Stellungnahme III zum Grünbuch Strommarkt des BMWI
Dr. oec. Karl-Heinz Glandorf – Manfred-Kyber-Straße 5 – 74544 Michelbach
Dr. rer. nat. Friedrich Buer – Georg-Vogel-Str. 6 – 91413 Neustadt a.d. Aisch
An das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Scharnhorststraße 34-37
10115 Berlin
per E-mail an: gruenbuch-strommarkt@bmwi.bund.de
Stellungnahme zum Grünbuch „Strommarkt-Design“ 24. Februar 2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
über Ihre Internetseite fordern Sie die interessierte Öffentlichkeit zur Abgabe einer formlosen Stellungnahme zu Ihren Plänen für ein „Strommarkt-Design“ auf.
Davon erhoffen Sie sich nach eigenem Bekunden eine „ breite, lösungsorientierte Diskussion und eine fundierte politische Entscheidung.“
Fachliche fundierte Entscheidungen sind in der Energiepolitik in der Tat dringend erforderlich. Die auf diesem Feld politisch erzeugten Probleme sind offenkundig und wurden von zahlreichen renommierten Fachleuten und wissenschaftlichen Gremien vielfach und eindringlich beschrieben – Lösungen inklusive:
Die Wurzel aller Probleme liegt im Subventionssystem für Strom aus sogenannten „Erneuerbaren Energien“, namentlich dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Exakt dort liegt der grundlegende „Designfehler“. An dessen Behebung führt kein Weg vorbei, wenn man die Interventionsspirale nicht immer schneller immer weiter drehen will und den Zielen Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit Bedeutung beimisst.
Der wissenschaftliche Beirat Ihres Ministeriums hat sich wiederholt dahingehend geäußert.1 Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage hat in seinen letzten drei Jahresgutachten gleichlautende Empfehlungen abgegeben.2 Die Bundestags-Expertenkommission Forschung und Innovation3 und die Monopolkommission4 haben ebenso eindeutig Stellung bezogen. Es ist aus fachlicher Sicht also klar, was im Sinne des energie-politischen Zieldreiecks zu tun ist:
Die allen marktwirtschaftlichen Prinzipien zuwiderlaufende und hinsichtlich der proklamierten Klimaschutzziele sowohl ineffiziente als auch ineffektive EEG-Förderung ist einzustellen. Der Ausbau wetterabhängiger Energieerzeugungsanlagen ist auszusetzen, bis der produzierte Strom ökonomisch und ökologisch sinnvoll genutzt werden kann (Moratorium).
Die wissenschaftlich begründeten Stellungnahmen zu diesem grundlegenden Designfehler wurden – ebenso wie unsere – im Rahmen der letzten EEG-Novelle vollständig ignoriert. Der Sachverständigenrat sah „niedrige Erwartungen bestätigt“.
Offensichtlich fehlte der Politik der Mut, fachlich dringend gebotene Entscheidungen zu treffen und wenigstens die gravierendsten Fehlanreize des EEG
– Vergütung von nicht produziertem Strom (§ 15), Preis- und Abnahmegarantie auf 20 Jahre (§19), Subventionsbemessung in negativer Abhängigkeit von der Standort-eignung (§ 49 Abs. 2) –
zu beheben. Ursächlich scheint das in der ZEIT vom 14.12.2014 beschriebene Phänomen:
„Rund um die Branche der Erneuerbaren ist in den vergangenen Jahren ein regelrechter politisch-industrieller Komplex herangewachsen. In seinem Einfluss ist er wahrscheinlich nur dem Geflecht zwischen Staat und Atomwirtschaft im vergangenen Jahrhundert vergleichbar. Alle Akteure in diesem Komplex verbindet ein Interesse: Probleme der Energiewende müssen lösbar erscheinen, damit die Wind- und die Sonnenbranche weiter subventioniert werden.“
Aus der ZEIT vom 14.12.2014
Genau jene EEG-Profiteure, die zu überwinden die Wirtschaftsweisen dringlich anmahnten,
“Wer die Energiewende erfolgreich umsetzen will, muss den politischen Widerstand der größten Profiteure des aktuellen Fördersystems zum Wohle der Verbraucher überwinden.” Quelle Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten (2013/14)
haben die stärksten Anreize und die besten Möglichkeiten, sich in den „Design-Wettbewerb“ zum Grünbuch einzubringen.
Vor diesem Hintergrund mutet eine solche pseudo-öffentliche, pseudo-demokratische Umfrage befremdlich an. Mit den Worten der Bundeskanzlerin: Es besteht kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.
