Energie und Wohlstand
von Elmar Oberdörffer
Erst die durch moderne Technik mögliche Umwandlung der in fossilen Brennstoffen enthaltenen thermischen Energie in mechanische und weiter in elektrische Energie hat den in den Industriestaaten heute beobachteten Wohlstand und die Ernährung von inzwischen über 7 Mrd. Menschen auf der Welt ermöglicht.
Die Entwicklung von Energie und Wohlstand im Laufe der Menschheitsgeschichte
Die ersten Menschen waren Sammler und Jäger. Sie lebten in Horden. Sie sammelten und jagten das, was in der Natur vorhanden und eßbar war. Sie stellten ihre Nahrung nicht her. Ihre Herstellungstätigkeit beschränkte sich auf Werkzeuge, Waffen, Kleidung, Gefäße. Jeder Angehörige der Horde mußte sich am Sammeln oder Jagen beteiligen. Lebte die Horde in einer Umgebung, in der die Nahrung knapp und schwierig zu beschaffen war, so wurden häufig die Alten getötet, oder sie verließen freiwillig die Horde, um in der Wildnis zu sterben. Sie hatten nur die Energie, die sie mit ihrer Nahrung aufnahmen, und die ihr Körper in Körperwärme, Gehirnleistung und Bewegung umsetzte, und die Energie aus dem Verbrennen von Holz, die zum Kochen und Heizen diente. Von Wohlstand keine Spur.
Erst die Bildung größerer Gemeinschaften in dafür geeigneter Umgebung ermöglichte Ackerbau und Viehzucht. Die Nahrung wurde hier gezielt angebaut und gezüchtet. Dafür wurde auch die Arbeitsleistung von Tieren eingesetzt. So konnte die pro Person verfügbare Nahrungsmenge erheblich gesteigert werden, sodaß nicht mehr alle Angehörigen der Gemeinschaft für ihre Beschaffung eingesetzt werden mußten, sondern einige sich anderen Tätigkeiten widmen konnten: Handwerker, Priester, Häuptlinge oder Könige, Soldaten, Verwalter, Richter, Händler, Bankiers. Dies alles sind gewissermaßen “Luxusberufe”, die erst durch einen ausreichenden Überschuß an Nahrung möglich werden. Zu beachten ist, daß ohne den Einsatz zusätzlicher, technisch erzeugter Energie rund 90% der Menschen in der Landwirtschaft tätig sein müssen, um die benötigte Nahrung zu erzeugen. Und die meisten dieser Menschen lebten in bitterer Armut.
Wieviel Energie stand den Menschen dieser Gesellschaften zur Verfügung? Es gab gewöhnlich genug Wärmeenergie zum Kochen, Heizen, Metallschmelzen und -gießen, Schmieden, Glasschmelzen und Brennen von Keramik. Knapp war jedoch mechanische Energie. Sie wurde größtenteils durch körperliche Arbeit von Menschen und Tieren aufgebracht. Ein kräftiger, gut trainierter und gut ernährter Mann kann am Tag etwa 1 kWh leisten. Nur 50 % des Volkes sind männlich, davon nur 50 % kräftig, gut trainiert und gut ernährt, davon können nur etwa 50 % für die Erzeugung mechanischer Energie eingesetzt werden (es gibt ja auch noch andere wichtige Tätigkeiten), und sie arbeiten nur sechs Tage in der Woche. So steht pro Einwohner nur etwa 0,1 kWh durch menschliche Arbeitsleistung erzeugte mechanische Energie je Tag bereit. Zusätzlich gibt es Zug- und Reittiere. Die leisten etwa 4 kWh pro Tag. Nehmen wir an, daß es etwa ebensoviele Zug- und Reittiere gab wie Menschen, die mechanische Arbeit leisteten, so kommen wir auf etwa 0,5 kWh durch Mensch und Tier geleistete mechanische Arbeit je Einwohner und Tag. Es gab zwar auch durch Wind- und Wasserkraft betriebene Maschinen (Mühlen, Sägewerke, Hammerwerke), aber deren mechanische Arbeit geteilt durch die Einwohnerzahl dürfte zu vernachlässigen sein.
