IGBCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis: Begreift er die Gefahr durch die Energiewende– oder begreift er sie nicht?
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) wird seit 2009 von Michael Vassiliadis geführt. Er gilt als der Besonnene, Ausgleichende unter den Gewerkschaftsführern. Nicht zufällig sind die Wirtschaftszweige, deren Arbeitnehmern seine IGBCE vertritt, alle in hohem Maße und negativ von der Politik des Klimaschutzes u. a. über die Energiewende betroffen. Hoch wertschöpfende Arbeitsplätze wurden und werden in Massen abgebaut, wie z. B. im Energiebereich, oder nicht ersetzt, wie in der Chemie. Zu alldem hörte man von der IGBCE wenig bis nichts. Es kam kaum Widerspruch, als man für den Klimaschutz seitens der Regierung den Tod der Braunkohleverstromung beschloss. Als der dann auf Druck der Beschäftigten im Braunkohletagebau doch noch kam, und die Mitarbeiter in Massen demonstrierten, ließ man sich wenige Monate später den Protest mit ein paar Millionen, die den Versorgern als Gewinnausgleich zugesagt erhielten, billig abkaufen.
Wegen dieser Ausgangslage mutet der folgende Briefwechsel zwischen Dr. Dietmar Ufer und Michael Vassiliadis IGBCE seltsam an. Erst ermutigend, dann aber zunehmend frustrierend.
Den Anfang machten mehrere Interviews, in denen Michael Vassiliadis sich mit der deutschen Energiepolitik auseinandersetzte (z. B. in der Leipziger Volkszeitung vom 14./15. Mai und in den VDI nachrichten vom 13. Mai 2016). Darin verurteilt Michael Vassiliadis auch die gewaltsamen, extremistisch-kriminellen Randalen von Kohlegegnern im Tagebau Welzow und im Kraftwerk Schwarze Pumpe. Und zur „Energiewende“ stellte er richtig fest, dass durch das Abschalten sowohl der Kernkraftwerke (einmalig in der Welt!) als auch der Braunkohlenkraftwerke mit einer Versorgungslücke zu rechnen ist. Er konstatierte auch völlig korrekt, dass ein Industrieland wie Deutschland seine Elektroenergieversorgung nicht (nahezu) ausschließlich mit Hilfe der volatilen Wind- oder Solarenergie bewerkstelligen kann.
Wegen dieser heutzutage schon mutig erscheinenden Äußerungen schrieb im Dietmar Ufer am 3.6.16 einen ausführlichen Brief (siehe Anlage), der die Problematik von Grund auf sehr ausführlich beschrieb und mit den Worten endete:
…Ich weiß, dass es für einen deutschen Politiker schwierig (oder sogar unmöglich?) ist, derartig radikal klingende, zugleich aber sehr vernünftige Forderungen zu erheben. Aber wer unter unseren Politikern hat den Mut, den Bürgern die Wahrheit über die „Energiewende“ sagen? Wenn Sie es tun, dann würden Sie sich große Verdienste um die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung unseres Landes erwerben. Nicht nur die Mitglieder der IG BCE würden es Ihnen danken!
Ich wünsche Ihnen für Ihre gewerkschaftliche Arbeit weiterhin Erfolg
und grüße Sie freundlich
Ihr
Dietmar Ufer
Und einige Tage später kam von Herrn Vassiliadis eine ausführliche Antwort, teils zustimmend z. B. bezüglich der Feststellung zu den (nicht vorhandenen) Speichern, teils ablehnend in Bezug auf die von Ufer bestrittene Notwendigkeit des „Klimaschutzes“, bei dem Vassiliadis seinen unverbrüchlichen Glauben an das IPCC und seine Klimamodelle kundtat und damit auch expressiv verbis die Energiewende als zwingende Notwendigkeit anerkannte. Allerdings hätte er sie gern etwas langsamer. So schrieb er:
…Ihre technischen Ausführungen kann ich an vielen Stellen nachvollziehen, auch wenn ich zu anderen Konsequenzen komme als Sie. So teile ich Ihre Berechnung des Speicherbedarfs. Die
IG BCE fordert, um zwei Wochen Dunkelflaute auch bei industriellem Wachstum sicher überbrücken zu können, sogar 30 TWh Speicherkapazität. Dass deren Aufbau lange dauern und sehr viel Geld kosten wird, weiß ich.
Selbstverständlich ist das alles nur notwendig, wenn wir unsere Energieerzeugung langfristig auf erneuerbare Energien umstellen.
An diesem Punkt stehen wir auf unterschiedlichen Grundlagen: Sie behaupten, einen wissenschaftlich nachweisbaren Zusammenhang zwischen Kohlendioxid-Emissionen und Änderungen des Klimas gibt es nicht. Ich leugne den anthropogen verursachten Klimawandel nicht, sondern betrachte die Berichte des Weltklimarats der Vereinten Nationen als wissenschaftlich seriöse Basis für klimapolitische Entscheidungen.
