Das EEG und die Hütchenspieler
Ungefähr so, wenn ein Bäcker einen Ausgleich forderte, weil er doch so viele schöne Brötchen gebacken hat, die aber niemand will, weil alle schon genügend haben.
Diese EEG-Förderung war der Anreiz, Windanlagen zu bauen und Photovoltaikanlagen auf die Dächer zu setzen. Ein Mensch, der noch bei Trost ist, würde das niemals tun, denn es rechnet sich nicht – es sei denn, er wird mit einem Haufen Geld gelockt.
Also entstanden zuerst an den Küsten unüberschaubare Wälder von Windanlagen, Bauern bastelten sich Photovoltaikanlagen auf ihre großflächigen Stalldächer, und grüne Lehrer und Zahnärzte quetschten noch auf den letzten Dachziegel Photozellen. Und alle pumpen nun Strom in die Netze. Da lacht das Herz des Energiewendegewinnlers, das des Stromverbrauchers bekommt Rhythmusstörungen, weil die Kosten in astronomische Höhen klettern.
Denn der Strom kommt dann, wenn es Sonne und Wind gefallen, aber nicht immer dann, wenn er in einer Industriegesellschaft tatsächlich benötigt wird. Er kommt zudem manchmal in solch rauen Mengen, dass die deutschen Übertragungsnetzbetreiber nicht mehr wissen, wohin damit.
Eine gern genommene Lösung: ins Ausland transportieren. Seht doch, freuen sich unbedarftere Naturen, wir haben doch schon so viel grünen Strom, dass wir sogar schon Exportnation geworden sind! Unter Exportnation hatte man früher zwar etwas anderes verstanden, nicht, dass der Exportierende dem Empfänger noch eine gehörige Mitgift mitgibt, damit der den Strom überhaupt annimmt.
Aber nur so funktioniert Stromtransfer in Deutschland. Der Muttertag in diesem Jahr war ein solches Beispiel: Ein schöner Tag mit blauem Himmel, viel Sonne und an den Küsten viel Wind, aber wenig Bedarf, weil nun mal die Fabriken ruhten. Es gab so viel Strom, dass an diesem Tag 352 GWh Strom verschenkt werden mussten. Obendrein gab es noch die satte Summe von 21,3 Millionen €, damit die beschenkten Länder auch bereit waren, das Stromgeschenk anzunehmen. Das alles im Rahmen des EEG zu Lasten aller Stromverbraucher.
Solche Konstellationen treten immer wieder auf. Eine Folge: In den Niederlanden und in Österreich sinken die Preise für Strom drastisch, weil sie bei uns steigen. Andere Nachbarländer wie Polen sperren ihre Stromgrenzen bereits mit Phasenschiebern ab, damit ihre Netze nicht mit überflüssigem deutschen Strom geflutet werden. In Österreich sinnt man auf Abhilfe gegen den ›Stromimperialismus‹.
Auf der Hand liegt, dass dieser Wahnsinn eine Menge Geld kostet. Das deckt sich mit dem, was schon früh Koryphäen wie Ernst Ulrich von Weizsäcker und SPD-Politiker wie der verstorbene Hermann Scheer forderten: Energie muss teuer werden. Unvergessen der ehemalige Obergrüne Joschka Fischer mit seiner Forderung, fünf Mark solle ein Liter Benzin kosten.
Zwei Jahre, nachdem 1998 die Grünen an die Macht gekommen waren, begann der Strompreis nach oben zu steigen.
Festgelegt ist das Ganze im Erneuerbare-Energie-Gesetz EEG, das mit dem damaligen grünen Umweltminister Trittin 2000 beschlossen wurde. Das war zugleich Freudenfest für all diejenigen, denen satte Gewinne in die Kassen gespült wurde. Der Mitbegründer der Grünen zum Beispiel, Frank Asbeck, hat es in der Folge mit seiner Firma Solarworld gar zu zwei Schlössern gebracht.
Jede Fortschreibung des EEG löste weitere Kostenlawinen aus. Insgesamt sollen die deutschen Stromverbraucher im kommenden Jahr die wahnsinnige Summe von 29,5 Milliarden Euro für »Ökostrom« bezahlen, hat die Bundesnetzagentur gerade prognostiziert. So hoch dürften die Ansprüche aller Photovoltaik- und Windstromerzeuger auf Vergütung ausfallen.
Dem würden voraussichtlich, so die Agentur weiter, Einnahmen aus dem Verkauf des Stromes von 4,7 Milliarden Euro gegenüberstehen. Eine ordentliche Differenz, die bezahlt werden muß.
Deshalb wurde ein kompliziertes Geflecht aus verschiedenen Kosten aufgebaut. Der Endpreis des Stromkunden setzt sich aus vielen einzelnen Elementen zusammen. Neben der Umlage gehören dazu vor allem die Unkosten der Energieanbieter für den Einkauf des Stroms an der Börse und den Vertrieb, verschiedene Steuern und die Ausgaben rund um den Betrieb der Netze.
