Unbequeme Studie: untermeerische Vulkanaktivitäts-Schwankungen könnten das Klima ändern – Modelle vielleicht falsch
Bild rechts: Diese topographische Karte des Ozeanbodens im Atlantischen Ozean zeigt tausende untermeerischer Vulkane entlang des Mittelatlantischen Rückens. Quelle: http://www.sciencemag.org/content/346/6205/32.summary
Das Pulsieren – offenbar gebunden an kurz- und langfristige Änderungen des Erdorbits und an Änderungen des Meeresspiegels – könnte eine Rolle bei der Auslösung natürlicher Klimaschwingungen spielen. Wissenschaftler haben bereits darüber spekuliert, dass vulkanische Zyklen auf dem Festland große Mengen Kohlendioxid freisetzen, die das Klima beeinflussen könnten; aber bislang gab es keine Beweise hinsichtlich untermeerischer Vulkane. Die Ergebnisse zeigen, dass Modelle der natürlichen Klimadynamik der Erde, ausgeweitet auf einen vom Menschen verursachten Klimawandel, überarbeitet werden müssen. Die Studie erschien in der jüngsten Ausgabe der Geophysical Research Letters.
„Man hat untermeerische Vulkane infolge der Ansicht ignoriert, dass ihr Einfluss gering ist – aber das liegt daran, dass man angenommen hatte, sie befänden sich in einem Steady-State-Zustand, aber das ist nicht der Fall“, sagt die Autorin der Studie, die Geophysikerin Maya Tolstoy vom Lamont-Doherty Earth Observatory an der Columbia University. „Sie reagieren sowohl auf sehr große als auch auf sehr kleine Antriebe, und das sagt uns, dass wir sie viel genauer untersuchen müssen“. Eine damit in Beziehung stehende Studie von einem anderen Team, die jüngst im Journal Science vorgestellt worden ist, stützt Tolstoys Studie, zeigt sie doch ähnliche langfristige Verteilungen untermeerischen Vulkanismus‘ in einer Region der Antarktis, die Tolstoy nicht untersucht hat.
Vulkanisch aktive mittelozeanische Rücken laufen über den Grund der Ozeane wie die Nähte auf einem Baseball mit einer Länge von etwa 37.000 Meilen [knapp 60.000 km]. Sie sind die wachsenden Enden gigantischer tektonischer Platten; die austretende Lava bildet neuen Meeresboden, welcher etwa 80% der Planetenkruste ausmacht. Konventionellem Wissen zufolge brechen sie mit ziemlich konstanter Rate aus – aber Tolstoy kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Rücken derzeit tatsächlich in einer Schwächephase befinden. Aber selbst dann lassen sie noch etwa acht mal mehr Lava austreten als Vulkane auf dem Festland. Infolge der chemischen Zusammensetzung ihres Magmas ist ihr vermuteter CO2-Ausstoß gleich oder etwas geringer als der von Landvulkanen – etwa 88 Millionen metrische Tonnen pro Jahr. Aber wenn die untermeerischen Ketten auch nur ein wenig aktiver werden, würde ihr CO2-Ausstoß markant steigen, sagt Tolstoy.
Einige Wissenschaftler glauben, dass Vulkane konzertiert agieren mit Milankovitch-Zyklen – wiederholten Änderungen des Erdorbits um die Sonne und die Neigung und Ausrichtung der Erdachse – die plötzliche Warm- und Kaltphasen auslösen. Der Hauptzyklus geht über 100.000 Jahre. Während dieses Zeitraumes ändert sich der Orbit des Planeten um die Sonne von mehr oder weniger kreisförmig zu elliptisch, was es im Jahresverlauf näher an die Sonne bringt oder weiter von ihr entfernt. Jüngste Eiszeiten scheinen sich ausgebildet zu haben während der meisten Zeit des Zyklus‘, aber dann plötzlich erwärmt sich alles um den Punkt der größten Exzentrizität des Orbits. Die Gründe hierfür sind unklar.
