Hurra, wir haben das EEG-Speicherproblem in Lösung – mit Beton-Pumpspeichern! Aber…
Bild rechts: Beton-Pumpspeicher. Bild Werbebild Hochtief Solutions. Zufügung: Man beachte, dass die Wassertiefe 700 m betragen muss.
STUTTGARTER ZETUNG, 08. November 2016: Im Bodensee sollen Betonkugeln Strom speichern
Eine Betonkugel im Wasser zur Speicherung von Energie? Diese Idee wollen Forscher nun im Bodensee testen. Die Kugel mit einem Durchmesser von drei Metern wurde jetzt in Konstanz zu Wasser gelassen und mit Hilfe von Luftkissen und einem Schiff nach Überlingen gezogen.
Mit dem Bodensee selbst hat das Projekt Stensea nur wenig zu tun. Die Abkürzung steht vielmehr für Stored Energy in the Sea, zielt also auf die Speicherung von Strom im Meer ab. Dort fällt in Zukunft immer mehr Windstrom an, der beispielsweise nachts so reichlich vorhanden ist, dass er an Land keine Abnehmer hat. Dann würde es sich lohnen, ihn so zu speichern, wie dies beispielsweise in Pumpspeicherkraftwerken an Land geschieht. Ist zu viel Strom im Netz, wird bei Stensea aber kein Wasser in höher gelegene Gebiete gepumpt, sondern eine mit Wasser gefüllte Kugel geleert – und damit der Speicher gefüllt. Wird dann Strom benötigt, darf Wasser in die Kugel strömen und läuft dabei über eine Turbine, die Strom produziert – so wie bei einem Pumpspeicher Wasser vom oberen Becken ins untere fließt.
Viele Vorteile
Die Vorteile solcher Meeresspeicher liegen für die Experten auf der Hand: Sie befinden sich in der Nähe der Strom produzierenden Windräder und man erspart sich endlose Diskussionen um Standorte und notwendige ökologische Ausgleichsmaßnahmen, wie sie beim geplanten Pumpspeicher in Atdorf im Schwarzwald seit Jahren geführt werden. Allerdings muss diese Technik erst noch entwickelt und erprobt werden.
Einen großen Schritt vorwärts will nun das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik mit dem Experiment im Bodensee tun.
Mit drei Metern Durchmesser und einem Gewicht von 20 Tonnen hat die Experimentierkugel noch vergleichsweise bescheidene Ausmaße. Später sollen die Kugeln einen Durchmesser von 30 Meter haben, 10 000 Tonnen wiegen und ein Speichervermögen von 20 Megawattstunden haben, bei einer Entladezeit von vier bis acht Stunden. In der Vision der Ingenieure könnte dann eine ganze Batterie von Betonkugeln ausreichend große Speicherkapazitäten für große Windparks liefern.
Gefördert wird das richtungsweisende Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem für Wissenschaft. Ob deren Angaben zu den (angeblich geringen) Kosten nicht einer hoffnungslosen Euphorie geschuldet sind, kann leider nicht nachgeprüft werden. Die von Hochtief gebaute Elbphilharmonie (ca. 10-fache Kostensteigerung) lässt es jedoch ahnen.
BMWi, 17.10.2016: [4] Pumpspeicherkonzept StEnSEA
Die kommerziellen Zielgrößen pro Energiekugel liegen derzeit bei etwa 20 MWh (Entladezeit von 4 Stunden mit einer 5-MW-Pumpturbine) pro Speichereinheit. Bei diesen Zielgrößen liegen die Speicherkosten pro Speichereinheit im Bereich von wenigen Eurocent pro Kilowattstunde und bei leistungsbezogenen Bau- und Gerätekosten im Bereich vom State of the Art Pumpspeicherkraftwerken. Die zu Grunde gelegten Untersuchungen und Berechnungen zum Speicherinhalt gehen von einem Lade-Entlade-Wirkungsgrad von 80 bis 85 % aus.
Eine „Wissenszeitung“, angeblich für Ingenieure und „power by VDI Verlag“ kann sich vor Enthusiasmus fast nicht mehr retten:
INGENIEUR.DE: [2] Die Idee ist genial: Warum nicht Energie in riesigen, hohlen Betonkugeln am Meeresgrund speichern? Wenn die Betonkugeln standhalten und sich die Technik bewährt, könnten Offshore-Windparks mit Kugeln ausgestattet werden, die pro Stück 20 MWh speichern können.