Die wahren Kosten der »Energiewende« können so wunderbar verschleiert werden. Denn die erschließen sich erst, wenn man die Gesamtbelastung aller Zahlungsverpflichtungen für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt zusammenzählt. Die erstrecken sich über sage und schreibe 20 Jahre und gelten selbst dann, wenn morgen alle neuen Photovoltaik- und Windanlagen gestoppt würden.
Michael Limburg und Fred F. Müller haben das in ihrem Buch »Strom ist nicht gleich Strom« getan. Für das Jahr 2016 haben sie eine Gesamtverpflichtung pro Vier-Personen-Haushalt von 23000 Euro ausgerechnet, bei »unveränderter Weiterführung der aktuellen Energiewendepolitik wird sich dies bis zum Jahre 2020 auf mehr als 32000 Euro erhöhen«.
In diesen horrenden Kosten sind noch nicht all jene Summen enthalten, die zum Beispiel über Netzgebühren abgerechnet werden und für den Stromkunden nicht sichtbar auftauchen.
Peinlich wird es, wenn die Energiewendenvorreiter das hehre Wort »Wettbewerb« im Munde führen und die Stromkunden auffordern, sich unter verschiedenen Anbietern den günstigsten auszusuchen. Es gebe ja einen »Markt«. Die Unterschiede muß der Kunde mit der Lupe suchen, denn beim Strompreis sind fast 90 Prozent festgelegt. Es nutzt dem Stromverbraucher also nicht viel, den Stromanbieter zu wechseln, denn damit kann er nur einen geringen Teil der Kosten beeinflussen.
Der Strompreis am Spotmarkt schwankt. Der Effekt: Strom ist im Einkauf mit 8,4 und elf Cent nicht so teuer. Stromkunden bezahlen aber horrende Preise bis zu 30 Cent pro Kilowattstunde. Unter welchem Hütchen bleibt der Rest?
Die Verbraucher wundern sich, da leistet die Lobby Interpretationshilfe:
»Kaum ein Baustein der deutschen Energiewende gerät so oft und so massiv ins Feuer der Kritik wie sie: Zu teuer, zu ungerecht verteilt, zu nachteilig im internationalen Wettbewerb – ob in Politik oder Wirtschaft, bei Verbraucherschützern oder Medien – überall regt sich Unmut über die EEG-Umlage.« Das hat das Organ »neue energie« festgestellt (10/2016).
Sie sei ein Preistreiber, der entscheidend dazu beitrage, Energie für manche Menschen in Deutschland unbezahlbar zu machen, so einer der Hauptvorwürfe gegen die Abgabe, die Stromkunden auf ihrer Rechnung wiederfinden.
Doch das Thema sei vom Tisch, wird der Kommunikationschef von Agora Energiewende, Christoph Podewils, zitiert: »Im Grunde ist die Umlage kein Aufregerthema mehr.“
»Der Kostenposten sei vergleichsweise transparent, gut kalkulierbar und in seiner Wirkung längerfristig gesehen überschaubar.«
Die Dummerchen unter den Verbrauchern hätten nur nicht begriffen, daß die EEG-Milliarden nur ein Schätzwert seien.
Die Zeitschrift neue energie klärt auf: »Die Übertragungsnetzbetreiber ermitteln ihn, indem sie ihre voraussichtlichen Gesamtkosten für die Vermarktung des Erneuerbaren-Stroms – im Wesentlichen die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgeschriebenen Auszahlungen an die Ökostromerzeuger – mit dem Erlös verrechnen, den sie für den grünen Strom im nächsten Jahr am Spotmarkt, der tagesaktuellen Strombörse, zu erzielen hoffen.«
»In einem überdurchschnittlich sonnigen und windreichen Jahr wird auch überdurchschnittlich viel Ökostrom ins Netz eingespeist, der vergütet werden muss. Schwächelt gleichzeitig die Konjunktur, benötigt die Industrie weniger Strom. Beides zusammen erhöht die Kosten, die per EEG-Umlage auf jede Kilowattstunde aufzuschlagen sind.«
»Wegen solcher Unwägbarkeiten haben wir unsere Prognose für 2017 mit einer gewissen Unschärfe von 0,2 Cent angegeben“, erläutert Podewils dankenswerterweise.
»Die Erhöhung der EEG-Umlage bekomme der Bürger daher »nur gedämpft“ zu spüren. Die »ehrlichste und für Verbraucher aussagekräftigste Zahl« sei die Summe aus Börsenstrompreis und EEG-Umlage, befindet auch Christoph Podewils von Agora Energiewende. »Sie blieb in den letzten Jahren ungefähr konstant«.
