February 2, 2014 by scienceofdoom
Einige Leser haben nach der faszinierenden Studie von Gerard Roe 2006 gefragt, die als Verteidigung von Milankovitch gelten kann.
Die Studie von Roe scheint eine exzellente Übereinstimmung zwischen der Änderungsrate des Eisvolumens und der Einstrahlung bei 65° im Juni zu zeigen. Eine Zeitlang war ich durch die Studie verwirrt, denn falls dieser Wert der Einstrahlung wirklich erfolgreich Änderungen des Eisvolumens vorhersagen kann, wäre der Fall erledigt gewesen. Außer wir strampeln uns ab, glaziale Terminationen mit der Einstrahlung in Übereinstimmung zu bringen (siehe frühere Beiträge, die Teile XIII, XII und XI – Ende der letzten Eiszeit). Und wir sollten auch erwarten, eine Periode von 100.000 Jahren im Einstrahlungsspektrum bei 65°N zu finden. Das ist aber nicht der Fall. Um Roe gerecht zu werden – er stellt fest: Die Milankovitch-Hypothese, so wie sie hier formuliert ist, erklärt nicht die starken rapiden Deglaziationen, zu denen es am Ende einiger Eiszeit-Zyklen gekommen war. Um genau zu sein: Niemand scheint in Frage zu stellen, dass das Wachstum und das Schrumpfen von Eisschilden zumindest zu einem geringen Teil den Zyklen von 40.000 Jahren (Schiefe) und 20.000 Jahren (Präzession) folgen. Was genau also versucht die Studie als neu zu zeigen? Das fehlende Steinchen dieses Puzzles ist die Frage, warum Eiszeiten beginnen und enden. Auf der Haben-Seite führt Roe aus: Überraschenderweise verbleibt die Milankovitch-Hypothese nicht klar definiert.
Das ist genau der gleiche Punkt, den ich in Teil VI angesprochen habe: “Teil VI-Hypotheses Abound”. Einer der Gründe, warum ich einige Zeit damit zugebracht habe, Datensätze zu sammeln und zu verstehen, – siehe Teil XIV, Concepts & HD Data – ist diese Art von Problemen. Roes Abbildung 2 geht über eine halbe Seite, deckt aber 800.000 Jahre ab. Mit den eingezeichneten dicken Linien kann ich eigentlich nicht sagen, ob es eine Übereinstimmung gibt, und da ich über reale Statistik kein Fachmann bin, möchte ich lieber die Daten sehen als lediglich eine Korrelation zu akzeptieren.
Es ist nicht sehr sinnvoll, SPECMAP (oder LR4) mit der Einstrahlung zu vergleichen, weil beide Datensätze auf die Einstrahlung im Sommer bei 65°N „getrimmt“ sind. Falls wir das als Erfolg ansehen, akzeptieren wir, dass die Erzeuger des Datensatzes in ihrem Vorhaben kompetent vorgegangen sind. Falls wir keinen Erfolg finden, müssten wir ihnen ungern diese schlechte Nachrichten mitteilen.
Glücklicherweise haben wir einen interessanten Datensatz von Peter Huybers (2007). Dies ist eine Aktualisierung von HW04 (Huybers & Wunsch 2004), die einen Proxy für das globale Eisvolumen aus Tiefsee-Bohrkernen ohne „orbitales Tuning“ erstellt haben. Er basiert auf einem autokorrelierten Sedimentations-Modell und setzt voraus, dass Schlüssel-Wendepunkte aus vielen verschiedenen Bohrkernen alle zur gleichen Zeit stattfanden sowie ein grundlegendes, datierbares Ereignis vor etwa 800.000 Jahren, das sich in den meisten Bohrkernen zeigt.
Einige Leser fragen sich nun: Warum benutzt man nicht die Eisbohrkerne, von denen hier schon die Rede war? Gute Frage. Das Sauerstoffisotop (δ18O) oder Deuteriumisotop (δD) in dem Eisbohrkern ist mehr eine Maßzahl der lokalen Temperatur als irgend etwas anderes (und die Analyse ist außerdem kompliziert) Die Eisbohrkerne aus Grönland und der Antarktis bieten viele nützliche Daten, aber leider nicht die des globalen Eisvolumens. Dafür müssen wir das in den Tiefsee-Sedimenten gespeicherte δ18O heranziehen. Das δ18O in den Tiefsee-Bohrkernen scheint in erster Ordnung eine Maßzahl der Wassermenge zu sein, die in globalen Eisschilden gebunden ist. Allerdings gibt es keinen einfachen Weg, die Ozean-Sedimente objektiv zu datieren, so dass einige Annahmen gemacht werden müssen. Glücklicherweise hat Roe seine Theorie mit zwei Datensätzen verglichen, dem berühmten SPECMAP (Warnung: orbitales Tuning wurde bei der Erstellung dieses Datensatzes benutzt) und HW04:
Bildinschrift: Abbildung 2: Wie Abbildung 1, aber hier der Vergleich der Einstrahlungs-Anomalie im Juni bei 65° mit der zeitlichen Änderungsrate des globalen Eisvolumens (dV/dt). Die SPECIMAP-Aufzeichnung hat keine Verzögerung, die HW04-Aufzeichnung nur eine von 1000 Jahren. Damit soll die maximale Kreuz-Korrelation mit der Zeitreihe der Einstrahlung von jeweils -0,8 und 0,4 gezeigt werden. Autokorrelations-Schätzungen zeigen, dass die SPECIMAP- und HW04-Zeitreihen von dV/dt jeweils 106 bzw. 123 Freiheisgrade aufweisen (Anm. der EIKE-Redaktion: wir wissen nicht, was mit diesen Freiheitsgraden gemeint ist). Daher sind die Korrelationen in beiden Fällen signifikant deutlich über dem 99%-Niveau. Falls die HW04-Aufzeichnung genauso wie SPECIMAP geglättet wird (mittels eines neun-Punkte-Gauss-Filters (Imbrie et al. 1984)), nimmt die maximale Kreuz-Korrelation nicht zu. Einheiten wie in Abbildung 1.
