Japan: Das andere Kernkraft-Land
Abbildung rechts: Der Treibstoff wird nach umfangreicher Inspektion in den Reaktor geleitet, der Schalter wird umgelegt und um den 10. August wird der Reaktor angeworfen. Drei Tage später erwartet man, dass der Strom beginnen wird zu fließen. Die volle Leistung und kommerzielle Erzeugung wird im September erreicht werden. Der gleiche Prozess wird im September/Oktober bei einem zweiten Reaktor erwartet.
Trotz der Proteste der Öffentlichkeit wendet sich Japan der Kernkraft zu – erneut.
Nach dem Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami im März 2011, das zu der ernsten Havarie des Fukushima-Reaktors Nr. 1 im nordöstlichen Japan geführt hatte, wurden alle Kernreaktoren nach und nach abgeschaltet für Inspektionen. Fast zwei Jahre lang war in Japan kein kommerzieller Reaktor online. Wegen Sicherheitsvorschriften kam die Erzeugung von Strom aus Kernkraft im Lande zum Stillstand. Inzwischen wurden neue Sicherheitsvorschriften entwickelt, und die Reaktoren werden inspiziert.
Vor dem Jahr 2011 hat die Kernkraft nahezu ein Drittel des japanischen Strombedarfs gedeckt. Diese Lücke wurde durch den Import teurer fossiler Treibstoffe geschlossen. Japan verfügt nur über wenige eigene natürliche Ressourcen. Das Wall Street Journal berichtet: „Japan importiert über 90% seiner fossilen Treibstoffe, und es ist besonders vom Nahen Osten abhängig bzgl. Öl und Erdgas“.
Der Verlust von Kernkraft hat dem CS-Monitor zufolge die Energierechnungen der Haushalte in Japan um 20% verteuert. Eine vom Osaka Chamber of Commerce and Industry durchgeführte Umfrage unter japanischen Herstellern hat ergeben, dass die Zunahme der Energiekosten die größte Last für über 40% der 335 Firmen darstellte, die geantwortet hatten, und dass „chronische Energieausfälle“ sowie die weitere Zunahme der Energiepreise „der in der Kansai-Region ansässigen Industrie erheblichen Schaden zufügen würde“. Das WSJ bestätigt: „Unternehmen sagen, dass der Anstieg der Stromkosten ohne Kernreaktoren es schwieriger macht, in Japan eine Fabrik zu betreiben“.
Die ökonomische Auswirkung durch den Ersatz von Kernkraft durch importierte fossile Treibstoffe zeigt sich klar im japanischen Handelsdefizit. In OilPrice.com sieht John Manfreda eine direkte Korrelation. Er sagt: „Vor dem Fukushima-Unfall wurde Japans Wirtschaft durch große Handelsüberschüsse angetrieben, die Jahr für Jahr erreicht worden waren. Seit Fukushima jedoch hat sich dieser Trend in Japan umgekehrt und begann, zu Handelsdefiziten auf jährlicher Basis zu führen“.
Japans Abhängigkeit von Kernkraft begann nach dem Ölembargo der OPEC im Jahre 1973, welches zu einer ernsten Energiekrise führte und den wirtschaftlichen Fortschritt beinahe entgleisen ließ. Manfreda berichtet: „Nachdem dieses Embargo zu Ende gegangen war, führte Japan eine nationale Energiestudie durch um herauszufinden, wie das Land eine Energiepolitik einführen könnte, die die Versorgung vor zukünftigen Embargos und geopolitischem Aufruhr schützen könnte. Das ultimative Ergebnis dieser Studie lautete, dass Japan stark in Kernkraft investieren müsse, was als Ersatz für fossile Treibstoffe dienen kann. Nach dieser Studie wurde der Entwicklung der Kernkraft nationale Priorität verliehen“.
Japan hat seinen Energiebedarf noch einmal unter die Lupe genommen. Der vierte Basic Energy Plan, genehmigt im Juni 2015, kommt zu dem Ergebnis: „Kernkraft ist ,eine wichtige Energiequelle, die die Stabilität unserer Energieversorgung und unseres Energiebedarfs in Zukunft stützt’“. Im Plan enthalten ist die Zunahme von Kernkraft vom gegenwärtigen Niveau durch das Wiederanfahren ruhender Kraftwerke, während eine ungefähre Reduktion um 10% des Vor-Fukushima-Niveaus von 30% gefordert wird. Das WSJ fügt hinzu: „Japan plant auch, weiterhin Kohle zu verbrauchen, dem billigsten Anteil seiner Energieimporte … bereits in diesem Jahr haben die Versorger der Nation angekündigt, sieben neue Kohlekraftwerke zu bauen“.
Infolge seines Energiebedarfs und dessen Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen hat Japan seine Emissionsziele überdacht. Der New York Times zufolge heißt es: „Man würde 3% mehr Treibhausgase im Jahr 2020 emittieren als im Jahre 1990. Zuvor war eine Reduktion um 6%, zwei Jahre vor der Fukushima-Havarie um 25% versprochen worden“. Im Jahre 2012 hat sich Japan aus dem UN-Kyoto-Protokoll zurückgezogen. Das WSJ berichtet: „Der Energieplan der Regierung trachtet immer noch danach, CO2-Emissionen zu reduzieren, aber die Regierung stellt sich nicht gegen die Pläne von Unternehmen, Milliarden Dollar für neue Kraftwerke auszugeben, die mit billiger Kohle aus Ländern wie Australien und den USA befeuert werden“.