»Selbst wenn die Kosten für die EEG-Umlage sinken, muss das nicht allen Haushalten in Deutschland zugutekommen. Erzeugen etwa Windräder mehr Strom, als das Netz verkraften kann, sind die Betreiber laut Gesetz verpflichtet, ihre Anlagen zu drosseln. Für einen Teil der finanziellen Verluste, die ihnen dadurch entstehen, erhalten sie eine Entschädigung. Dieses Geld wird aber nicht aus dem Topf der EEG-Umlage gezahlt, sondern über die Abgaben fürs Stromnetz, die Netzentgelte.«
Neue energie spendet Trost: Ab 2023 erhalten Windparks auf hoher See keine hohe Anfangvergütung mehr. Und ab 2030 würde die Mehrzahl der Solaranlagen nicht mehr gefördert werden. Kunststück, wenn die Dächer bereits voll sind und die ersten Anlagen als teurer Sondermüll entsorgt werden müssen.
Die zahlreicher werdenden Photovoltaik- und Windanlagen allerdings machen die Stromversorgung unsicherer denn je. Ohne die wenigen verbliebenen konventionellen Kraftwerksblöcke hätten wir vermutlich keine einigermaßen funktionsfähige Stromversorgung mehr. Sie stabilisieren noch einigermaßen die Netze.
Ob das den grünen Stromerzeugern klar ist, dürfte fraglich sein: »Nachhaltiger wäre es nach Ansicht von Erneuerbaren-Spezialisten, den Börsenstrompreis zu erhöhen und damit die Lücke zur Einspeisevergütung zu verkleinern, die das Umlagekonto überbrücken muss. Entweder, indem man den Kohlendioxid-Ausstoß verteuert und so die Kosten für die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl oder Gas erhöht. Oder indem man alte Kohlekraftwerke vom Netz trennt, um das Überangebot an der Strombörse zu vermindern.«
Die Bundesregierung sagt nach außen interessanterweise nicht, wie schnell Deutschland aus der Kohle aussteigen wird. Im kürzlich veröffentlichten Klimaschutzplan 2050 steht jedenfalls nichts Konkretes dazu drin.
Der Unmut der Stromzahler jedenfalls ist bis in den Politikstuben zu hören. Deshalb soll das EEG Gesetz geändert werden. Die Einspeisevergütung soll zum Beispiel dann nicht mehr bezahlt werden, wenn die Spotmarktpreise mehr als sechs Stunden negativ sind.
Schon beschweren sich Solar- und Windanlagenbetreiber: Uns werde die Vergütung für gelieferten Strom vorenthalten! Allerdings ist das Strom, den niemand benötigt, jedenfalls nicht zu dieser Zeit.
Ein Bäcker pflegt in der Regel auch niemanden verantwortlich zu machen, wenn er viele schöne Brötchen geliefert hat, die aber niemand kauft, weil sie schon genügend haben. Nicht so unter den planwirtschaftlichen Regeln in der neuen bunten Energiewelt: Hier kann er weniger Brötchen verkaufen und sich den »Verlust« gut bezahlen lassen.
Ein besonders schöner Euphemismus ist der Begriff »Bürgerenergieprojekt«. Der hört sich so schön umweltfreundlich an; alle Bürger stehen dahinter, es ist in ihrem Interesse, wenn ihnen das Geld aus der Tasche gezogen wird. Dafür erhalten, spendet Patrick Graichen Trost, der Direktor von Agora Energiewende, die Verbraucher »gleichzeitig für ihr Geld mehr grünen Strom«. Schönes Bild für ein naturwissenschaftlich zunehmend unfähigeres Deutschland, wie die grünen Elektrönchen durch die Leitungen rasen.
Als Peter Altmeier Umweltminister wurde, holte er tief Luft, nahm all seinen Mut zusammen und redete schwitzend über eine Begrenzung des Strompreises. Aus der Ecke der Solar- und Windanlagenbetreiber kam sofort der heftige Aufschrei: Es sei die Industrie, die sich in erheblichem Umfang von den EEG-Umlagen freistellen ließe. Die bezahlt ab einer bestimmten Grenze keine EEG-Umlage, um überhaupt noch einigermaßen konkurrenzfähig zu sein. Diese »Fehlbeträge« müßten, natürlich, von allen Stromverbrauchern bezahlt werden, so die Ökolobby.
Die Mechanismen der EEG-Umlage sind reichlich verworren und schwer durchschaubar. Fest steht, daß dabei auch der Staat über diverse Steueranteile kräftig mit verdient.
Aber immerhin: Die »grünen« Stromerzeuger haben etwas in der Geschichte Einmaliges vollbracht:
Der Stromverbraucher muß für etwas bezahlen, das es nicht gibt, nämlich für jenen »grünen« Strom, der gar nicht erst erzeugt wird, weil in die Netze wirklich nichts mehr hineinpaßt oder – noch besser – weil noch keine Leitungen gebaut wurden, um den Strom abzutransportieren. Doch den Betreibern dieser Anlagen wurden 20 Jahre Einnahmen garantiert – ob sie Strom liefern oder nicht.
Da werden sogar die albanischen Hütchenspieler neidisch.
Der Beitrag erschien zuerst bei Tichys Einblick hier