Studie: Grönländischer Eisschild bewegt sich inzwischen langsamer als während der letzten 9000 Jahre
Bild rechts: Die mittlere Geschwindigkeit der Bewegung des grönländischen Eises während der letzten 9000 Jahre (link), dessen gegenwärtige Geschwindigkeit (Mitte) und der Unterschied zwischen beidem (rechts). Nach Joseph A.MacGregor.
Die Ergebnisse sind in der Science-Ausgabe vom 5. Februar veröffentlicht. Die Forscher sagen dazu, dass diese Ergebnisse nicht die Tatsache ändern, dass der Eisschild alles in allem an Masse verliert und zum Anstieg des Meeresspiegels beiträgt. An der Peripherie von Grönland werden die Gletscher rapide dünner. Allerdings verdickt sich das riesige Inlandeis von Grönland allmählich immer mehr – ein Prozess, der in der Studie klarer wird.
„Die Wissenschaftler sind sehr interessiert daran zu verstehen, wie sich die Eisschilde bewegen, und wie sich diese Bewegung zu denen in der Vergangenheit unterscheidet. Unsere Paläo-Geschwindigkeits-Karte für Grönland ermöglicht es uns, den Fluss des Eisschildes jetzt im Zusammenhang mit den letzten vielen Jahrtausenden abzuschätzen“, sagte Leitautor Joe MacGregor vom Institute for Geophysics (UTIG) an der University of Texas in Austin, eine Forschungsabteilung der Jackson School of Geosciences.
Die Studie baut auf früheren, von der UTIG geleiteten Forschungen auf, die eine Datenbasis entwickelten für viele Schichten innerhalb des grönländischen Eisschildes. Mittels dieser Datenbasis haben die Wissenschaftler die Fließgeschwindigkeit der letzten 9000 Jahre bestimmen können – was im Endeffekt zur Erstellung einer Karte der „Paläo-Geschwindigkeit“ geführt hat.
Ein Vergleich der Paläo-Geschindigkeits-Karte mit derzeitigen Fließraten ergab, dass das Innere des Eisschildes sich jetzt langsamer bewegt als während der meisten Zeit des Holozäns, einer geologischen Periode, die vor 11.700 Jahren begann und bis heute andauert.
„Wie viele andere auch hatte ich den sich fortsetzenden dramatischen Rückzug und Fließ-Beschleunigung des Eisschildes im Hinterkopf. Darum habe ich vermutet, dass sich auch dessen Inneres schneller bewegt, aber das war nicht der Fall“, sagte MacGregor.
Die Autoren fanden drei Gründe für diese Verlangsamung. Der erste ist, dass die Schneefallmengen während der letzten 9000 Jahre allgemein stärker waren, zweitens ist es das langsame Versteifen [stiffening] des Eisschildes mit der Zeit und drittens der Kollaps einer „Eisbrücke“, die normalerweise das grönländische Eis mit dem auf der nahe gelegenen Ellesmere-Insel verbindet. Am meisten interessierten die letzten beiden Gründe.
„Das Eis, dass sich aus Schneefällen in Grönland während der letzten Eiszeit gebildet hat, ist etwa dreimal so weich als das Eis, das sich heute bildet“ sagt William Colgan von der Lassonde School of Engineering an der York University, ein Mitautor der Studie.
Infolge dieses Unterschiedes wird der Eisschild allmählich immer härter. Als Konsequenz fließt er langsamer und wird mit der Zeit immer dicker. Dieser Effekt ist am wichtigsten im südlichen Grönland, wo höhere Schneefallmengen zu einem rapiden Ersatz von Eis aus der letzten Eiszeit durch Eis während des Holozäns.
„Aber dies konnte nicht erklären, was anderswo in Grönland los war, vor allem im Nordwesten, wo es nicht so viel schneit und der Versteifungseffekt daher nicht so bedeutend ist“, sagte MacGregor.
Die Erklärung der Verlangsamung im Nordwesten liegt im Zusammenbruch einer „Eisbrücke“ über die Nares-Straße vor 10.000 Jahren. Sie hatte das grönländische Eis mit dem auf der Ellesmere-Insel verbunden. Der Kollaps der Eisbrücke am Ende der letzten Eiszeit hat zu einer Beschleunigung im Nordwesten geführt, doch hat sich die Fließgeschwindigkeit seitdem wieder verlangsamt.
Diese Änderungen, die vor tausenden von Jahren begonnen hatten, beeinflussen unser Verständnis des sich ändernden grönländischen Eisschildes noch heute. Wissenschaftler arbeiten oft mit GPS und Altimetern auf Satelliten, um die Seehöhe der Eisoberfläche zu vermessen und zu untersuchen, wie viel Eismasse bei dem gesamten Eisschild verloren geht oder hinzu kommt. Korrigiert man andere bekannte Auswirkungen auf die Seehöhe der Eisoberfläche, scheint jede zusätzliche Verdickung vermutlich stärkeren Schneefällen geschuldet zu sein, aber diese Studie zeigt, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss.
Wir sagen, dass die jüngste Zunahme von Schneefällen nicht notwendigerweise die heutige Verdickung des inneren Eisschildes erklärt“, sagte Colgan. „Verwendet man Satelliten-Altimeter zur Bestimmung, wie viel Eis Grönland verliert, wird man vermutlich eine nicht ganz richtige Antwort bekommen, es sei denn, man zieht diese sehr langfristigen Signale in Betracht, wie sie das Innere eindeutig zeigt“.
Übersetzt von Chris Frey EIKE
Der Übersetzer bedankt sich bei Herrn Hartmut Hüne für den Hinweis auf diesen Beitrag.