Bild rechts: Ein extrem milder Dezember 2015 ließ in Weimar erste Schneeglöckchen blühen, doch Eiseskälte setzte der Frühlingsherrlichkeit ein jähes Ende. Foto: Stefan Kämpfe
Selten bescherte uns ein Winter solche Temperaturkontraste, wie der gegenwärtige. Während man sich im November und Dezember über frühlingshafte Temperaturen in ganz Deutschland freuen konnte, vertrieb eisige Winterluft in den ersten Januartagen den „Dezemberfrühling“ aus Skandinavien und erreichte zeitweise auch Nordostdeutschland. Der Südwesten blieb noch vom Wintereinbruch verschont. Die um den 7. Januar gemessenen Temperaturen in Skandinavien waren sibirisch und ließen zeitweise eine markante Luftmassengrenze mit Temperaturgegensätzen von bis zu 15 Grad über Deutschland entstehen:

Über Deutschland stellte sich die Situation am 5. Januar so dar:

Beide Bilder Quelle wetteronline.de, ergänzt von Stefan Kämpfe
Eines wird bei der Betrachtung dieser beiden Abbildungen klar: Die annähernd überall gleiche CO2- Konzentration passt nicht zu den extremen Temperaturkontrasten. Und wie vertragen sich die deutlich gestiegenen CO2- Werte, die doch eigentlich wärmen sollten, mit den sibirischen Temperaturen in Skandinavien und Osteuropa? Gar nicht, wie ein kritischer Blick auf die Entwicklung der Wintertemperaturen an der Station Erfurt- Weimar zeigt:

Bleibt die spannende Frage, was statt CO2 diese Extreme verursacht hat und wie sich die Deutschland- Temperaturen zukünftig entwickeln könnten. Im Rahmen dieses Beitrages können wir die wichtigsten Ursachen nur kurz benennen und anreißen. Eine wesentliche Rolle spielt die Sonnenaktivität. Unser Zentralgestirn strahlt nicht immer gleich viel Energie ab. In aktiven Phasen, wie wir sie am Ende des 20. Jahrhunderts bis kurz nach der Jahrtausendwende erlebten, zeigen sich unter anderem mehr Sonnenflecken, die Sonne ist magnetisch aktiver ;sie sendet dann auch mehr Röntgen-, UV- und Teilchenstrahlung aus, was tendenziell die Luftströmungen beeinflusst und die Häufigkeitsverhältnisse der Großwetterlagen zugunsten westlicher Luftströmungen über Europa beeinflusst. Diese wirken im Winter tendenziell erwärmend (folgende Abbildung):

Eine wesentliche Voraussetzung für eine intensive Westströmung ist unter anderem ein möglichst ungestörter Polarwirbel (das im Winterhalbjahr vorhandene Kältereservoir über der Arktis, besonders in der mittleren Troposphäre). Ein solch annähernd kreisrunder Polarwirbel wird an seinem Südrand von einer Intensiven Ringströmung begrenzt, die von West nach Ost verläuft und mit der die milde Atlantikluft nach Europa gelangen kann. Ist der Polarwirbel hingen gestört, beispielsweise durch sogenannte „Stratosphärenerwärmungen“, so weicht die glatte Westströmung einer mehr oder weniger stark mäandrierenden Strömung, mit der warme Luft im Extremfall bis zum Nordpol, aber kalte Luft auch bis nach Nordafrika oder in die Türkei und in den Nahen Osten gelangen kann – wie gegenwärtig. Folgend ein nahezu idealer, wenig gestörter Polarwirbel aus dem milden Winter 2014/15:

Man erkennt eine vorwiegend westlich orientierte Strömung am Südrand des Polarwirbels, von der Europa durch besonders milde Luft (Atlantik, Golfstrom- Einfluss) profitiert (Rote Pfeile). Ganz anders zeigt sich die Modellrechnung für den 12. Januar 2016, welche einen stark mäandrierenden Polarwirbel vorhergesagt hat:

Es dominieren meridionale Strömungsmuster, welche Extremwetter fördern. Einem markanten Kaltlufteinbruch über dem Mittleren Westen der USA und über Westeuropa stehen mildere Südströmungen über der US-Westküste, Ostkanada und Osteuropa gegenüber (beide Bildquellen wetterzentrale.de, ergänzt von Stefan Kämpfe).
Mit den Faktoren Sonnenaktivität, Polarwirbel und Eisbedeckung der Arktis ist auch die AMO verknüpft, die sogenannte Atlantische Mehrzehnjährige Oszillation, eine etwa 50- bis 80-jährige Schwankung der Wassertemperaturen im zentralen Nordatlantik. KÄMPFE wies nach, dass die AMO die Großwetterlagenhäufigkeit und die Temperaturverhältnisse in Deutschland wesentlich beeinflusst:

Die Häufigkeitsspitzen der Süd- und Südwestlagen folgen den AMO- Warmphasen mit einer Verzögerung von 5 bis 15 Jahren, was erklärt, dass gegenwärtig, am Ende einer solchen Warmphase, gehäuft diese Lagen auftreten. Da die Wassertemperaturen des Nordatlantiks seit dem späten 19. Jahrhundert insgesamt gestiegen sind (mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Folge der zunehmenden Sonnenaktivität), nahm auch langfristig die Häufigkeit der S- und SW- Lagen sowie die überwiegend erwärmend wirkender Hochdruckwetterlagen zu, was in Deutschland einen erheblichen Temperaturanstieg verursachte:

Und damit ist auch geklärt, warum hierzulande Spätherbst und Frühwinter 2015 so exorbitant warm ausfielen – es gab ungewöhnlich häufig warme südliche bis westliche Luftströmungen. Am Beispiel des Novembers sehen wir, dass dieser Monat auch langfristig wärmer wurde, weil die Häufigkeit der südlichen Luftströmungen zu- und die der (im Spätherbst schon sehr kalten) Ostwetterlagen abgenommen hat:

Abschließend sei noch darauf verwiesen, dass auch eine längere und intensivere Sonnenscheindauer, allerdings nur im Sommerhalbjahr, wesentlich erwärmend wirkte. Diese Entwicklung ist unter anderem auf Luftreinhaltemaßnahmen, die schon beschriebenen Häufigkeitsänderungen bei den Großwetterlagen, aber auch auf die Sonnenaktivität selbst (SVENSMARK- Effekt) zurückzuführen. Doch es gibt noch eine weitere Erwärmungsursache, die nicht unterschätzt werden darf: Wärmeinseleffekte im weitesten Sinne. Misst man an zwei gleich hoch gelegenen, ebenen, nicht allzu weit voneinander entfernten Orten die Lufttemperaturen unter standardisierten Bedingungen, so sollte man nahezu identische Messergebnisse erwarten. Wenn allerdings ein Messort im Zentrum einer Großstadt liegt, etwa in Berlin, und der andere ist eher ländlich, so zeigt sich folgendes Ergebnis:

Im dicht bebauten, versiegelten, nur wenig begrünten Zentrum einer Großstadt kann es also selbst im vieljährigen Mittel um fast 2 Kelvin (2°C) wärmer als in ländlichen Regionen sein! Und die Bebauungs- und Versiegelungstätigkeit nahm gerade nach 1945 massiv zu. Im folgenden zweiten Teil wollen wir daher diesen WI- Effekt genauer beleuchten.
Stefan Kämpfe, Diplom- Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher
Josef Kowatsch, Naturbeobachter und unabhängiger Klimaforscher

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken