Bemerkungen zu den Hitzewellen 2015 in Mitteleuropa
Natürlich hatte es nie zuvor Waldbrände in Kalifornien gegeben (obwohl dort der Begriff ,Fire Season‘ ein genauso gängiger Begriff ist wie bei uns ,Hochsommer‘). Und natürlich hat es noch nie zuvor Hitzewellen bei uns gegeben (obwohl in England und Frankreich ,The Draught of ’76‘ noch in sehr unguter Erinnerung ist und Deutschland damals lediglich ein wenig ,Glück‘ gehabt hat. Außerdem hat es am Freitag, dem 7.8.2015 auch wieder einen vermeintlichen Hitzerekord gegeben – um atemberaubende 0,1°C. Hierzu ist aber kürzlich schon ein Beitrag des EIKE (hier) erschienen.
Abgesehen davon, dass die Alarmisten ein erschreckendes Menschenbild vermitteln, wenn sie sich über Katastrophen freuen, sollte man sich hier nicht in billiger Propaganda ergehen, und zwar unter keinem Vorzeichen. Darum möchte ich hier aus fachlicher Sicht etwas dazu schreiben – und vor allem einen Aspekt beleuchten, der natürlich nirgendwo auch nur ansatzweise Erwähnung findet.
Nun also, wie in einem Beitrag, den ich vor einigen Wochen für die Website des EIKE geschrieben habe, möchte ich auch hier wieder auf die Arbeiten von Kowatsch und Kämpfe verweisen, deren Arbeiten mir immer wertvoller erscheinen. Sie hatten bekanntlich schon lange darauf hingewiesen, dass eine Meridionalisierung der allgemeinen Strömung ein Anzeichen für den Übergang zu einem kälteren Klima ist. Diese Meridionalisierung ist auch in diesem Sommer wieder zu beobachten, jedoch mit ein paar Aspekten, die der besonderen Erwähnung wert sind.
In meinem damaligen Beitrag hatte ich auf die Konstanz einer Wetterlage hingewiesen, wie wir sie auch in diesem Sommer zum dritten Mal nacheinander erleben. Sie ist gekennzeichnet durch eine massive Austrogung auf dem Atlantik mit der Folge einer Südwest- oder Südströmung über Mitteleuropa. Der erste erwähnenswerte Aspekt in diesem Jahr ist der Umstand, dass dieser Trog außerordentlich weit nach Süden ausgreift – bis in Meeresgebiete (Azoren), die sonst um diese Jahreszeit dem Subtropenhoch vorbehalten sind. Man betrachte dazu die folgende Abbildung.Um mich nicht dem Vorwurf des „Cherry Picking“ auszusetzen, habe ich den ersten besten Tag genommen, und zwar den, an dem ich diesen Beitrag entworfen habe.
Abbildung 1: willkürlich herausgegriffene Wetterlage im atlantisch-europäischen Bereich vom 6. August 2015. Links: Geopotentialfeld (bunt) im 500 hPa-Niveau und Bodendruckfeld (weiße Linien). Rechts: Temperaturfeld im 850-hPa-Niveau (bunt) und Geopotential im 850-hPa-Niveau (weiße Linien). Quelle: Wetterzentrale.de
In einem Kommentar zu meinem o. g. Beitrag hat mich ein Kommentator der Lüge bezichtigt, als ich schrieb, dass Kaltluftvorstöße im Sommer zu uns unmöglich sind wegen des Subtropenhochs. Schon im Sommer vorigen Jahres, noch mehr aber in diesem Jahr zeigt sich nun aber, dass der Kaltluftvorstoß bis zu den Azoren und dem Nordwesten der Iberischen Halbinsel reicht.
Vorderseitig dieses Troges finden sich wie üblich Gebiete mit dynamischer Hebung, was zu zahlreichen Gewittern führt – ebenfalls in Gebieten, in denen es im Sommer normalerweise nicht regnet. Über dem gesamten westlichen Mittelmeer, ja sogar in Nordafrika bis ins zentrale Tunesien bilden sich immer wieder Gewitter. Abbildung 2 zeigt das Satellitenbild vom gleichen Datum wie oben die Wetterkarte:
Abbildung 2: Satellitenbild vom 6. August 2015 nachmittags MESZ: Die Gewittercluster sind deutlich erkennbar. Aber auch eine kleine und völlig isolierte Gewitterzelle bei Stuttgart zeichnet sich ab (Jargon unter ,Bench Forecastern‘, wie sie im Angelsächsischen sehr treffend bezeichnet werden: Das Gewitter dort ist wohl ,aus Versehen‘ entstanden).
In früheren Jahren hätte ich dieses weite Ausgreifen nach Süden als sehr ungewöhnlich empfunden, aber wie gesagt war es während der letzten Jahre im Sommer ebenfalls dazu gekommen. So gab es auf der Insel Sizilien (auch im Bereich des Subtropenhochs!) im Juli vorigen Jahres im Zuge eines Höhentiefs, das sich aus einem solchen Trog abgelöst hatte, eine Niederschlagsmenge von etwa 3000% (dreitausend!).
Damit zurück zu Mitteleuropa. Es liegt auf der Hand, dass je weiter ein Kaltluftvorstoß (= ein 500-hPa-Trog) nach Süden vorstößt die Gegenströmung aus Süd bis Südwest auf der Vorderseite dieses Troges seinen Ursprung ebenfalls sehr weit im Süden hat. Da wir in dieser Strömung liegen, bedeutet das, dass die heißen Luftmassen bei uns nicht aus dem Mittelmeer, sondern direkt aus der Sahara zu uns wehen. Aber ist das nun wirklich etwas noch nie da gewesenes?
Übrigens sind die Waldbrände und die Dürre in Kalifornien auf das gleiche Muster der hemisphärischen Wellen zurückzuführen: auch dort liegt man auf der Vorderseite eines großen, weit nach Süden ausgreifenden Troges über dem Ostpazifik. Wer es nicht glaubt, kann ja googeln.
Wenn schon Persistenz, dann aber überall – und nicht nur bei uns. Auch die große russische Hitzewelle vor ein paar Jahren ist einer solchen meridionalen Strömungskonfiguration geschuldet, nur waren die hemisphärischen Wellen damals etwas anders gruppiert.
Sturmwirbel im Sommer
Nun aber zu einem Aspekt, den ich als wirklich ungewöhnlich empfinde, weil er auch während der beiden Vorjahre nicht in dieser ausgeprägten Form zu beobachten war. Es kam nämlich im Bereich dieses Troges wiederholt zur Bildung außerordentlich starker Tiefdruckwirbel (Sturmwirbel) über dem Ostatlantik, wobei wiederholt ein Kerndruck unter 980 hPa aufgetreten war. Diese Vorgänge treten normalerweise erst im Herbst auf. Dieses Phänomen bedarf einer Erklärung.
Als Orkanwirbel ist nun immer noch ,Kyrill‘ in Erinnerung. Damals hieß es, dass im Zuge der Klimaerwärmung solche Stürme immer häufiger und stärker auftreten. Da die Stärke dieser Stürme jedoch – grob gesagt – mit der Stärke des Temperaturgegensatzes zwischen niedrigen und hohen Breiten proportional sind, müsste derartige großräumige Sturmwirbel im Sommer viel eher auf treten als im Winter, ist doch die Atmosphäre meiner Ansicht nach im Sommer immer wärmer als im Winter. Wie allgemein bekannt, gibt es große Orkanwirbel aber nur im Winter in der kälteren Atmosphäre (ich hatte seinerzeit mal nachgefragt, wie dieser Widerspruch zwischen der Behauptung und der alljährlich zu beobachtenden Praxis zu erklären ist. Man hatte mir jedoch aufgrund dieser Frage nur bescheinigt, dass sie „von mangelndem objektiven Fachwissen“ zeugt. Seitdem bin ich Klimarealist).
Aber ich schweife ab. Zurück zu den Sturmwirbeln. Wenn es sie in diesem Jahr auch im Sommer gibt (natürlich nicht von der Stärke im Hochwinter), müsste eigentlich der Temperaturgegensatz in diesem Sommer zwischen Süd und Nord größer sein als in anderen Jahren. Aber wie kann man das belegen?
Nun ist es ja generell so, dass Klimaschwankungen in polaren Gebieten, egal in welchem Zeitmaßstab, hier also in der Arktis, viel ausgeprägter sind als in den Tropen und Subtropen. Und da kommt nun ein Umstand ins Spiel, der den Alarmisten überhaupt nicht gefällt, so wenig, dass sie diesen Umstand rundweg leugnen: nämlich die Entwicklung der arktischen Meereisausdehnung. Abbildung 3 zeigt diese Ausdehnung und den Vergleich mit den Vorjahren ganz aktuell (7. August 2015):
Abbildung 3: Ausdehnung des arktischen Meereises. Quelle: http://ocean.dmi.dk/arctic/icecover.uk.php.
Man erkennt, dass die Eisausdehnung in diesem und den letzten beiden Jahren größer war als in den Jahren zuvor. Zwar ist der Mittelwert der Jahre 1979 bis 2000 noch nicht erreicht, doch ändert das nichts an der Tatsache, dass von einem beschleunigten weiteren Schrumpfen des arktischen Meereises ganz und gar keine Rede sein kann. Ein Indiz hierfür ist ebenfalls in der rechten Karte der Abbildung 1 erkennbar, nämlich die Kälte über Grönland.
Das ist zwar kein grundlegender Beleg, aber doch ein Indiz für den Umstand, dass der Temperaturgegensatz zwischen Nord und Süd tatsächlich zunimmt. Übrigens haben war das hier in Deutschland Mitte Juli auch zu spüren bekommen. Es ist üblich, dass ein Gebilde wie ein Langwellentrog immer ein wenig hin und her „eiert“. Mitte Juli hatte er sich ziemlich weit nach Osten ausgebreitet, so dass einer der Sturmwirbel, die sich in seinem Bereich in diesem Jahr immer wieder gebildet haben, auch in Deutschland unabhängig von Gewittern zu Wettererscheinungen (Orkanböen) geführt hatte, die es sonst ebenfalls eigentlich nur im Winter gibt. Natürlich ist der Sturmwirbel ,Niklas‘ gemeint.
Der (vorerst?) letzte Wirbel dieser Serie erreichte am Montag, dem 3. August 2015, vor der irischen Küste mit einem Kerndruck deutlich unter 980 hPa seinen Höhepunkt.
Und noch etwas: Die gegenwärtige Wetterlage hat sich ja etwa Anfang Juli eingestellt, also ziemlich genau zum Zeitpunkt des ,meteorologischen Siebenschläfers‘. Demnach wäre rein statistisch etwa zwischen dem 15. und 20. August eine grundlegende Änderung dieser Wetterlage zu erwarten. Kaum ist es zu glauben, aber auch dies würde einer Vorhersage von Kowatsch und Kämpfe vor längerer Zeit entsprechen. Aber bis zum 20. August ist es noch zu lange hin, um hierzu aus der Numerik schon etwas sagen zu können. Und dass man Wetter für 50 oder 100 Jahre (!!) im Voraus genau vorhersagen kann, behaupten sowieso nur Politiker und Medien.
Fazit: Die von Kowatsch und Kämpfe beschriebene Meridionalisierung des hemisphärischen Strömungsmusters ist in vollem Gange. Man kann wohl davon ausgehen, dass die Austrogung nicht grundsätzlich über dem Atlantik erfolgt, sondern durchaus auch über Mittel- und Osteuropa.
Aber sollen dann die Realisten Hurra schreien, wenn einen ganzen Sommer lang von Norden und Nordwesten her Meeresluftmassen arktischen Ursprungs nach Deutschland strömen? Kurzzeitig konnte man ja Mitte Juli vor allem in Nordwestdeutschland eine Ahnung davon bekommen. Aus meiner über 40-jährigen Erfahrung im Bereich Synoptik wage ich mal die Prophezeiung, dass eine Wetterlage wie in diesem Jahr nicht mehr als dreimal hintereinander auftritt. Also schauen wir mal, wie es im Sommer des nächsten Jahres aussieht. Davor gab es irgendeinen Klimazirkus in Paris.
© Hans-Dieter Schmidt, August 2015