Ich halte die Energiewende von der Kernenergie zu Erneuerbaren über eine lange Brücke aus Kohle und Gas für notwendig und möglich. Sie muss in vieler Hinsicht besser mit innovationsförderliche Politik, mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernisse verzahnt und gerechter finanziert werden, aber wir können nicht die Augen vor dem Klimawandel verschließen, es gibt keinen Weg zurück zur Energiewirtschaft von gestern. Daher frage ich nicht nach dem Ob, sondern nach dem Wie der Energiewende.
Die IG BCE fördert und unterstützt eine wirtschaftlich vernünftige und sozial gerechte Energiewende als einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft.
Wir wollen, dass Unternehmen und ihre Beschäftigten die Energiewende mit Innovationen zum Erfolg führen, und fordern dazu von der Politik förderliche Rahmenbedingungen.
Auf dieser Grundlage üben wir Kritik an jeder Klima- und Energiepolitik, die den Erfolg der Energiewende gefährdet, und sind andererseits gerne zum Dialog über den besten Weg, auf dem die Energiewende gelingen kann, bereit.
Offensichtlich ist auch Herr Vassiliadis völlig in den Dogmen der Kirche der globalen Erwärmung gefangen, denn er erkennt die daraus abgeleitete Notwendigkeit das „Klima zu schützen“ uneingeschränkt an. Und ist deshalb sogar bereit seine bisherige Gefolgschaft für den Klimaschutz zu opfern, ist sich aber dessen offenbar nicht bewusst. Denn anders kann man diesen Satz nicht verstehen:
Die IG BCE fördert und unterstützt eine wirtschaftlich vernünftige und sozial gerechte Energiewende als einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft.
Die Opferung der Jobs muss aber, das ist seine wirkliche Bedingung, „sozial gerecht“ erfolgen. Eventuell hofft Vassiliadis aber auch darauf, dass eine neue Gefolgschaft aus den Arbeitnehmern der „Erneuerbaren“ entsteht, sozusagen das Ersatzpersonal für die verschwindenden Jobs der klassischen Wirtschaftszweige, die in Deutschland dem Untergang geweiht sind. Das dürfte dann aber, wenn es denn klappt, eher zu einer Mikrogewerkschaft führen, denn mit der Beschäftigtenzahl in den IGBCE relevanten Bereichen bei den „Erneuerbaren“ ist es nicht weit her. Die Regierung errechnet zwar rd. 280.000 Jobs in 2014. Legt man andere, realistischere Rechenmodelle zugrunde, dann sind es bestenfalls rd. 80.000. Das sind nur 12 % der IGBCE- Mitgliederzahl von 2013.
Denn, dass die Energiewende niemals „wirtschaftlich vernünftig“ sein kann, müsste eigentlich auch einem Michael Vassiliadis einleuchten, der ja mal zum Chemielaboranten ausgebildet wurde. Da stehen nun mal diverse, von der Natur errichtete, nur unter Inkaufnahme extrem hoher Kosten überwindbare Schranken davor. Und davon sind die rd. 1,2 Billionen €, die eine genügend große Anzahl von Pumpspeicherwerken kosten würden, noch der geringste Posten. Von der fehlenden Topologie mal ganz abgesehen.
Und deswegen schrieb ihm Dietmar Ufer einen weiteren sehr ausführlichen Brief und ging dabei auf alle oben genannten Punkte ein. (Siehe pdf-Anlage)
Darin steht u.a.
…Sie beziehen sich auf das IPCC, den „Weltklimarat“, dessen Berichte Sie „als wissenschaftlich seriöse Basis für klimapolitische Entscheidungen“ betrachten. Aber auf keiner der vielen tausend Seiten der IPCC-Berichte findet sich auch nur ein einziger naturwissenschaftlich exakter, messtechnisch belegter Nachweis für einen solchen Zusammenhang. In den Naturwissenschaften ist es spätestens seit Isaac Newton üblich, dass wissenschaftliche Theorien experimentell und messtechnisch verifiziert werden müssen. Wenn das nicht möglich ist, dann bleiben diese Aussagen Hypothesen oder bloße Spekulationen. Es genügt ein einziger exakter Gegenbeweis, um scheinbar festgefügte Theorien zu stürzen! Offenbar gilt dieses naturwissenschaftliche Prinzip beim Treibhaus-Effekt der Klimaforscher nicht mehr, was bedeutet, dass es sich hier nicht um eine Naturwissenschaft handeln kann!…
…und weiter
Noch schlimmer: Es wird suggeriert, dass man die Klimaentwicklung auf Zehntelgrade genau („nicht mehr als 1,5 bis höchstens 2,0 Grad Erwärmung“ – siehe Klimakonferenz von Paris) manipulieren könne, ähnlich wie das mit einer Handbewegung bei der Gasheizung in der heimischen Wohnung möglich ist. Schon viele bekannte Wissenschaftler haben festgestellt, dass derartige Zielstellungen unsinnig sind. Zwei Beispiele:
– Prof. Horst Malberg, ehem. Direktor des Instituts für Meteorologie der FU Berlin: "Wie ideologisch vermessen muss man sein, um der Natur ein ‚2-Grad-Ziel‘ vorzugeben.“ (Beiträge zur Berliner Wetterkarte, 28.9.2010, 58/10, SO 26/10, http://www.Berliner-Wetterkarte.de)
– Prof. Dr. Hans von Storch (GKSS Hamburg): “Zwei Grad ist eine politische, eine sinnlose Zahl. Ich halte das für Verarschung“ (DIE ZEIT, 20.8.2009, S. 29)
Sie schreiben, dass wir die Augen nicht vor dem Klimawandel verschließen können. Wer tut das? Das Klima wandelt sich solange es die Erde gibt. Unzählige Forschungsergebnisse belegen das. Für einen kausalen Zusammenhang zwischen dem CO2-Gehalt der Atmosphäre und der Temperatur gibt es allerdings noch nicht einmal statistische Belege…
Und auch…
Bitte beachten Sie noch folgende Fakten: Mit rund 760 Mt machten die CO2-Emissionen Deutschlands im Jahr 2013 knapp 2,4 Prozent der Gesamtemissionen der Erde (32.190 Mt) aus. Die Emissionen der Volksrepublik China waren im gleichen Jahr 11,8 Mal so groß (8.977 Mt) wie die deutschen. Würde Deutschland komplett auf das CO2 „verzichten“, so könnte man damit gerade einmal den chinesischen Emissionszuwachs von ein bis zwei Jahren kompensieren. Die Auswirkungen auf die Gesamt-CO2-Bilanz der Erde, wären unerheblich, liegen innerhalb der Fehlergrenzen. Und dafür sollen wir in Deutschland Billionen Euro ausgeben und unsere Energiewirtschaft und damit die Volkswirtschaft in den Ruin führen? Dafür sollen nicht nur tausende Braunkohlenkumpel, sondern hunderttausende Menschen in der Industrie ihren Job verlieren?
So weit meine (sehr kompakten) Ausführungen zur „Klimapolitik“, aus denen hervorgehen dürfte, dass deren Kern primär ideologischer und nicht naturwissenschaftlicher Art ist….
…. Sie schreiben über eine „langen Brücke“ von der Kernenergie zu den „Erneuerbaren“, die Sie für „notwendig und möglich“ halten. Sie kennen doch die Pläne der Bundesregierung, speziell die Ihrer Parteifreundin Bundesumweltministerin Hendricks über den weitgehenden Ausstieg aus fossilen Energieträgern bis spätestens Mitte des Jahrhunderts. Wie lang soll denn eine solche „Brücke“ sein? Und wie soll das Terrain am Ende der Brücke aussehen? Kostengünstig (= international wettbewerbsfähig) und sozial verträglich, zuverlässig und umweltfreundlich? Welche Vorstellungen haben Sie und die IG BCE dazu? Es reicht durchaus nicht, dazu lediglich „von der Politik förderliche Rahmenbedingungen“ zu fordern. Seit Jahren wissen Kenner der Materie, dass die Politik keine konkreten Vorstellungen dazu hat und auch nicht in der Lage ist, solche zu entwickeln!
Ich gebe Ihnen völlig Recht mit der Aussage „Es gibt keinen Weg zurück zur Energiewirtschaft von gestern.“ Nur sagen Sie bitte, wer das will? Sind moderne Braunkohlenkraftwerke, wie beispielsweise Lippendorf oder Schwarze Pumpe, Technik „von gestern“? Dasselbe gilt für hocheffektive Gaskraftwerke und nicht zuletzt für Kernkraftwerke, deren technische Weiterentwicklung in Deutschland sogar gesetzlich untersagt wurde! Ingenieure der ganzen Welt haben jahrzehntelang daran gearbeitet, eine zuverlässige Stromversorgung mit modernen Kraftwerken aufzubauen. Und das alles soll mit dem Prädikat „VON GESTERN“ zugunsten von volatilen Energiequellen wieder weggeworfen werden? …
Und endet mit dem Appell
…. Bitte seien Sie sich der großen Verantwortung voll bewusst, die Sie persönlich und mit Ihnen die Mehrheit der Politiker (aller Bundestagsparteien) tragen! Sie wissen, dass auch Ihre Stimme als Vorsitzender der IG BCE sehr einflussreich ist! Man muss sich darüber im Klaren sein: Von energiepolitischen Entscheidungen der nächsten Zeit hängt die Zukunft unseres Landes und damit das Schicksal von Millionen Bürgern ab! Es ist nicht erst „Fünf vor Zwölf“!
Sehr geehrter Herr Vassiliadis, natürlich würde ich mich sehr freuen, von Ihnen eine Antwort auch auf diesen Brief zu erhalten. Allerdings bin ich mir völlig darüber im Klaren, dass Sie meiner Bewertung der deutschen Energie- und Klimapolitik nicht zustimmen werden, besser: nicht zustimmen können – ganz egal, mit welchen Argumenten ich Sie zu überzeugen versuche. Sie würden sonst aus der Riege der überwiegenden Mehrheit führender deutscher Politiker herausfallen. Ich wäre sehr froh, wenn ich mich irren würde…
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
(gez.) Dietmar Ufer
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