Das Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie [Ministry of Economy, Trade, and Industry (METI)] bevorzugt Kernkraft, weil diese eine „quasi heimische Quelle“ ist (Vier der sechs weltgrößten Hersteller von Kernkraft-Technologie sind Japaner oder gehören Japanern). In Bezug auf Japans Pläne stellt World Nuclear News fest: Kernkraft bietet „stabile Energie, operiert billig und hat nur ein sehr geringes Treibhausgas-Profil“.
Die Regierung von Premierminister Shinzo Abe wünscht dem Vernehmen nach den Betrieb so vieler Kernkraftwerke wie möglich, „um den Energiebedarf der Nation zu decken und um die Wirtschaft wachsen zu lassen“. 25 Reaktoren trachten nach einem Neustart.
Das am 10.Juli gestartete Kraftwerk, das im September den kommerziellen Betrieb aufnehmen soll, ist einer der beiden Reaktoren, die am Sendai-Kernkraft-Komplex angefahren werden. Eigentümer ist die Kyushu Electric Power Company. Mit allen sechs seiner Reaktoren außer Betrieb, „taumelte Kyushu Electric unter Verlusten durch die Kosten für fossile Treibstoffe, um damit konventionelle Kraftwerke zu betreiben“. Genauso hat die Chubu Electric Power Company beantragt, seinen Reaktor Nummer 3 am Hamaoka-Kernkraftwerk wieder in Betrieb zu nehmen. Man hofft, die Energieerzeugung so bald wie möglich aufnehmen zu können, „um die Abhängigkeit von teuren fossilen Treibstoffen zu reduzieren“.
„Es gibt keine bedeutsamere Sache für die Gesundheit der japanischen Wirtschaft als Energie“, sagte Robert Feldman, geschäftsführender Direktor von MUFG Securities Co. bei Morgan Stanley im WSJ. In die gleiche Kerbe schlug Masahiro Sakane, Vorsitzender eines vom METI gesponserten Gremiums mit den Worten: „Das Wichtigste ist die ausreichende Selbstversorgung mit Energie“.
Hinsichtlich Japans Energieplan stellte Magoko Yagi, Vorsitzender der Federation of Electric Power Companies of Japan fest: „Wir glauben, dass Energiepolitik im Zentrum der Politik eines Landes stehen sowie mittel- und langfristig betrachtet werden muss“.
Japan wiederbelebt sein Kernkraftprogramm. Iran wird vermutlich den Wunsch nach Kernkraft äußern. Angetrieben durch den Bedarf nach sauberer zuverlässiger Energie, der Notwendigkeit, die Energiesicherheit sicherzustellen und die nötige Reduktion der Abhängigkeit von importierten Treibstoffen streben auch viele andere Länder nach Kernkraft. Russland baut derzeit acht Kernreaktoren – welche seine Kernkraft-Kapazität verdoppeln werden. In China werden 26 Reaktoren betrieben; 24 sind im Bau. Derzeit werden identische Kraftwerke errichtet, die mit beginnender Massenproduktion kosteneffizient werden. Viele neue Kraftwerke wie z. B. die in den USA erbauten, versorgen „die dritte Generation, die die Sicherheit verbessern und Kosten senken“. E&E News berichtet: „Reaktoren der Vierten Generation, die andere Kühlmittel und Treibstoffe verwenden, sind im Entwurfsstadium“.
Bei der Lektion hier geht es weniger um Kernkraft und mehr um den Bedarf an Energie, die kosteneffektiv, zuverlässig und sicher ist.
In einem Land wie Japan mit begrenzten natürlichen Ressourcen deckt Kernkraft diesen Bedarf. In den USA, die reich sind an Kohle, Öl, Erdgas und Uran gibt es viel mehr Optionen, und man kann sich die Energiequelle aussuchen, die den speziellen Bedürfnissen und Örtlichkeiten angemessen ist. Wie Japan erfahren musste, ist Energie eine der wichtigsten Komponenten der Wirtschaft, und teure Energie hat dieser Wirtschaft geschadet.
Japan hat einen Energieplan, der eine „Kernpolitik“ der Nation ist. In den USA [ebenso wie in Deutschland, Anm. d. Übers.] ist es so: Anstatt eine vernünftige Energiepolitik zu verfolgen, machen wir weiter damit, Kosten in die Höhe zu treiben, in dem wir unseren Energievorteil durch immer neue Vorschriften zerschlagen und Geld für teure erneuerbare Energie zu verschwenden – wobei der Clean Power Plan [der USA] die neuen Erkenntnisse zu Kernkraft ignoriert. Es ist an der Zeit, dass Amerika seinen Energiebedarf wirklich einmal evaluiert und unseren Vorteil maximiert.
Link: http://www.cfact.org/2015/07/13/japan-the-other-nuclear-country/
Übersetzt von Chris Frey EIKE