Hinsichtlich der Vulkane haben Forscher darauf hingewiesen, dass bei der Bildung von Eiskappen auf dem Festland u. A. der Druck auf darunter liegende Vulkane zunimmt und Eruptionen unterdrückt werden. Aber wenn die Erwärmung irgendwann einsetzt und das Eis zu schmelzen beginnt, nimmt der Druck ab mit der Folge zunehmender Eruptionen. Sie stoßen CO2 aus, das zu mehr Erwärmung führt, welche mehr Eis schmelzen lässt. So entsteht ein sich selbst verstärkender Prozess, der die Erde auf einmal in eine Warmzeit führt. Eine Studie von der Harvard University aus dem Jahr 2009 sagt, dass die Festlandsvulkane weltweit tatsächlich während der jüngsten Deglaziation vor 12.000 bis 7000 Jahren sechs bis acht mal aktiver waren als nach dem Hintergrundniveau. Die Folge wäre, dass untermeerische Vulkane das Gegenteil tun: wenn sich die Erde abkühlt, kann der Meeresspiegel bis zu 100 m fallen, weil so viel Wasser als Eis gebunden wird. Dies verringert den Druck auf untermeerische Vulkane, und sie brechen verstärkt aus. Gibt es dabei einen Punkt, an dem ein zunehmender CO2-Ausstoß von untermeerischen Vulkanen die Erwärmung beginnen lässt, was die die Festlandsvulkane bedeckenden Eiskappen schmelzen lässt?*
[*Man geht hier also von einem stark erwärmend wirkenden CO2 aus. Nun ja. Anm. d. Übers.]
Das war ein Mysterium, teilweise weil untermeerische Eruptionen fast unmöglich zu beobachten sind. Allerdings waren Tolstoy und andere Forscher jüngst in der Lage, 10 untermeerische Eruptionsstellen mittels sensitiver neuer seismischer Instrumente zu überwachen. Sie haben auch neue hoch auflösende Karten erstellt, die die Umrisse vergangener Lavaaustritte kennzeichnen. Tolstoy hat etwa 25 Jahre mit seismischen Daten analysiert von untermeerischen Rücken im Pazifik, dem Atlantik und den Arktischen Ozeanen; außerdem Karten, die die Aktivität in der Vergangenheit im Südpazifik zeigen.
Die langzeitlichen Eruptionsdaten, die sich über mehr als 700.000 Jahre erstrecken, zeigten, dass während der kältesten Phasen, als der Meeresspiegel niedrig war, verstärkt untermeerischer Vulkanismus aufgetreten war, der sichtbare Hügelketten hinterließ. Wenn sich alles erwärmt und der Meeresspiegel auf ähnliche Höhen steigt wie derzeit, fließt Lava langsamer aus und erzeugt niedrigere topographische Ketten. Tolstoy ordnet dies nicht nur dem variierenden Meeresspiegel zu, sondern auch eng Änderungen des Erdorbits. Ist der Orbit elliptischer, wird die Erde gestaucht und gedehnt durch die Gravitationskräfte der Sonne, und zwar mit rapide variierender Rate bei der täglichen Umdrehung – ein Prozess, der ihrer Ansicht nach dazu tendiert, untermeerisches Magma nach oben dringen zu lassen. Dies wiederum hilft, die tektonischen Brüche zu erweitern, durch die sie austritt. Ist der Orbit dagegen mehr kreisförmig (wenn auch niemals ideal kreisförmig), wie es jetzt der Fall ist, wird dieser Dehnungs-/Stauchungseffekt minimiert, und es gibt weniger Eruptionen.
