Komplexe Systeme sind natürlich, menschengemacht oder eine Kombination aus beidem. Der Aktienmarkt ist ein von Menschen gemachtes komplexes System. Dagegen ist das Wetter in allen seinen Erscheinungsformen ein natürliches komplexes System. Seine exakte Vorhersage ist unmöglich. Doch selbst wenn exakte Vorhersagen möglich wären und die Wetterdienste der aller Staaten perfekt funktionierende Prognosemodelle hätten, würde das Wetter trotzdem machen, was das Wetter macht. Dem Wetter ist es gleichgültig, ob eine Vorhersage richtig oder falsch ist. Es spielt nicht mit, sondern geht seine eigenen Wege. Wer sich anpassen muss, ist der Mensch! Er muss ein adaptives Verhalten an den Tag legen, nicht das Wetter.
 
Die Entwicklung von Komplexität als Theorie einer formalen Wissenschaft begann mit Beginn der 60-ger Jahre, als mehr und mehr Wissenschaftler Zugang zu Großrechnern mit hoher Rechenleistung hatten. Solch ein Wissenschaftler war der Mathematiker Edward Lorenz, der mit numerischen Wettervorhersagemodellen experimentierte. Er entdeckte etwas, was als „Schmetterlingseffekt“ bekannt wurde und gerne fehlgedeutet wird. Ein Flügelschlag eines Schmetterlings über Alaska kann keinen Wirbelsturm über Florida auslösen, wohl aber kann eine extrem geringfüge Änderung oder ungenaue Beobachtung in einem Anfangsfeld zu völlig verschiedenen Vorhersagen führen. Es ist nicht der Mensch als Akteur, der das Wetter macht. Es ist das Wetter, das über Feedback oder Rückkopplungen sich immer wieder selbst organisiert und auf uns Menschen den Eindruck eines chaotischen Systems macht.
 

Zur Komplexität von Kapitalmärkten und Finanzmärkten

 
Wer in diese Thematik, die ohne den Einfluss der Politik schon komplex genug ist, einen Einblick gewinnen will, dem empfehle ich das Buch „Der Weg ins Verderben – Wie die Eliten die nächste Krise vorbereiten und wie Sie sich davor schützen können“ von James Rickards. Er ist Bestseller Autor von der New York Times und dem Manager Magazin.
 
Das Buch ist wahrhaft ein Hammer, ein schwerer Hammer, der Erkenntnisse ins Gehirn einprägt, die eine nachhaltige Wirkung erzeugen. Rickards ist einer aus der „Finanzelite“ und legt mutig und schonungslos die Schwächen der Ökonomik offen: „Die meisten Ökonomen sind keine Wissenschaftler. Ökonomen verhalten sich wie Politiker, Priester, Dogmatiker oder Demagogen. Sie ignorieren Tatsachen, die nicht zu ihren Paradigmen passen.“ Seit 70 Jahren herrsche „intellektueller Stillstand“. Immer noch arbeiteten sie stur mit primitiven „ungeeigneten Gleichgewichtsmodellen“. Sie halten an fehlerhaften Paradigmen fest und ignorieren penetrant alles Wissen von „Verhaltenspsychologie, Komplexitätstheorie und kausaler Interferenz“.
 
James Rickards präsentiert keine leichte Lektüre. Man muss sich hineinarbeiten, wird aber dann belohnt mit Einblicken und Erkenntnissen und insbesondere der Einsicht, dass „komplexe Systeme sich völlig anders verhalten als Gleichgewichtssysteme“, denn wer fehlerhafte Daten in fehlerhafte Modelle einspeist, erhält fehlerhafte Ergebnisse. Alles was er schreibt, ist direkt erlebtes Wissen aus intimer Kenntnis des Wechselspiels zwischen Staat, Finanzwesen und Wirtschaft. In Kapitel 1 „Dies ist das Ende“ sind zwei Sätze besonders wichtig: „Die globalen Eliten haben dem Bargeld den Krieg erklärt, um das Entstehen alternativer Märkte zu unterdrücken“ und „Die Sparer müssen in ein komplett digitales System gezwungen werden, bevor negative Zinsen kommen werden. Dann wird Ihr Geld Ihnen wie ein Juwel in einer Glasvitrine bei Cartier erscheinen: Sie können es sehen, aber nicht anfassen“.
 