Die Vorteile dieser Technik sind enorm: Die Pumpspeicherkraftwerke können auf die Infrastruktur der Windparks zurückgreifen und sie liegen in großen Tiefen auf dem Meeresgrund, ohne zu stören.
Komischer Weise steht in keiner der euphorischen Medienberichte, dass diese „Lösung“ in der gesamten Nord- und Ostsee nicht möglich ist, weil die Wassertiefen nicht im Entferntesten reichen. Für Deutschlands EEG-Speicherproblem fällt diese wundersame „Erfindung“ als Lösung damit schon einmal vollkommen aus.
FRAUNHOFER IWES: [3] Sicher ist, dass das Konzept erst ab Wassertiefen von ca. 600-800 Metern im Meer wirtschaftlich anwendbar sein kann.
WIKIPEDIA: Die Nordsee ist ein Schelfmeer mit einer durchschnittlichen Tiefe von nur 94 Metern. Der Meeresboden liegt größtenteils auf dem Schelf, und so steigt die Tiefe von 25 bis 35 Metern im südlichen Teil auf bis zu 100 bis 200 Metern am Kontinentalhang zwischen Norwegen und nördlich der Shetlandinseln. Der gesamte südliche Teil des Meeres ist dabei höchstens 50 Meter tief. Die Ausnahme bildet die Norwegische Rinne; an dieser tiefsten Stelle misst die Nordsee 725 Meter.
Wen interessieren jedoch solche, eine EEG-Lösung verhindernden Fakten. Der „Südkurier“ schoss den Vogel ab, indem seine Redaktion die erforderlichen Tiefen in der Nord- und Ostsee einfach mal „schnell ausbaggerte“ und schrieb:
Südkurier 27.01.2016:[1] Strom aus der Betonkugel auf dem Seegrund
… Und später irgendwo in 700 Metern Wassertiefe in der Nordsee oder Ostsee mit vielen weiteren Kugeln für ein stabiles Stromnetz sorgen.
Man muss nicht alles Wissen im Kopf haben, aber nicht einmal googeln können und damit eine Redaktion bestücken, zeigt vielleicht den Einfluss der im Ländle durchgeführten Schulreform, auf jeden Fall aber nicht seriöse Information.
Zum Schluss soll noch kurz abgeschätzt werden, was man für Deutschlands Offshore-Windanlagen benötigen würde, sofern die Nordsee zufällig hinter den Offshore-Windparks steil auf 700m Wassertiefe abfallen würde. Deutlich sieht man, dass der Betonlieferant wohl das größte Geschäft machen könnte.
Deutschlands Offshore-Windparks
Im Jahr 2016 installierte Anschlussleistung: 3552 MW
Speichervolumen einer 10.000 t Kugel: 20 MWh (falls die Kugel vorher leer war)
Benötigte Anzahl Speicherkugeln für 1 h Speicherung: 178 Stück
für 24 h Speicherung: 4260 St (42.624.000 t Beton)
für 2 Wochen Speicherung: 60.000 St (600.000.000 t Beton)
Ja nach „Leerstand“ der Kugeln entsprechen multiplizieren. Rechnet man im Mittel mit 50 %, reicht Verdoppeln.
Quellen
[1] Südkurier 27.01.2016: Strom aus der Betonkugel auf dem Seegrund
http://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis-oberschwaben/ueberlingen/Strom-aus-der-Betonkugel-auf-dem-Seegrund;art372495,8475988
[2] INGENIEUR.DE, 26.04. 2016: Betonkugeln im Bodensee sollen Windstrom speichern
http://www.ingenieur.de/Themen/Energiespeicher/Betonkugeln-im-Bodensee-Windstrom-speichern
[3] FRAUNHOFER IWES: StEnSEA – Stored Energy in the Sea
http://www.energiesystemtechnik.iwes.fraunhofer.de/de/projekte/suche/laufende/stensea-storing-energy-at-sea.html
[4] BMWi, 17.10.2016: Pumpspeicherkonzept StEnSEA: Kugelpumpspeicher unter Wasser
http://forschung-energiespeicher.info/projektschau/gesamtliste/projekt-einzelansicht/95/Kugelpumpspeicher_unter_Wasser/