Unscharfe Frühlingsweisheiten – Ein „WELT“- Interview
Erste zweifelhafte Behauptung: „Durch den Klimawandel haben sich die Jahreszeiten tatsächlich verschoben. Die Kurve zeigt ganz deutlich, dass es seit Beginn der Aufzeichnungen immer wärmer wird.“
Ein Blick auf die Entwicklung der DWD- Deutschlandmittelwerte für den Frühling (1. März bis 31. Mai) zeigt seit 1881 folgendes Bild:
Es lohnt sich also, die letzten 30 Jahre etwas genauer zu betrachten (30 Jahre sind laut WMO- Definition ein klimatisch relevanter Zeitraum):
Und was ist mit der „Verschiebung der Jahreszeiten“? In der Phänologie werden mindestens 3 Jahreszeiten im Lenz unterschieden: Vor-, Erst- und Vollfrühling. Nach den Beobachtungen des Botanikers STEFAN KÄMPFE in Weimar, die seit 1990 lückenlos vorliegen und immer an den gleichen Standorten durchgeführt wurden, lässt sich kein einheitliches Vegetationsverhalten seit nunmehr 28 Jahren im Frühling erkennen:
Man erkennt die massiv abnehmende Schwankungsbreite („Streuung“ oder „Standardabweichung“, das Quadrat davon ist die Varianz) der Eintrittstermine vom Vor- zum Vollfrühling. Die im Vorfrühling oft extremen Schwankungen der Eintrittstermine werden also im weiteren Vegetationsverlauf geglättet. Während die Differenz zwischen frühestem und spätestem Beginn der Haselblüte noch beachtliche 108 Tage in Weimar beträgt, sind es beim Beginn der Apfelblüte nur noch maximal 31 Tage! Mit anderen Worten: Die Natur gleicht vieles aus, ein extrem milder Winter bedeutet keinen zwangsläufig extrem frühen weiteren Vegetationsverlauf, ein strenger nicht zwangsläufig einen extrem späten. Meist bleiben von dem ursprünglichen Vorsprung oder Rückstand des Vorfrühlings im Vollfrühling nur noch wenige Tage übrig. Verfrühungen oder Verspätungen von etwa oder gar mehr als 10 Tagen sind im Vollfrühling nur dann möglich, wenn der März ebenfalls sehr warm (1990, 2014, 2017) oder sehr kalt (1996, 2006, 2013) ausfiel. Ähnliches zeigen auch andere Frühjahrsblüher an anderen Orten:
Zweite Behauptung: „Alle Monate werden wärmer, vor allem aber April, Mai, Juli und August.“
Es fällt auf, dass ausschließlich Monate des Sommerhalbjahres durch Herrn Lux benannt wurden. Könnte es sein, dass eine längere Sonnenscheindauer die maßgebliche Erwärmungsursache war? Leider liegt ein DWD- Mittel der Sonnenscheindauer erst seit 1951 vor. Für den April zeigt sich eine enge Verzahnung – wärmere Aprilmonate sind fast immer sehr sonnenscheinreich:
In Potsdam, wo alle Werte bis 1893 zurückreichen, zeigt sich gleichfalls die enge Verzahnung von Sonnenscheindauer und Apriltemperaturen:
Ein weiterer Grund, warum der Frühling langfristig wärmer wurde, ist der Wärmeinseleffekt (WI). Dieser bewirkt, dass sich bebaute, dicht besiedelte oder anderweitig vom Menschen veränderte Flächen stärker erwärmten, als naturnahe Landschaften. Handelt es sich um vorwiegende Verstädterungseffekte, so hat sich auch der Begriff UHI (Urban Heat Island Effect) eingebürgert; hier am Beispiel der stark UHI- belasteten Station Jena- Sternwarte gezeigt.
