Der Aufruf für „bezahlbaren Strom“
Ein medialer Renner ist sie nicht gerade gewesen – diese Unterschriftenaktion „Für bezahlbaren Strom und gute Arbeitsplätze“. Trotzdem hätte sie Aufmerksamkeit verdient. Ihr letzter Akt hat vergangene Woche stattgefunden, am 4. Februar als Fototermin. Da wurden die Unterschriften an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel übergeben. Aber nicht die privaten Stromverbraucher hatten sie zusammengetragen. Das zwar hätte nahegelegen, weil doch gerade sie vom staatlich verursachten Strompreisanstieg gebeutelt werden. Aber es ist die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE) gewesen. Mitte November 2014 hatte sie die Aktion gestartet und gut 125 000 Unterschriften zusammengebracht. Es geht um die deutsche „Energiewende“. Die Gewerkschaft fürchtet, dass diese Energiewendepolitik Arbeitsplätze vernichtet. Damit hat sie recht. Zugleich jedoch befürwortet sie die „Energiewende“ und befürwortet folglich auch deren erklärtes Ziel, nämlich eine Klimaerwärmung verhindern und das gegenwärtige Klima „schützen“ zu wollen. Damit hat sie unrecht.
Wir wollen, wir wollen …
Die Gewerkschaft BCE streitet für „eine Neuorientierung der Energiepolitik“. Was versteht sie darunter? Ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis hat das so formuliert: „Wir brauchen die Innovationskraft gerade der energieintensiven Industrie für eine erfolgreiche Energiewende. Deshalb darf die Energiepolitik Arbeitsplätze in diesen Branchen nicht riskieren, sondern muss sie im Gegenteil sichern und fördern. Wir wollen eine Energiewende mit Wachstum und Klimaschutz. Wir wollen eine Energiepolitik, die mit Stetigkeit und Verlässlichkeit wesentliche Voraussetzungen für langfristige Investitionsentscheidungen schafft, gerade auch für die fossilen Energien. Denn sie bringen Preisstabilität und Versorgungssicherheit in die Energiewende ein.“ (Quelle: hier).
Warum es Wunschdenken ist
Das ist Wunschdenken und käme der Quadratur des Kreises gleich, die bekanntlich unmöglich ist (hier). Weder kann diese Energiewende schon aus Vernunftgründen erfolgreich sein, noch kann sie das durch die „Innovationskraft der energieintensiven Industrie“ je werden. Wer für die deutsche Energiewende eintritt, will die Stromerzeugung aus vergleichsweise billiger Kernkraft und fossilen Brennstoffen abschaffen und Strom mittels Wind und Sonnenschein erzeugt sehen. Aber erstens vermögen Wind und Sonne nur unstetigem Strom zu liefern (Flatterstrom), der das
Stromnetz destabilisiert und folglich die Versorgungssicherheit bedroht. Und zweitens ist dieser Strom dauerhaft teurer als Strom aus Kern- und Fossilbrennstoffen, also technisch zwar möglich, aber wirtschaftlich unsinnig. Daran vermag die energieintensive Industrie nichts zu ändern, selbst wenn sie noch so innovativ wäre. (Nebenbei: Korrekt formuliert ist die Energiewende eine Stromerzeugungswende.)
Die Entlastung der stromintensiven Branchen belastet alle übrigen
Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie gefährdet die Energiewende in der Tat (siehe auch hier). In ihrem Aufruf zur Unterschriftenaktion (hier) schreibt die Gewerkschaft: „Es sind bereits zu viele Arbeitsplätze verloren gegangen.“ Ebendarum verlangt ihr Vorsitzender, die Energiepolitik – er meint die Stromerzeugungspolitik – dürfe die Arbeitsplätze in den stromintensiven Branchen nicht riskieren; sie seien zu sichern und zu fördern. Fördern bedeutet stets subventionieren. Das geschieht bereits, indem für diese Branchen der Strompreis heruntersubventioniert wird. Was diese Branchen für ihren Strom weniger bezahlen, müssen die übrigen Branchen und die privaten Stromverbraucher mehr entrichten, denn ihnen wird die Subvention aufgebürdet.
Die anfänglich nicht wahrnehmbaren Kosten der Wendepolitik
Erst also treibt die politische Führung den Strompreis mit ihrer Wendepolitik mutwillig und ohne Not hoch, was ganze Branchen gefährdet, dann subventioniert sie ihn zu Lasten der anderen Stromverbraucher für diese Branchen wieder herunter. Aber diese „Förderung“ genügt der Gewerkschaft noch nicht, sie denkt verständlicherweise an mehr. Doch nimmt sie damit ungerührt in Kauf, dass Arbeitsplätze in den anderen Branchen riskiert und vernichtet werden, denn keine Branche kommt ohne Strom aus. Und jeder, der für seinen Strom mehr bezahlen muss, kann entsprechend weniger für andere Dinge ausgeben. Das Geld, was ihm fehlt, fehlt dann auch in den Kassen jener Unternehmen, bei denen er diese anderen Dinge zu kaufen pflegt. Diese anfänglich nicht wahrnehmbaren Kosten der Strompolitik werden erst sehr langsam wirksam und sichtbar. Sie laufen ebenfalls auf Arbeitsplatzverluste hinaus. Das schlägt letztlich auch auf die stromintensiven Branchen zurück. Auf lange Sicht also nützt ihnen der heruntersubventionierte Strompreis letztlich nicht.
Nicht Schwäche führt zu Wachstum, sondern Stärke
Was will die Gewerkschaft BCE sonst noch? Sie will „eine Energiewende mit Wachstum und Klimaschutz“. Wie soll das gehen? Wendepolitik mit Klimaschutz bedeutet weg von Kohle, Erdöl und Erdgas. Also weg vom billigen sicheren Strom, hin zum teuren unsicheren. Das ist wachstumsschädlich, denn ohne Strom geht nichts, und der wird unsinnigerweise zu teuer gemacht. Das schwächt die deutsche Wirtschaft im Wettbewerb mit dem Ausland. Nicht Schwäche führt zu Wachstum, sondern Stärke. Und im Inland wird alles teurer, weil in jeder Ware und in jeder Dienstleistung Strom steckt. Damit entsteht ein Verlust an Kaufkraft. Wo Kaufkraft schwindet, schwindet Wachstum. Wohl kann die Gewerkschaft wollen, was sie sagt, aber es wird nicht funktionieren. Sie spekuliert wie die politische Führung auf die Gutgläubigen, auf die Ahnungslosen, auf die durch das Klimaschutz-Gefasel Verführten. Wenn die und ihre Kinder und ihre Enkel merken, wie sie hintergangen wurden, sind die Verführer über alle Berge im Ruhestand und genießen unverdiente Pensionen, die die Verführten ebenfalls noch zu schultern haben.
Stetige und verlässliche Politik taugt nichts, wenn sie schlecht ist
Und noch etwas will die Gewerkschaft: „eine Energiepolitik, die mit Stetigkeit und Verlässlichkeit wesentliche Voraussetzungen für langfristige Investitionsentscheidungen schafft, gerade auch für die fossilen Energien. Denn sie bringen Preisstabilität und Versorgungssicherheit in die Energiewende ein“. Das klingt überaus gut. Wenn die Wendepolitik derart stetig und verlässlich fortgeführt wird wie bisher, können Unternehmen ihre langfristigen Investitionsentscheidungen in der Tat gut daran ausrichten. Doch dürften ihre Entscheidungen in die falsche Richtung gehen: Die Unternehmen werden lieber im Ausland investieren, wo der Strom billiger ist. Und im Inland werden sie sich mit Investitionen zurückhalten, weil sie Kaufkraft und Wachstum schwinden sehen. Der Schuss geht gleichsam nach hinten los. Politik muss zwar stetig und verlässlich sein, aber ist es schlechte Politik, kann sie mit Stetigkeit und Verlässlichkeit nur verlieren. Beides macht nur Sinn mit guter Politik.
Die Lückenbüßer-Kraftwerke
Nicht anders bei den herkömmlichen Kraftwerken, die Strom mit Kohle, Öl und Gas erzeugen. Auch sie wissen um die politische Absicht, an der Wendepolitik partout festzuhalten. Sie sind unerwünscht. Sie dürfen nur noch einspringen, wenn Wind- und Sonnenstrom fehlen. Sie werden immer mehr auf eine Lückenbüßer-Rolle zurückgedrängt. Sie sollen Stromerzeugungskapazität zwar bereithalten, dürfen aber den Strom nur gelegentlich liefern. Und die ganz Unentwegten und die Dogmatiker unter den Klimaschützern wollen den Strom am Ende der Wende sogar zu 100 Prozent mit Wind und Sonnenschein erzeugen (Kritik daran hier). Dann wären die fossilen Lückenbüßer-Kraftwerke letztlich ganz weg vom Fenster.
Nichts wie raus aus dem Geschäft
Stetig und verlässlich ist diese Politik also auch für sie, allerdings verlustbringend. Mit Sonderzahlungen als Entgelt für die Vorhaltekosten versucht sie der Staat zunächst bei der Stange zu halten. Auch diese Zahlungen werden auf den Strompreis für die Allgemeinheit umgelegt. Es sind Subventionen, um den Schaden auszubügeln, den die Wendepolitik mit ihren Folgen anrichtet. Doch Subventionen unterliegen politischer Opportunität. Das wissen auch diese Kraftwerksbetreiber. Wie daher deren „langfristige Investitionsentscheidung“ aussieht, ist nicht schwer zu erraten: nichts wie raus aus dem Geschäft, nicht mehr investieren.
Warum der Vorsitzende Unfug geredet hat
Aber der BCE-Vorsitzende Vassiliadis behauptet: Diese Kraftwerke „bringen Preisstabilität und Versorgungssicherheit in die Energiewende ein.“ Falsch. Als Lückenbüßer verteuern sie den Strom sogar. Versorgungslücken füllen sie nur, solange es genug solcher Werke noch gibt. Darauf, dass die Strompreise stabil bleiben, haben sie keinerlei Einfluss. Die werden vom Winde- und Sonnenstrom bestimmt und von der Politik. Die Strompreise sind politische Preise. Ebenfalls keinen Einfluss haben die Lückenbüßer-Kraftwerke auf die Netzstabilität. Sicher ist die Stromversorgung nur, wenn das Stromnetz stabil ist. Stabil ist es nur, solange die Stromfrequenz 50 Hertz nicht über- oder unterschreitet. Tut sie das, fällt der Strom aus, und alles steht still. Wind- und Sonnenstrom gefährden diese Frequenz ständig. Kurzum, der Vorsitzende hat Unfug geredet.
Was die Gewerkschaft offenbar vergessen hat
Die Profiteure der Wendepolitik sind relativ wenige, die Verlierer der Wendepolitik ist die Masse der Bevölkerung. Mit dieser Politik findet eine Umverteilung von den vielen unten zu den wenigen oben statt. Einstmals haben sich Gewerkschaften über so etwas sehr erregt. Das haben sie offenbar vergessen. Oder sie kapieren es nicht. Oder es ist ihnen gleichgültig geworden.
Die Gewerkschaft verlangt, was unmöglich ist
Im Aufruf der Gewerkschaft zur Unterschriftensammlung heißt es: „Wir wollen eine Energiewende ohne Arbeitsplatzrisiko und politische Preistreiberei. Wir wollen eine Energiewende mit Wachstum und Klimaschutz.“ Schön, dass sie das will. Doch muss sie lernen, dass sie Unmögliches verlangt. Denn die Energiewende bedeutet Arbeitsplatzrisiko und politische Preistreiberei. Die Energiewende bedroht das wirtschaftliche Wachstum. Und dass sie das Klima schützen, also eine Erwärmung der Erde verhindern kann, ist absurd, ein Irrglaube, eine Ersatzreligion.
Zurück zur Vernunft, die Energiewende ist ein Schuss ins eigne Knie
Ebenso steht im Aufruf: „Wir erwarten von den Regierungen im Bund und in den Ländern eine Energiepolitik der wirtschaftlichen und sozialen Vernunft.“ Mit dieser Vernunft muss sie zuerst bei sich selbst beginnen. Auch alle übrigen Energiewende-Bürger müssen zur Vernunft zurückfinden. Sonst rühren sich die Regierungen und die Politiker in Bund und Ländern kein bisschen. Diese Energiewendepolitik ist für Deutschland ein Schuss ins eigene Knie. Daher sollte sich die Gewerkschaft für eine Wende der Wende einsetzen. Hierfür sollte sie bei ihren Mitgliedern und den übrigen Bürgern Überzeugungsarbeit leisten. Hierfür sollte sie Aufrufe formulieren und auf Unterschriftensammlung gehen.
Übernommen von KPKrauses Blog