In dem Kapitel „Eine Währung, eine Welt, eine Ordnung“ legt Rickards minutiös dar, dass „ein Top-down-Herrschaftsprozess gar nicht nötig sei, um die Welt über Geld zu regieren – der tatsächliche Prozess ist viel subtiler“. Fazit? „Die Fusion von globalem Datenaustausch, globaler Durchsetzung von Steuergesetzen und globaler Besteuerung von Bruttoeinkünften versetzt entwickelte Wirtschaftsmächte in die Lage, die maximalen Mengen an Wohlstand aus den produktiven Sektoren zu extrahieren, um damit unproduktive Eliten zu versorgen. Das geht so lange gut, bis das gesellschaftliche Gefüge zusammenbricht – das übliche Schicksal von Zivilisationen, die eine späte Stufe parasitären Prälatentums erreichen“. Das Problem sind die „Eliten“, die in „Blasen“ leben fern der Realität. Die künftige „Weltordnung“ werde den gesamten Globus und all seine Zivilisationen zugleich erfassen.
 
Das Faszinierende an dem Buch sind immer wieder die historischen Rückblicke und die bestechenden Analysen der Vorgänge. „Weltordnungen“ hat es schon immer gegeben, denn die „Alternative zur Ordnung ist das Chaos“. Dennoch sind alle Ordnungen und „Reiche“ immer wieder zerfallen. Heute gehe der Trend beharrlich in Richtung „mehr Staatsmacht, höhere Steuern, weniger Freiheit“. Das Werkzeug nennt sich „Piecemeal Social Engineering“! Wir werden stückchenweise der Freiheit beraubt und merken es kaum. Komplexe Dynamiken seien so alt wie die Menschheit, doch statt sie sorgfältig zu analysieren, gehen die „Eliten“ faul den bequemsten Weg und operieren mit „veralteten Gleichgewichtsmodellen“. Die Beobachtungen von Konrad Lorenz im Jahr 1963, dass Vorhersagen in nichtlinearen Systemen wie dem Wetter wegen winziger Veränderungen im Ausgangszustand grundsätzlich völlig unmöglich sind, werden schlichtweg ignoriert. „Schmetterlingseffekte“ gibt es überall, auch in gesellschaftspolitischen Sphären.
 
Erleuchtend und aufschlussreich sind die Kapitel „Vorbeben 1998“, „Vorbeben 2008“ und „Erdbeben 2018“. In diesen werden die Hintergründe der Finanzkrisen mit den vielfältigen „Blasen“ diskutiert und gezeigt, dass „Gelddrucken“ keine Lösung ist. Die Welt ist inzwischen „ein Minenfeld von faulen Krediten, das nur darauf wartet, in die Luft zu gehen“. Eine bösartige Bedrohung sei die Deflation. Obwohl die Haushaltsdefizite sinken, steigen die Schuldenquoten immer weiter, weil das nominale Wachstum so gering ist. Verschuldete Gesellschaften können nicht mit „neuem Geld“ saniert werden und scheitern, so dass 2018 mit einem Kollaps des Systems zu rechnen ist. Dennoch werde es zu einem „Freudenfeuer der Eliten“ kommen: „Sie regieren die Welt“. Doch der „Triumph der Globalisierung über den Nationalismus beflügelt heute neu erwachende nationalistische Strömungen“. Unter Donald Trump überdenken die USA ihre nationalen Interessen. Beendet das explosionsartige Wachstum der Verschuldung den Aufstieg der „globalisierten Eliten“?
 
Das spannendste Kapitel heißt „Kapitalismus, Faschismus und Demokratie“ und beruht auf einer historischen Analyse von Joseph Schumpeter. Er argumentiert induktiv und gibt der Realität den Vorzug vor Abstraktionen. Für Schumpeter war Sozialismus keine Diktatur des Proletariats, vielmehr ein vom Staat gesteuertes Wirtschaftssystem, das von „Eliten“ betrieben wurde, die er „Planer“ nannte. Profiteure kommunistischer wie sozialistischer Systeme seien die „Planer und die Arbeiter“ Der Verlierer sei die „Mittelklasse“. Nicht ohne Grund warne eine McKinsey-Studie von 2016: „Heute läuft die jüngere Generation Gefahr, am Ende ärmer dazustehen als ihre Eltern“. Abschnitte wie „Die neuen Prätorianer“ und „Der neue Faschismus“ sollte die geistige Mittelschicht, das klassische Bildungsbürgertum, lesen, um die verschlungenen Wege der Politik besser zu verstehen, die düsteren Prognosen noch abzuwenden oder wenigstens abzumildern. „Der Staat darf nicht der einzige Mediator menschlichen Handelns sein“.
 

Der Komplexität entfliehen auch keine „Klimamodelle“

 
Mich hat das Buch klüger gemacht und aufgeschreckt. Es ist ein massiver Vorwurf an die Ökonomen: „Seit 70 Jahren herrscht intellektueller Stillstand“. Da kommt der Gedanke auf, ob es nicht in anderen Wissenschaftszweigen ähnlich ist. Auch bei den numerischen Wettervorhersagen ist seit Edward Lorenz kein wesentlicher Fortschritt zu erkennen, sind exakte Vorhersagen ein Wunschtraum. Was man beim Wetter nicht kann, versucht man mit Klimavorhersagen zu umgehen. Doch diese sind keinen Deut besser, sondern eher schlimmer, weil sie so weit in die Zukunft weisen, um überprüfbar zu sein, liegt diese doch jenseits der normalen Lebenserwartung von jetzt 40 bis 50-jährigen.
 
Geht man bei den Wettervorhersagen noch von gemessenen Wetterdaten und realen Luftdruck- und Strömungsfeldern, so ist das „Treibhausmodell“ der „Klimaexperten“ wie „Klimaplaner“ auch ein „Gleichgewichtsmodell“, das von der verrücktesten Annahme ausgeht, die man sich ausdenken kann. Man geht von einem „Strahlungsgleichgewicht“ zwischen Sonne und Erde aus. Eine absurdere Annahme kann man nicht machen, als die elektromagnetische Strahlung von Sonne und Erde „gleich“ zu setzen.
 
Ein Strahlungsgleichgewicht wäre theoretisch dann und nur dann möglich, wenn beide Körper, die sich Energie zu strahlen, physikalisch „schwarz“ sind und die gleiche Kelvin-Temperatur haben. Diese primitivste aller Annahmen muss man machen, um die extreme Komplexität im Sonnensystem zu reduzieren und einen Schuldigen für den seit Urzeiten stattfindenden „Klimawandel“ herauszudestillieren. Dieser Alleinschuldige sei das CO2, das Kohlenstoffdioxid-Molekül. CO2 wird ganz ohne Beweis zum „Klimakiller“ verurteilt und wir Menschen zu „Klimasündern“ gemacht, denn wir haben ja das „Klima“ gemacht, indem wir es als Kunstgröße definiert und vom Wetter abgeleitet haben.
 
Mit den Klimamodellen ist es noch weitaus schlechter bestellt wie mit Milton Friedmans Gleichgewichtsmodell zwischen Geldmenge und Wachstum. James Rickards ist milde mit seinem Urteil, dass „Friedmans Theorie zwar nützlich für Gedankenexperimente, aber in der realen Welt völlig nutzlos“ sei. Mit den Klimamodellen wird eine prognostizierbare Scheinwelt konstruiert, die mit der realen Wetterwelt absolut nichts zu tun hat. Die Politik hat sich diesen Schuh angezogen, um uns in die Traumwelt eines irdischen Paradieses einer Welt zu führen, in der „globale Klimagerechtigkeit“ herrscht und auch den Wunsch nach „sozialer Gerechtigkeit“ verwirklicht.
 
Oppenheim, den 2. Mai 2017
Wolfgang Thüne
 
 
 
 

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