Schon gestern begann das Zeichensetzen in Paris. Die Groß-Demonstration gegen CO² war aus Sicherheitsgründen untersagt worden. Da setzten die vereinigten Chaoten ein Zeichen auf dem Place de la République – an dem Ort, wo die Pariser Blumen und Kerzen für ihre 120 Opfer der Terroranschläge niedergelegt hatten. Blumen zertrampelnd und die Flics mit Flaschen und Kerzen bewerfend, wurde ein Zeichen gegen den Klimawandel gesetzt. Die internationalen Berufs-Chaoten hatten aber nicht damit gerechnet, dass sie es mit der französischen Polizei zu tun hatten, die nicht so verängstigt daherkommt, wie die „Bullen“ in ihrer Heimat. Über 300 Vermummte wurden verhaftet. Prompt war das Jammern über den Polizeistaat groß. Die Pariser stellten derweil in aller Stille neue Kerzen und Blumen auf.
Zum Klimagipfel muss natürlich auch die Champs Elysée ein Zeichen setzen. Champs Elysée heißt übersetzt „Die Gefilde der Seligen“. Also hat die Pariser Mairie die Champs Elysée in ein rührendes Öko-Kraftwerk umgebaut. Schließlich müssen ja die paar Millionen Lämpchen der prächtigen Weihnachtsbeleuchtung dieser schönsten Straße der Welt beim Klimagipfel klimaneutral zum Glitzern gebracht werden. Eine schwedische Möbelkette hat 100 Velib-Fahrräder auf Gestelle montiert und zusammengeschaltet. Die Passanten können sich draufschwingen und durch kräftiges strampeln die Champs Elysée erleuchten. Auch ein kleines Windrad steht mitten im sechsspurigen Autoverkehr und soll Elektrizität beitragen, ebenso wie zwei Solarflächenhügel nahe beim Weihnachtsmarkt am Place Clemenceau.
Als ich heute meinen Abendspaziergang machte, wurde von den Sonnenkollektoren nur das Licht der Straßenbeleuchtung in Strom umgewandelt. Die Prachtstraße ist auch kein guter Standort für ein kleines Windrad, dass sich dort schon eher im Fahrtwind der vorbeirauschenden Autos müde dreht. Und die 100 zur Menschenstromerzeugung umgerüsteten Fahrräder? „Im Moment haben wir leider kaum Kunden, nicht mal Kinder“, grinste einer der Aufpasser auf meine Anfrage. Sowas aber auch, es ist wie im wahren Leben. Die faulen Passanten, ob Pariser oder Touristen – tausende von ihnen flanieren auf und ab, sitzen schwatzend und lachend in den Cafés – und kein Einziger will sich abstrampeln für die gute Sache? Und auch nicht einer der vielen tausend Profi-Klimaretter schwingt sich in den Sattel, wenigstens um die Kalorien der vielen Häppchen wieder loszuwerden?
Doch der liebe Gott, der ja bekanntlich in Frankreich wohnt, setzt in seiner grenzenlosen Güte auch ein Zeichen. Denn wie durch ein Wunder leuchtet die herrliche Illumination der Gefilde der Seligen trotz ihrer grenzenlosen Faulheit. Es ist wie bei der Energiewende. Dort gibt es ja auch wie durch ein Wunder bei Dunkelheit und Windstille schöne Elektrizität aus der Steckdose. Dass die Steckdose in Frankreich an einem der 58 Atomreaktoren hängt, ce n’est pas trop grave! Und CO²-frei.
Heute Abend habe ich auf dem Champs Elysée etwas Interessantes gelernt. „Zeichensetzen“ heißt nämlich nicht, dass man etwas Unbequemes selber auf sich nehmen muss. Es reicht, wenn man so tut als ob. Danach muss man nur fleißig darüber reden. Dann kann man darauf hoffen, dass diejenigen, die solcherart zum unbequemen Lebensstil bekehrt werden, nicht bemerken, dass die Zeichensetzer eigentlich nur eines wollen: auf jemand anderes Arsch durchs Feuer reiten. 

Manfred Haferburg ist in der DDR aufgewachsen und lebt heute in Paris

Übernommen von ACHGUT hier

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