Verkehrswende ins Nichts
Die umweltgerechtere Form der Fortbewegung zum E-PKW gibt es seit langem in Form von Eisen- und Straßenbahn, die insbesondere in Ballungsgebieten ökologisch erste Wahl sind. Obwohl bewährt und kostengünstig, werden beide politisch stiefmütterlich behandelt. Von der Straße auf die Schiene – das war einmal. Die Deutsche Bahn, wohlgemerkt ein Staatskonzern, schließt 215 Güterbahnhöfe. Die Bahn zahlt die volle EEG-Umlage, was auch zum Preisanstieg bei Bahntickets um fast 100 Prozent seit 2000 beitrug. Im Ergebnis sehen wir viele Fernbusse, auch der Deutschen Bahn. Sie wirbt für die Verbindung Berlin – Rostock für 9 Euro. Da kann der Kollege auf der Lok nur traurig hinterherschauen. Flixbus erhöht den Takt und fährt künftig alle 20 Minuten Berlin – Hamburg, insgesamt 50 Busse am Tag ohne Maut.
Zahlreiche Straßenbahnbetriebe in kommunaler Hand darben und können meist nur durch die Quersubventionierung und steigende Fahrpreise am Leben bleiben. Beim ÖPNV stiegen die Preise im gleichen Zeitraum um 73 Prozent, die Schuhpreise nur um 9 Prozent. Nur mal als Tipp.
Es bleibt einer offenbar desorientierten Regierung überlassen, das Steuersäckel aufzumachen, um dem besser gestellten Teil der Bevölkerung, der überhaupt die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs in Erwägung ziehen kann, unter die Arme zu greifen. Im Vergessen darüber, dass weder das Automobil selbst, noch die Braunsche Röhre oder der Transistor irgendwelcher Subventionen bedurften, um sich durchzusetzen, wird wieder mit administrativer Brachialgewalt und unter Verschwendung von Bürgergeld versucht, eine Wunschtechnologie zur Marktreife durchzusubventionieren.
Berta Benz holte bei ihrer ersten Überlandfahrt unterwegs das Benzin aus der Apotheke. Auf die Idee, über ein Henne/Ei-Problem beim Tanken zu schwadronieren, kam sie einfach nicht. Die Tankstellen kamen von allein, weil es sich rechnete. Aber aus Erfahrung ist in der Politik offenbar wenig Weisheit zu ziehen.
Nun hilft seit Anfang Juli die Bundesregierung kräftig mit Geld nach, das Millionenziel bis 2020 soll nicht ganz blamabel verfehlt werden. Für 300.000 bis 400.000 Stromer, die durchaus Fahrvergnügen bereiten, soll der Topf reichen. Auch aufwändige Fahrzeuge wie Stecker-Hybrid-Modelle werden gefördert. Beeilen muss man sich nicht, denn nach drei Monaten sind erst 4.551 Anträge gestellt, es ist noch genug Geld im Topf. Alle Auflagen an die Hersteller werden ins Leere laufen, wenn die Kunden nicht wollen.
Aber warum ist die Regierung so großzügig? Das Emissionsargument kann es nicht sein. Ja, die Stromer fahren örtlich emissionsfrei, in der Bilanz spielt jedoch der deutsche Strommix eine Rolle. Und der führt dazu, dass ein E-Smart mehr Emissionen verursacht als ein Diesel-Smart. Berücksichtigt man den höheren Energieaufwand für die Herstellung der Stromer, muss dieser erst mal hunderttausend Kilometer fahren, um das CO2-Äquivalent eines vergleichbaren Benziners zu erreichen. Sicher wird der Anteil des regenerativen Stroms im Netz zunehmen, aber zumindest nachts, wenn die Fahrzeuge üblicherweise geladen werden sollen, steht die Solarenergie nicht zur Verfügung.
Es wäre interessant zu erfahren, wie viele der 4.551 Anträge einen Zweitwagen zum Ziel haben und eher dem Renommee dienen sollen. Auch sie binden öffentlichen Verkehrsraum. Seit in Norwegen Elektro-PKW steuerfrei sind und obendrein gratis tanken dürfen, fahren weniger Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und die Straßen sind voller.
Die EU zieht auch mit und arbeitet an einer Verordnung, die jedem Bauherrn eine Ladesäule vorm Haus zwingend vorschreiben soll. Bei Mehrfamilienhäusern je eine Säule für zehn Mieter. War mal die Rede von Wohnungsmangel, zu hohen Baupreisen und zu viel Regulierung am Bau? Ministerin Hendricks bemerkt , dass für junge Leute 30 Quadratmeter Wohnfläche ausreichen, also alles halb so wild.
Der Bund und fast jedes Bundesland haben seit zirka 20 Jahren Geld für Forschung, Versuche und wissenschaftliche Begleitung ausgegeben. Auf der Insel Rügen zum Beispiel wurden bei einem Flottenversuch 1992 bis 1995 sechzig LKW, Busse, Transporter und PKW getestet, für schlappe 40 Millionen D-Mark. Zu dieser Zeit war die Euphorie groß. Zum Verbleib der Fahrzeuge gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.
Mercedes Benz kündigte an, 2003 den ersten reinen E-Wagen der A-Klasse zu präsentieren, allgemein ging man davon aus, dass Brennstoffzellenfahrzeuge etwa 2010 massentauglich sein würden. Viele Jahre und viele Millionen Subventionsgeld später nun erneut der Versuch, diesmal mit richtig viel Kohle, eine eben noch nicht marktgängige Technologie politisch zu pushen. Politik ist Tagesgeschäft und vorausschauendes Denken wird zugegebenermaßen vom Wähler schlecht honoriert.
Zeit und Geld sind relativ, wie wir jedes Jahr am BER erfahren. Und so schwanken die Entscheidungen von der (umweltschädlichen) Abwrackprämie 2009 über den Versuch der Ausländermaut und die Einführung der Gigaliner bis zur Subvention für die Stromer. Ergebnisse sind der Fernbusboom, die Verkehrsverlagerung von Schiene und Fluss auf die Straße, verfallende Straßen und Schienen und die augenfällige Zunahme an SUV im Straßenbild. Diese panzerähnlichen Fahrzeuge, die vor Jahren noch unter das Kriegswaffenkontrollgesetz gefallen wären, stehen symbolisch für eine Verkehrswende in die falsche Richtung, hervorgerufen von einer politischen Laienspielgruppe, der der Wähler zu viel zutraute.
Und so stehen sie früher oder später alle im Stau: Der LKW, der Fernbus, der Gigaliner, der Benziner, der Diesel, der SUV und der Stromer.