WI- Effekte ziehen natürlich auch eine beschleunigte Vegetationsentwicklung nach sich. Bei der Prüfung der monatsweisen Temperaturdifferenzen zwischen Großstadt- und Freilandstationen fand KÄMPFE im Raum Berlin im April besonders hohe UHI- Effekte:
Dritte Behauptung: „Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus, gilt nicht mehr. Es müsste korrekt heißen: Mitte April ist gekommen, die Bäume schlagen aus.“
Fotos Kowatsch
Aufnahme vom 10.Mai 2017, die Vegetation ist gegenüber 2016 eine Woche verspätet, insgesamt hat der Mai aber weitgehend die Bäume in der kleinen Wärmeinsel Hüttlingen im Ostalbkreis ausschlagen lassen.
Nur wenige Kilometer entfernt im unbewohnten Frankenbachtal, gleiche Meereshöhe. Nicht nur die Bäume (Erlen, Eschen, Eichen, Birken) sind kahl. Man beachte auch den spärlichen Graswuchs. Wir stellen fest: In der unbewohnten freien Fläche hat der Mai 2017 an seinem 10. Tag die Bäume noch nicht grün gemacht.
Keine Spur von einer früheren Begrünung oder von einer Vorverlegung des Frühlings. Mitte April war sogar der Grasbewuchs noch spärlich. Das nächste Foto eines blühenden Apfelbaumes bestätigt unsere Aussagen
10. Mai 2017: In der freien Fläche des Ostalbkreises blühen genauso wie in den Vorjahren die Apfelbäume im Mai. Im Hintergrund die noch nicht begrünten Bäume. Vor allem die Eiche im Hintergrund ist noch vollkommen kahl.
Alle drei Aufnahmen zeigen, dass die Aussagen von Herrn Lux nur für die Städte und Dörfer gelten, in diesen Wärmeinseln (siehe Foto 1) hält der Frühling tatsächlich schon im April Einzug, wobei die Bäume am Ortsrand gegenüber der Ortsmitte bereits verspätet sind. Ganz außerhalb in der freien Landschaft gilt weiterhin das Lied von Mozart: „Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün“. Bitte nicht vergessen, die Aufnahme stammt vom 10.Mai. Vor 10 Tagen zu Maibeginn war nur ein sehr spärliches Grün wahrnehmbar, die Blüten des Apfelbaumes waren noch gänzlich geschlossen. Auch für den 10.Mai zeigt die Aufnahme, dass erst 50% der Blütenknospen geöffnet sind.
Wir stellen fest: der Mai macht außerhalb der Städte und Ortschaften weiterhin die Bäume grün wie zu Mozarts Zeiten.
Vierte Behauptung: „Der Klimawandel führt außerdem dazu, dass im Winter seltener Schnee fällt.“
Fazit: Eine gründlichere, objektivere und von der Ideologie des „Klimawandels“ befreite Berichterstattung hätte folgendermaßen lauten können: „Wir erleben kalte Maitage, weil es bei fehlender Sonnenscheindauer und Nordlagen im Frühling eben oft noch sehr kalt ist. Aber für den Mai 2017 gibt es noch Hoffnung auf zumindest ein paar wärmere Tage. Wichtigster Buchstabe des Frühlings ist das „R“ wie rau- trotz einer leichten, keineswegs besorgniserregenden Frühlingserwärmung seit 1881. Diese hatte 3 wesentliche Ursachen: Etwas mehr Sonne, die zunehmende Verstädterung und Zersiedlung Deutschlands und eine leichte Häufigkeitsabnahme der nördlichen Großwetterlagen. Folglich hat sich auch die Vegetation etwas verfrüht, speziell in den vom Menschen aufgeheizten Städten und Siedlungen. Allerdings mehren sich Anzeichen, dass es eine Stagnation oder gar wieder eine Umkehr dieser Entwicklung geben könnte; es bleibt abzuwarten, ob sich diese Anzeichen manifestieren.
Stefan Kämpfe, Diplom- Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher
Josef Kowatsch, unabhängiger Natur- und Klimaforscher