe „radikaler denn je seine Spur in den Datenreihen“. Der gleiche FAZ-Autor schrieb vor zehn Jahren zu zweifelhaften Studien auf diesem Gebiet „Wissenschaft funktioniert anders“.
Datenreihen sind bekanntlich geduldig, das Narrativ vom Ableben des Golfstroms ist prinzipiell seit Jahrzehnten genauso ausgelutscht wie das der Eisbären, die sterben, auch nur in den Datenreihen. Im richtigen Leben erfreuen sie sich bester Gesundheit und konnten sich sogar vermehren. Auch die Wahrscheinlichkeit für ein Versiegen des Golfstroms im 21. Jahrhundert liegt nahe bei null.
Der Golfstrom wird nämlich nicht nur von der sogenannten thermohalinen Zirkulation befördert, sondern auch vom Windsystem über dem Nordatlantik und von der Erdrotation in Schwung gehalten. Der Ozeanograf Carl Wunsch vom Massachusetts Institute of Technology sprach einmal die güldenen Worte: „Wer den Golfstrom wirklich zum Stillstand bringen will, muss entweder die Winde abschalten oder die Erde anhalten. Oder beides“.
Ohnmacht und Hybris – und nix dazwischen
Hat sich der FAZ-Autor in Sachen Golfstrom eines besseren belehren lassen? Oder ist er Teil einer zunehmenden Hysterisierung und Moralisierung von Wissenschaft, die er im oben bereits verlinkten Beitrag so beschreibt: „Tatsächlich motiviert die Klimaforschung derzeit mit ihren Datenanalysen so etwas wie eine ‚neue Radikalität‘ im ökologischen Denken. Ein Vokabular, das nicht nur auf Parteitagen auftaucht, sondern auch vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, auf einer UN-Pressekonferenz jüngst verwendet wurde: Die Schlagzeilen würden dominiert von Spannungen und Konflikten auf der Welt, sagte Guterres in New York, ‚die Wahrheit aber ist, dass der Klimawandel die größte systemische Bedrohung für die Menschheit ist‘“.
Also sprach der Klima-Papst: Ihr sollt keine andere Katastrophe neben mir haben! Was sind schon kleinliche Problemchen wie Völkermord, Armut oder Rückfall ganzer Weltregionen in religiöse Wahnvorstellungen gegen das große Klima-Apokalypsen-Narrativ internationaler Apparatschiks. Das schöne an diesem Katastrophen-Alarm ist doch, dass man damit jede Zwangsmaßnahme im Hier und Jetzt begründen kann, die Erfolgskontrolle aber erst in 100 Jahren möglich ist. Die größte systemische Bedrohung für die Menschheit ist deshalb eine Nomenklatura, die die Menschheit ganz direkt und ohne Umweg über die CO2-Emissionen ins Unglück stürzt. In Deutschland haben sie sich beispielsweise mit großem Erfolg daran gemacht, im Namen künftiger Heilserwartungen die wirtschaftliche Grundlage dieses Landes und seinen Wohlstand zu zerstören. Ich sage nur: Energiewende.
Die drohende Klimakatastrophe wird zu einem Überzeugungs- und Glaubensystem, das gesellschaftlichen Sinn stiften soll. Eine von Glaubwürdigkeitskrisen geschüttelte Politik hat die Weltrettung zur neuen Utopie erkoren. Sie können nicht einmal die Grenzen des Landes bewachen, glauben aber, die Temperaturentwicklung des Planeten per ordre de Mufti begrenzen respektive steuern zu können. Die Herrschaften schwanken zwischen Ohnmacht und Hybris – und leider ist nichts mehr dazwischen.
Wenn man die sich widersprechenden „Narrative“ vom Ende des Golfstroms und vom Ende der Eisbären zusammen nimmt, dann zeigt dies im Übrigen nicht nur Hysterisierung und Moralisierung der Klima-Debatte, sondern auch eine religiöse Immunisierung gegen Botschaften, die dem herrschenden Dogma zuwiderlaufen könnten. Denn: Egal ob es kälter oder wärmer wird oder ob alles so bleibt wie es ist (die unwahrscheinlichste Variante, weil das Klima sich im Verlauf der Erdgeschichte immer wieder geändert hat), die Klima-Paniker werden in jedem Falle behaupten, sie hätten recht.
Wenn nicht nur eine Katastrophe, sondern auch ihr Ausbleiben als Folge des sündhaften menschlichen Treibens gedeutet werden, dann zeigt dies eine völlige Immunisierung gegen rationale Argumente. So entsteht eine sich selbst abdichtende Weltsicht, die sich schließlich zu einer prinzipiell nicht falsifizierbaren Annahme verhärtet. Die Logik erinnert ein wenig an den mittelalterlichen Gottesbeweis: Wenn eine gefesselte Hexe im Wasser unterging, war sie keine Zauberin, aber dennoch tot. Schwamm Sie obenauf, dann handelte es sich hingegen eindeutig um eine Hexe, woraufhin sie ebenfalls vom Leben in den Tod befördert wurde.
Zuerst erschienen auf ACHGUT hier