Der Gedanke, dass von außen einwirkende Gravitationskräfte den Vulkanismus beeinflussen, spiegelt sich in den kurzfristigen Daten, sagt Tolstoy. Sie sagt, dass seismische Daten zeigen, dass untermeerische Vulkane hauptsächlich alle zwei Wochen verstärkt aktiv sind. Das passt zu der zeitlichen Abfolge des Zusammenwirkens von Mond und Sonne, bei dem die Gezeiten ihre Tiefpunkte erreichen, was den Druck auf untermeerische Vulkane verringert. Interpretiert man seismische Signale als Eruptionen, folgten diese 14-täglich den Ebben an acht von neun untersuchten Stellen. Außerdem fand Tolstoy, dass alle bekannten Eruptionen in moderner Zeit von Januar bis Juni erfolgten. Im Januar ist die Erde der Sonne am nächsten, im Juli ist sie am weitesten von ihr entfernt – ein Zeitraum ähnlich dem den Druck verstärkenden/abschwächenden Effekt über längerzeitliche Zyklen. „Schaut man auf die heutigen Eruptionen, reagieren Vulkane sogar auf viel geringere Antriebe als diejenigen, die das Klima treiben“, sagte sie.
Daniel Fornari, ein leitender Wissenschaftler an der Woods Hole Oceanographic Institution und nicht in die Forschung involviert, nannte die Studie „einen sehr wichtigen Beitrag“. Er sagte, es sei unklar, ob die zeitweiligen seismischen Messungen aktuelle Lavaflüsse signalisieren oder einfach Bewegungen des Meeresbodens. Aber, sagte er, die Studie „könnte eindeutig bedeutende Implikationen haben für die bessere Quantifizierung und Charakterisierung unserer Abschätzung der Klimavariationen aufgrund von Zyklen über Zeiträume von Jahrzehnten, bis zu hunderttausenden von Jahren“.
Edward Baker, ein leitender Ozeanwissenschaftler bei der NOAA, sagte: „Das Interessanteste an dieser Studie ist, dass sie erneut beweist, dass die feste Erde sowie Luft und Wasser allesamt als ein einziges System operieren“.
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Eruptionen aus ozeanischen Rücken als ein Klimaventil
Maya Tolstoy
Abstract:
Eruptionsraten auf dem Meeresboden und Eruptionen fördernde Ströme im Erdmantel können beeinflusst werden durch Meeresspiegel- und Krustenbewegungs-Zyklen im der Größenordnung von zwei Wochen bis zu 100.000 Jahren. Jüngste Eruptionen in mittelozeanischen Rücken ereignen sich primär während Nippfluten und während der ersten 6 Monate eines Jahres, was auf Sensitivität hinsichtlich kleinerer Änderungen des Antriebs durch die Gezeiten und orbitale Exzentrizität hinweist. Eine Periodizität von etwa 100.000 Jahren bei schneller Ausbreitung von Tiefseeboden und relativ geringe Eruptionsraten derzeit in einer Zeit mit hohem Meeresspiegel und abnehmender orbitaler Exzentrizität zeigen eine längerfristige Sensitivität hinsichtlich Variationen des Meeresspiegels und des Orbits im Zusammenhang mit Milankovitch-Zyklen. Das Auseinanderdriften von Meeresboden wird als ein geringer, aber stetiger Beitrag der Freisetzung von CO2 angesehen in Klimazyklen im Zeitmaßstab von 100.000 Jahren. Allerdings lässt dies eine konsistente kurzfristige Eruptionsrate vermuten. Pulsierende vulkanische Aktivität könnte auf Klimazyklen rückwirken, möglicherweise auch zu Eiszeit-/Zwischeneiszeit-Zyklen beitragen sowie zum abrupten Ende von Eiszeiten und zur Dominanz des 100.000-Jahre-Zyklus‘
Die Studie: Tolstoy_inpress_GRL_2015 (PDF)
Daraus die Abbildung 3A:
Link: http://wattsupwiththat.com/2015/02/05/inconvenient-study-seafloor-volcano-pulses-may-alter-climate-models-may-be-wrong/
Übersetzt von Chris Frey EIKE