Unbeschadet dieses Befremdens möchten wir – stellvertretend für aktuell 491 windkraft-kritische, naturaffine Bürgerinitiativen in ganz Deutschland5 – drei Designvorschläge unterbreiten:
(1) EEG abschaffen, Subventionskarussel anhalten.
Das EEG hemmt die technologische Entwicklung. Es bewirkt keinen zusätzlichen Klimaschutz, sondern macht ihn nur unnötig teuer.6 Zudem induziert dieses Gesetz einen Subventionswettlauf, der sich in einem regelrechten Feldzug gegen Natur und Landschaft manifestiert und der Lebensqualität von Menschen schadet:
Ein Strommarktdesign für die Energiewende
Eingefügt von der Redaktion: Video der Rede von Rainer Baake, Staatssekretär, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Berlin, auf der Smart Renewables 2015 vom 24. bis 25. Februar 2015 in Berlin.
Orte, die bisher vergleichsweise unberührt waren und Mensch und Natur Rückzugsraum boten, sind durch das EEG ins Visier von Projektierern und Investoren geraten. Zigtausend Windkraftanlagen sind in Wäldern im Bau und in Planung. Für eine jede wird mindestens ein Hektar ökologisch wertvoller Lebensraum zerstört. Wasserkreisläufe, Filterfunktionen und das lokale Mikroklima werden beeinträchtigt.
Hunderttausende Vögel und Fledermäuse werden getötet. Der Biomasseanbau verwandelt artenreiche Kulturlandschaft in ökologisch tote Agrarsteppe. Der „ländliche Raum“ wird flächendeckend zur Industriezone. Nicht nur das touristische Potenzial von Regionen,7 auch das Wohneigentum und damit die Altersvorsorge8 unzähliger Menschen wird dadurch entwertet.
Abbildungen 1-4: Wohnimpressionen aus Brandenburg und Rheinland-Pfalz, Vorbereitung für den Aufbau von „Ökostrom“-Anlagen im Saarland.
(2) Energieversorgung auf tragfähige Säulen stellen.
Gemäß Rhetorik des Bundeswirtschaftsministeriums gelten Windkraft und Photovoltaik als „Säulen der Energiewende“. Tatsächlich tragen diese „Säulen“ Ihren eigenen Zahlen zufolge zusammen gerade einmal zwei Prozent zur Deckung unseres Energiebedarfs bei.
Der in Photovoltaik- und Windkraftanlagen erzeugte Strom nimmt mengenmäßig zwar zu; in Relation zur Anzahl der aufgestellten Anlagen (installierte Kapazität) wächst die produzierte Strommenge jedoch unterproportional. In qualitativer Hinsicht gilt, dass die „Säulen“ zur gesicherten Leistung und damit zur bedarfsgerechten Versorgung exakt nichts beitragen.
In den folgenden Abbildungen ist die installierte Kapazität, d.h. die kumulierte Nennleistung aller deutschen Windkraftanlagen, als hellblaue Hintergrundfläche dargestellt. Wie unschwer zu erkennen ist, wurde diese kontinuierlich ausgebaut. Die dunkelblaue Vordergrundfläche gibt die tatsächlichen Einspeisungen wieder. Wie ebenfalls unschwer zu erkennen, ist die Windkraft extrem volatil. An einigen Viertelstunden des Jahres liefern alle rund 25.000 Anlagen viel Strom, an anderen zusammen fast nichts.
Abb. 5 und 6: Installierte Leistung und tatsächliche Einspeisung. Januar bis April und Mai bis August 2014.
Abb. 7: Installierte Leistung und tatsächliche Einspeisung (Viertelstundenwerte), Januar bis Dezember 2014.
Nicht im Ansatz ist eine Sockelbildung – also eine Art verlässliche Mindestgröße im Sinne einer Grundlastabdeckung – erkennbar. Der Grundsatz “viel hilft viel” gilt nicht. Dass er auch künftig nicht gelten wird, ist mathematisch bewiesen.9
Abgesehen von der partout nicht geringer werden wollenden Volatilität/Erratik der Einspeisung, sprich der Qualität der Stromlieferung, ist auch die Menge des produzierten Stroms frappierend gering: Die durchschnittliche Einspeisung (arithmetisches Mittel) beträgt über alle 25.000 Anlagen hinweg gerade einmal 14,8 Prozent der Nennleistung.
