geschrieben von Chris Frey | 30. März 2017
Deutschland: Unterschiedlicher Temperaturverlauf im Winter und Sommer
Betrachtet man das Temperaturverhalten, beginnend mit dem am Anfang des „Klimasprungs“ stehenden Mildwinter 1987/88 im Vergleich zum Sommer 1987 bis 2016 und für das Jahr insgesamt, so zeigt sich folgendes Bild:
Abbildung 1: Seit 30 Jahren (eine volle Klima- Normalperiode!) stagnieren die Temperaturen in Deutschland bei großer Streuung der Einzelwerte fast. Der Sommer (obere Gerade) erwärmte sich dabei etwas stärker als das Jahr (Mitte), während sich der Winter etwas abkühlte. Diese unterschiedliche, insgesamt aber sehr moderate Temperaturentwicklung lässt sich mit der seit 1987/88 massiv angestiegenen CO2- Konzentration nicht erklären. Um alle drei Messreihen anschaulicher in einer Grafik darstellen zu können, wurden die Winterwerte per Addition angehoben, die Sommerwerte durch Subtraktion abgesenkt. Die Schwankungen werden dadurch nicht beeinflusst.
Der „Klimasprung“ und dessen Ursachen
Nicht nur in Deutschland, auch in Zentralengland lässt sich der „Klimasprung“ erkennen. Die folgende Grafik liefert eine mögliche Ursache, die AMO, eine Wassertemperaturschwankung im zentralen Nordatlantik, gleich mit. Nach der letzten AMO- Kaltphase (Höhepunkt 1970er Jahre) setzte ab 1981 der Übergang zu einer neuen AMO- Warmphase ein:
Abbildung 2: Tendenziell ist es in AMO- Warmphasen (1930er bis 1950er Jahre und etwa ab 1990) in West- und Mitteleuropa etwas wärmer. Man erkennt den markanten Anstieg der Jahresmitteltemperaturen in Zentralengland ab 1988; der AMO- Anstieg begann nur wenige Jahre früher und verlief in den 1990er und den frühen 2000er Jahren sehr steil; doch neuerdings deutet sich wieder eine geringe Abkühlung an. Für diese und alle folgenden Grafiken mussten Indexwerte berechnet werden, um die wertemäßig sehr unterschiedlichen Messgrößen in einer Grafik darstellen zu können. Die Trends und Schwankungen blieben dabei aber erhalten.
Abbildung 3: Das längere, endbetonte Gleitmittel verlegt den „Klimasprung“ etwas nach hinten und wirkt dämpfend. Man erkennt aber den markanten Temperatursprung um 1,7 °C vom Jahr 1987 (nur 7,4°C) auf 1988 (9,1°C) dicht links des rotvioletten Pfeils. Die Jahre 1989 und 1990 waren dann mit je 9,5°C sogar um 2,1°C wärmer als 1987; ein Wert, der übrigens auch 2016 wieder erreicht wurde.
Die AMO beeinflusst aber auch die Häufigkeitsverteilung bestimmter Großwetterlagen. Am stärksten erwärmend wirken in Deutschland die Südwestlagen (Großwettertyp SW, gebildet aus der Summe der Großwetterlagen SWA und SWZ):
Abbildung 4: Ab der Mitte der 20. Jahrhunderts, besonders aber nach 1990, traten Südwestlagen viel häufiger auf, als im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Sie lösten zwar nicht den „Klimasprung“ unmittelbar aus; ihre enorme Häufung nach 1990 bewirkte aber, dass das Temperaturniveau hoch blieb.
In West- und Mitteleuropa wurde es in den vergangenen Jahrzehnten deutlich sonniger (längere Sonnenscheindauer). Als Ursachen kommen Luftreinhaltemaßnahmen (weniger Aerosole, dadurch weniger Dunst, Nebel und tiefe Wolken), die Sonnenaktivität selbst (SVENSMARK- Effekt) und verschiedenste Wärmeinseleffekte, besonders eine verminderte Verdunstung mittels Melioration, Bodenversiegelung und geänderte Landnutzung, in Betracht. Leider gibt es für die Sonnenscheindauer keine so langfristigen Flächenmittel, wie für die Lufttemperaturen. Immerhin liegt sie aber für Großbritannien bis 1929 vor. Weil die Sonnenscheindauer besonders im Sommer stark erwärmend wirkt, wird im Folgenden nur der Sommer betrachtet. Wegen der einigermaßen langen Zeitreihe wurden die 31ig- jährigen, endbetonten Gleitmittel berechnet:
Abbildung 5: Nach 1990 war die sommerliche Sonnenscheindauer insgesamt höher und hielt die Sommertemperaturen, welche aber in Zentralengland seit Mitte der 2000er Jahre stagnieren, auf einem hohen Niveau.
Ein Deutschland- Mittel der Sonnenscheindauer liegt leider erst seit 1951 vor. Die folgenden 2 Grafiken zeigen den Verlauf der jährlichen und der sommerlichen Sonnenscheindauer, jeweils in Relation zu den Jahresmittel- und den Sommertemperaturen:
Abbildungen 6 a und 6b: Mit dem „Klimasprung“ stieg auch die Sonnenscheindauer, welche besonders zwischen den 1960er und den 1980er Jahren etwas geringer war, wieder an. Besonders im Sommer wirkt eine längere Sonnenscheindauer in Deutschland stark erwärmend; sie beeinflusste die Variabilität der Lufttemperaturen seit 1951 zu fast 60%.
Kurzfristigere Betrachtungen
Seit Mitte 1979 liegt für Deutschland die beim Deutschen Wetterdienst entwickelte „Objektive Wetterlagenklassifikation“ vor, welche im Folgenden in die Betrachtungen einbezogen werden soll. Im Jahresmittel (folgende Grafik) erkennt man eine vorübergehende Häufigkeitszunahme der am stärksten erwärmend wirkenden Wetterlagen von den späten 1980er bis zu den frühen 2000er Jahren:
Abbildung 7: Während die Häufigkeit der am stärksten erwärmend wirkenden Wetterlagen ab Mitte der 2000er Jahre wieder abnahm, blieb die Sonnenscheindauer hoch.
Bei den Wetterlagen lohnt ein genauerer Blick auf den Winter. In diesem bewirkt eine Häufung der Lagen mit Westanteil, besonders der mit WA- Anteil (antizyklonal in der Höhe der 500hPa- Fläche oder am Boden oder in beiden Niveaus), immer sehr milde Witterung:
Abbildung 8: Im Winter, in dem die Sonnenscheindauer wenig bedeutsam für die Lufttemperaturen ist, nahm ab 1987/88 die Häufigkeit der stark erwärmend wirkenden Lagen mit WA- Anteil stark zu, um mit Beginn der 2000er Jahre wieder etwas zu sinken. Dieses Verhalten erklärt auch, warum die Winter seit dem „Klimasprung“ (1987/88) wieder etwas kälter wurden.
Abschließend seien noch die Verhältnisse für den Sommer gezeigt:
Abbildung 9: Seit 1980 sind im Sommer fast 66% der Variabilität der Temperaturen in Deutschland auf die Sonnenscheindauer zurückzuführen. Der kleine Einbruch der Sommertemperaturen zwischen 1996 und 2001 ging mit einer deutlichen Abnahme der erwärmend wirkenden Wetterlagen und einer leichten Abnahme der Sonnenscheindauer einher.
Stefan Kämpfe, Diplom- Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher