Neue Hitzerekorde – Bemerkungen dazu aus statistisch-synoptischer Sicht
Der bisherige Rekord steht bei 40,2°C im August 2003. Das war ja bekanntlich der große Hitzesommer. Jetzt schlägt laut DWD der Hitzerekord mit 40,3°C (in Kitzingen/Main) zu Buche. Ich bezweifle, dass dieser „Rekord“ irgendeine Aussagekraft hat, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens ist der Rekord diesmal Anfang Juli aufgetreten. Die bisherigen Regordwerte von 40,2°C datieren vom 27 Juli 1983 in Gärmersheim östlich von Nürnberg. Im August 2003 wurde dieser Rekord in Karlsruhe und Freiburg ebenfalls genau erreicht, doch zeichnet sich vor allem Karlsruhe durch eine beachtliche Wärmeinsel aus. Nun liegt die vieljährige Mitteltemperatur Ende Juli/Anfang August schon wieder niedriger als Anfang Juli. Das heißt, hätte sich die Wetterlage, die im August zu dem bisherigen Rekord geführt hatte, bereits Anfang Juli eingestellt, wäre es ziemlich sicher noch deutlich heißer gewesen.
(Aus diesem Grunde möchte ich den diesjährigen „Rekord“ immer in Anführungszeichen gesetzt sehen. Lediglich der Einfachheit halber lasse ich diese aber im Folgenden weg).
Zweitens erfährt man ja nichts darüber, wo und wie das Thermometer relativ zur Umgebung aufgestellt ist. Kowatsch & Kämpfe haben immer wieder die Bedeutung des Wärmeinsel-Effektes beschrieben – muss man den hier abziehen? Muss man den auch von dem Rekordwert 2003 abziehen?
Übrigens hat sich unser Übersetzer Chris Frey auf seinem Blog ein paar Gedanken zu der Frage gemacht „Was ist normal?“, und zwar hier.
Bemerkungen aus synoptischer Sicht
Wie in früheren Beiträgen schon einmal genauer beschrieben, wird der Temperaturgang maßgeblich von Luftmassen bestimmt, die aus allen Himmelsrichtungen zu uns advehiert werden. Dabei sind drei Faktoren ausschlaggebend: Erstens, aus welchem Ursprungsgebiet stammt die Luftmasse, zweitens, auf welchem Weg ist sie zu uns geströmt und drittens wie lange hat sie dafür gebraucht. Eine Luftmasse aus (im Vergleich zu unserem Klima) extrem temperierten Ursprungsgebieten wird durch den Untergrund modifiziert, und zwar je stärker, umso länger der Weg ist (räumlich UND zeitlich).
Nun haben Kowatsch & Kämpfe belegt, dass im Juli immer noch ein gewisser positiver Trend der Temperaturen zu verzeichnen ist, während der Trend in allen anderen Monaten das umgekehrte Vorzeichen aufweist. Dies kann mehrere Ursachen haben.
Einmal könnte es in den Juli-Monaten der letzten Jahre häufiger Vorstöße von Luftmassen subtropischen/tropischen Ursprungs gegeben haben als früher. Oder die Anzahl dieser Vorstöße ist in etwa gleich geblieben und die Temperaturen in den Ursprungsgebieten liegen höher als früher.
Für Letzteres gibt es jedoch den Satelliten-Beobachtungen (und nur diese halte ich überhaupt für relevant) zufolge keinerlei Anzeichen. Bleibt also nur Ersteres übrig, aber wie immer erhebt sich gleich eine Folgefrage: was könnte der Grund dafür sein?
Gleich vorweg: da gibt es keine eindeutige Antwort, und der Spekulation ist Tür und Tor geöffnet. Ein paar Dinge lassen sich aber aus synoptischer Sicht festhalten: Für den Vorstoß extrem temperierter Luftmassen (egal ob nun warm oder kalt) ist grundsätzlich ein meridionales Strömungsmuster Voraussetzung. In einer mehr zonalen Westströmung wird es niemals zu irgendwelchen Temperaturrekorden kommen, egal mit welchem Vorzeichen.
Und tatsächlich sind während der letzten Jahre vor allem im Sommer gehäuft meridional orientierte Wetterlagen aufgetreten. Der Autor dieses Beitrags beobachtet seit mindestens zehn Jahren (ohne dass er dies explizit mit Zahlen belegen kann) eine Erhaltensneigung meridional ausgerichteter Wetterlagen, die länger ist als beispielsweise während der siebziger und achtziger Jahre. Markant erscheinen vor allem die seit mehreren Sommern hintereinander auftretenden Südwestlagen mit kurzen Hitzeschüben und den entsprechenden schweren Unwettern. Auch in diesem Jahr im Juni war das der Fall. Dabei waren die Temperaturschwankungen enorm: In der ersten Monatshälfte erfolgte bereits ein Vorstoß extrem warmer Luft, jedoch so schnell (24 Stunden), dass nicht einmal die Junisonne in der Lage war, diese Luftmasse durchzuheizen. Man erinnere sich, dass schon damals ein paar Tage vorher von zu erwartenden „Hitzerekorden“ die rede war, die dann nie eingetroffen sind.
Und in der zweiten Monatshälfte gab es dann einen nachhaltigen Kaltlufeinbruch von Nordwesten her, wobei die Schneefallgrenze um den 20. Juni in den Alpen bis 2000 Metern sank!
Und jetzt also wieder die Hitze, die aber nun zu Ende ist, den Modellrechnungen zufolge (die als Trend MAXIMAL mit hinreichender Genauigkeit etwa eine Woche (und nicht 50 oder 100 Jahre!) in die Zukunft schauen können stellt sich bei uns jetzt tatsächlich eine mehr oder weniger ausgeprägte Westlage ein.
Haben nun die extremen Temperaturschwankungen bei uns zugenommen? Die Frage muss aber vor dem o. g. Hintergrund anders gestellt werden: haben meridionale Wetterlagen in letzter Zeit zugenommen?
Der Autor tendiert dazu, diese Frage zu bejahen, und zwar hauptsächlich aufgrund von Erfahrungen, dass auch während des Sommerhalbjahres immer wieder Höhenwirbel im 500-hPa-Niveau bis weit nach Süden geführt werden, im Juli vorigen Jahres sogar bis nach Sizilien (!), was dort mitten in der üblichen sommerlichen Trockenzeit zu extrem ergiebigen Niederschlägen geführt hat, und zwar den ganzen Monat über und auch noch mit abnehmender Tendenz in den Nachbarmonaten.
Dennoch, eine eindeutige Antwort hat der Autor zu dieser Frage nicht. Aber ein anderer und sehr wesentlicher Aspekt scheint hier eine tragende Rolle zu spielen: in anderen Beiträgen von Kowatsch & Kämpfe haben diese schon vor Jahren nachgewiesen, dass in einem sich abkühlenden Klima viel öfter Extremwetterlagen und extreme Temperaturschwankungen auftreten können als in einem konstant warmen Klima.
Bislang sind diese Ereignisse bzgl. rascher Wechsel vor allem im Sommer aufgetreten. Bleibt die spannende Frage, wie das im kommenden Winter wird, nachdem die voran gegangenen beiden Winter von zonalen Westlagen geprägt waren mit der entsprechen überwiegend milden Witterung bei uns.
Hans-Dieter Schmidt