Abb. 8 : Kennzahlen zur Windkraft in Deutschland, 2014.
Ein „Marktdesign“10, das den energiewirtschaftlich unsinnigen weiteren Ausbau dieser Anlagen fördert, ist daher dringend i.S.v. (1) zu überarbeiten.
(3) Statistische Gesetzmäßigkeiten anerkennen und Implikationen berücksichtigen.
Dem gegenwärtigem Ausbau von wetterabhängigen Stromerzeugungsanlagen sowie der Vorstellung, die dadurch hervorgerufenen Verwerfungen durch ein neues „Marktdesign“ in den Griff zu bekommen, liegt eine gravierende Fehleinschätzung physikalischer und statistischer Gesetzmäßigkeiten zugrunde:
Staatssekretär Rainer Baake11, die von ihm gegründete AGORA und weitere wichtige Entscheidungsträger propagieren die Thesen, dass
a) „Wind und Sonne sich gut ergänzen“ und dass
b) ein „weiterer Ausbau zu einer Glättung der Einspeiseleistung“ und damit einer Verringerung der Probleme (Negativpreise, Netzinstabilitäten) führt.
Ersteres ist offenkundig falsch und durch jede windstille Nacht widerlegt.
Letzteres klingt intuitiv plausibel („irgendwo weht immer Wind“) ist jedoch ebenfalls falsch. Das Gegenteil ist mit der schlichten Strenge mathematischer Gesetze bewiesen.12
Die Spitzen in Abb. 5-7 werden höher, ohne dass die Täler gefüllt werden. Das „Gezappel“ nimmt immer weiter zu.
Die ökonomische Implikation:
Jede weitere Windkraftanlage führt dazu, dass die Häufigkeit, mit der die Windstromproduktion über die Aufnahmefähigkeit des Systems hinausgeht und Windkraftanlagen zur Abwendung eines Blackouts abgeregelt werden müssen, zunimmt.
In Verbindung mit der sogenannten „Härtefall-Regelung“ (§ 15 EEG), wonach die Stromkunden den Subventionsempfängern auch nicht produzierten Strom bezahlen müssen, wird der Strompreis unweigerlich weiter steigen.
Die politische Implikation:
Diese Regelung ist in der Tat ein unzumutbarer „Härtefall“ für die ökonomische und ökologische Vernunft. Die Vorschrift befördert einen widersinnigen Ausbau nicht sinnvoll nutzbarer Stromerzeugungskapazitäten. Diese Härte ist abzumildern und die Pflicht zur Vergütung nicht-produzierten Stroms unverzüglich auszusetzen.
Mit dringender Bitte um Beachtung und freundlichem Gruß,
Dr. Karl-Heinz Glandorf Dr. Friedrich Buer
Mitglied des Vorstands und Fachbereichsleiter Ökologie
Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit
1 Wissenschaftlicher Beirat, Gutachten „zur Förderung erneuerbarer Energien“ und „Wege zu wirksamer Klimapolitik“
2 Sachverständigenrat , Jahresgutachten 2014/15, 2013/14 und 2012/13
3 Bundestags-Expertenkommission Forschung und Innovation: Gutachten vom 26. Februar 2014
4 Monopolkommission, (2013): Wettbewerb in Zeiten der Energiewende7 In einer Broschüre des BMWi aus dem Oktober 2014 wird dies zu Recht thematisiert.
5 Eine Übersicht finden Sie unter http://www.vernunftkraft.de/Bundesinitiative/
6 Bundestagsexpertenkommission EFI (2014)
7 In einer Broschüre des BMWi aus dem Oktober 2014 wird dies zu Recht thematisiert.
8 Der Verband Haus & Grund wies im März 2014 auf diese Wertvernichtung hin.
9 Siehe http://www.vernunftkraft.de/windkraft-versus-wuerfeln/
10 Dieses Wort ist ein Widerspruch in sich und lediglich ein Euphemismus für „Subventionssystem“.
11 Herr Staatssekretär Baake schätzt zentrale ökonomische und physikalische Sachverhalte falsch ein. Mit Brief vom 18.12.14 haben wir ihn darüber informiert. Eine Beantwortung steht aus.
12 Siehe http://www.vernunftkraft.de/windkraft-versus-wuerfeln/
Weitere Links bzw. Stellungnahmen mit Grünbuch -Bürgerbeiträgen
Prof. Dr. F. Endres – Grünbuch zur Energiewende
Dr. Christoph Leinß Stellungnahme zum Grünbuch „Strommarkt-Design“