Abbildung 1
Ich habe den aktualisierten Datensatz Huybers 2007 heruntergeladen. Er liegt in 1000-Jahres-Intervallen vor. Ich habe die Einstrahlung auf allen Breiten und für alle Tage der letzten 500.000 Jahre mittels des MATLAB-Programms von Jonathan Levine berechnet. Auch diese liegt somit in 1000-Jahres-Intervallen vor. Ich habe die Werte bei 65°N und vom 21. Juni benutzt (Tag 172-dank Climater). Ich habe dann die Änderung des Eisvolumens in einer sehr einfachen Weise berechnet – Wert bei t +1 minus Wert bei t), dividiert durch die Zeitänderung. Den daraus resultierenden Datensatz habe ich mit der gleichen Bandbreite skaliert wie die Einstrahlungs-Anomalien, so dass sich alles leicht plotten lässt. Und ich plottete die Einstrahlungs-Anomalie = mittlere (Einstrahlung) minus Einstrahlung:
Abbildung 2 – Click to Expand (nur im Originalaufsatz möglich)
Die beiden Datensätze sehen während der letzten 500.000 Jahre sehr ähnlich aus. Ich vermute, dass irgendwelche kleineren Änderungen, z. B. um 370.000 Jahre, der Aktualisierung der Datensätze geschuldet sind. Man beachte, dass die Einstrahlungs-Anomalie effektiv invertiert ist, um die Trends augenscheinlicher zu machen – hohe Einstrahlung sollte zu einer negativen Änderung des Eisvolumens führen und umgekehrt.
Abbildung 3 – Click to Expand (nur im Originalaufsatz möglich)
Ich habe die Pearson-Korrelation zwischen den beiden Datensätzen berechnet und nur 0,08 erhalten. Das ist extrem wenig. Es sagt uns lediglich, was wir durch Betrachten des Graphen erkennen können – die beiden Schlüsselwerte sind anfangs in Phase, laufen dann auseinander und sind am Ende erneut in Phase. Im Detail
Correlation between 0-100 kyrs: 0.66 (groß)
Correlation between 101-200 kyrs: 0.51 (groß)
Correlation between 201-300 kyrs: -0.72 (Anti-Korrelation)
Correlation between 301-400 kyrs -0.27 (Anti-Korrelation)
Correlation between 401-500 kyrs: 0.18 (so ungefähr)
Ich habe auch eine Spearman rank correlation durchgeführt. (Sie korreliert die Rangfolge der beiden Datensätze, um sie widerstandsfähig gegen Ausreißer zu machen) = 0,09, und nur weil ich konnte, auch eine Kendall correlation = 0,07. Ich bin ein Amateur in Sachen Statistik, so dass ein Vergleich von Datensätzen außer durch Betrachten derselben nicht mein Ding ist. Vielleicht liegt irgendwo auch ein Anfänger-Fehler vor.
Dann untersuchte ich Kreuz-Korrelationen. Physikalischer Hintergrund ist, dass die Konzentration von 18O in der Tiefsee mindestens einige tausend Jahre braucht, um auf Änderungen des Eisvolumens zu reagieren, einfach wegen der langsamen Zirkulation der großen Meeresströme. Die Ergebnisse zeigen, dass es eine bessere Korrelation mit einer Verzögerung von 35.000 Jahren gibt, doch gibt es hierfür keine physikalische Begründung. Es ist möglicherweise lediglich eine bessere Anpassung eines Datensatzes mit einer offenbar langsamen Phasenverschiebung während des Aufzeichnungs-Zeitraumes. Bei einer bedeutsamen großen Meeresströmungs-Verzögerung von einigen tausend Jahren ist die Korrelation schlechter (anti-korreliert):
Abbildung 4
Auf der Plus-Seite sehen (nächste Abbildung) die ersten 200.000 Jahre ziemlich eindrucksvoll aus einschließlich Terminationen:
Figure 5
Abbildung 6
Das erstaunte mich. Was erkennen wir aus den Daten der ersten 200.000 Jahre (Abbildung 6)? Nun, die letzten beiden Terminationen (siehe die letzten beiden Beiträge) sind leicht zu identifizieren, weil die Änderungsrate des Eisvolumens im Verhältnis zu Einstrahlung etwa vier mal so groß ist, wenn keine Termination stattfindet.
Schiebt man das kleine Problem beiseite, dass die Südhemisphäre bei der letzten Deglaziation (Part Eleven – End of the Last Ice age) führend war, geht hier etwas Interessantes vor. Fast wie bei einer Theorie, bei der lediglich ein leicht zu identifizierender Link fehlt; ein kleines Teil eines Puzzles, das lediglich noch eingepasst werden muss – und die Nature-Studie wartet.
Schauen wir auf einige Details. Es scheint, dass T-II, falls markiert durch die verschiedenen radiometrischen Werte, die wir in Part Thirteen – Terminator II gesehen haben, die Ursache wäre für das Aus-Der-Phase-Laufen der 100k – 200k-Werte (der große schwarze Dip bei 125.000 Jahren würde sich um 15.000 Jahre nach links bewegen). Also ist meine nächste Objektive (siehe Sixteen – Roe vs Huybers II ) das Setzen einer Zeitmarkierung für Termination II aus den radiometrischen Datierungswerten und dann den Datensatz von Huybers 2007 dahin zu „verschieben“ und der jüngsten T1-Datierung. Auch müssen die Eisbohrkern-Proxys aus den Tiefsee-Bohrkernen realen Änderungen des Eisvolumens hinterherlaufen mit einer Periode von, sagen wir, 1000 bis 3000 Jahren (siehe Anmerkung 1). Das stützt die Roe-Hypothese, weil sich die schwarze Kurve nach links bewegt. Schauen wir, was nach diesen Änderungen passiert. Und hoffentlich werden scharfsichtige Leser Gelegenheiten für Verbesserungen in diesem Artikel ausmachen und auch das fehlende Puzzle-Teilchen finden, das dann zu der begehrten Nature-Studie führt.
References
In defense of Milankovitch, Gerard Roe, Geophysical Research Letters (2006) – free paper
Glacial variability over the last two million years: an extended depth-derived agemodel, continuous obliquity pacing, and the Pleistocene progression, Peter Huybers, Quaternary Science Reviews (2007) – free paper
How long to oceanic tracer and proxy equilibrium?, C Wunsch & P Heimbach, Quaternary Science Reviews (2008) – free paper
Datasets for Huybers 2007 are here:
ftp://ftp.ncdc.noaa.gov/pub/data/paleo/contributions_by_author/huybers2006/
and
http://www.people.fas.harvard.edu/~phuybers/Progression/
Insolation data calculated from Jonathan Levine’s MATLAB program (just ask for this data in Excel or MATLAB format)
Notes (im Original belassen)
Note 1: See, for example, Wunsch & Heimbach 2008:
The various time scales for distribution of tracers and proxies in the global ocean are critical to the interpretation of data from deep- sea cores. To obtain some basic physical insight into their behavior, a global ocean circulation model, forced to least-square consistency with modern data, is used to find lower bounds for the time taken by surface-injected passive tracers to reach equilibrium. Depending upon the geographical scope of the injection, major gradients exist, laterally, between the abyssal North Atlantic and North Pacific, and vertically over much of the ocean, persisting for periods longer than 2000 years and with magnitudes bearing little or no relation to radiocarbon ages. The relative vigor of the North Atlantic convective process means that tracer events originating far from that location at the sea surface will tend to display abyssal signatures there first, possibly leading to misinterpretation of the event location. Ice volume (glacio-eustatic) corrections to deep-sea d18O values, involving fresh water addition or subtraction, regionally at the sea surface, cannot be assumed to be close to instantaneous in the global ocean, and must be determined quantitatively by modelling the flow and by including numerous more complex dynamical interactions.
Link: http://scienceofdoom.com/2014/02/02/ghosts-of-climates-past-fifteen-roe-vs-huybers/
Teil I und II: http://www.eike-klima-energie.eu/climategate-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-i-und-ii/
Teil III: http://www.eike-klima-energie.eu/climategate-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-iii-hays-imbrie-shackleton/
Teil IV: http://www.eike-klima-energie.eu/climategate-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-iv-umlaufbahnen-jahreszeiten-und-mehr/
Teil V: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-v-aenderungen-der-ekliptik-und-der-praezession/
Teil VI: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-vi-hypothesen-im-ueberfluss/
Teil VII: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-7-global-circulation-models-i/
Teil VIII: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-8-global-circulation-models-ii/
Teil IX: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-9-global-circulation-models-iii/
Teil X: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-10-global-circulation-models-iv/
Teil XI: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-xi-das-ende-der-letzten-eiszeit/
Teil XII: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-teil-xii-gcm-v-wie-enden-eiszeiten/
Teil XIII: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-xiii-terminator-ii/
Teil XV: http://www.eike-klima-energie.eu/klima-anzeige/das-raetsel-der-eiszeiten-xiv-konzepte-und-daten/