Erst die Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt im 18. Jh. beendete diesen Mangel an mechanischer Energie. Jetzt konnte thermische Energie, gewonnen durch das Verbrennen von Kohle, in mechanische Energie verwandelt werden, anfangs mit geringem, im Laufe der technischen Entwicklung aber immer höherem Wirkungsgrad. Und der Brennstoff zur Gewinnung dieser mechanischen Energie, die Kohle, war weit billiger als die Nahrung für die Menschen und Tiere, die bisher die mechanische Arbeit geleistet hatten. Die Dampfmaschine trieb schon bald nicht nur die Maschinen zur Herstellung von Gütern in den Fabriken an, sondern auch die Eisenbahn und die Schiffe und ermöglichte so den schnellen und zuverlässigen Transport vieler Menschen und von Rohstoffen und Erzeugnissen in großen Mengen über große Enfernungen in bisher unvorstellbar kurzer Zeit. Ein entscheidender Schritt zur modernen Industriegesellschaft war die Erfindung des Dynamos durch Werner von Siemens und der Aufbau elektrischer Versorgungsnetze, wodurch elektrische Energie überall innerhalb eines solchen Netzes verfügbar wurde. Diese kann nach Belieben in mechanische oder Wärmeenergie zurückverwandelt werden und ist so für praktisch alle Zwecke nutzbar. Heute verfügt jeder Einwohner eines industrialisierten Landes über praktisch unbegrenzt viel Energie, die er zur Förderung seines Wohlstandes oder zu seinem Vergnügen einsetzen kann, jedenfalls solange ihn der Staat nicht darin behindert. Der Lebensstandard eines jeden Einwohners eines modernen Industrielandes ist gegenüber der vorindustriellen Zeit oder verglichen mit dem Lebensstandard in heutigen Entwicklungsländern sehr viel höher. Wir verdanken das der Tatsache, daß wir jederzeit soviel Energie zu günstigem Preis vorfinden, wie wir für die Herstellung unserer Nahrung, Kleidung, Wohnung, aller Gebrauchsgegenstände, für unsere Mobilität und unsere Kommunikation brauchen.
Konkret: im Jahre 2013 wurden in Deutschland täglich je Einwohner 130 kWh Primärenergie verbraucht. Als Endenergie entfielen auf jeden Einwohner täglich 87 kWh, davon 20 kWh als elektrische Energie, und (meine Schätzung) insgesamt etwa 40kWh als mechanische Energie (einschließlich in mechanische Energie umgewandelte elektrische Energie). Das ist das 80-fache der in vorindustrieller Zeit je Einwohner verfügbaren mechanischen Energie. Kein Wunder, daß es uns so viel besser geht als unseren Vorfahren.
(Quelle: AGEB: Ausgewählte Effizienzindikatoren zur Energiebilanz Deutschland Daten für die Jahre 1990 bis 2013)
Energie als Voraussetzung für Wohlstand
“Die Sonne schickt uns keine Rechnung.” Mit diesem Slogan werben die Profiteure der staatlich subventionierten Solarenergie für Ihre Anlagen und wollen damit suggerieren, der aus PV-Anlagen gewonnene Strom sei kostenlos. Ebensogut könnte man argumentieren, die aus der Erde gewonnenen Bodenschätze, also Kohle, Erz, Gold und andere Edelmetalle, Erdöl, Erdgas, Salz, Kali, Alaun und was mehr an für uns Menschen wertvollen Stoffen sich in der Erde findet, seien kostenlos zu haben, denn auch die Erde schickt uns keine Rechnung. Jedermann weiß, daß das nicht so ist. Warum eigentlich, wenn die Bodenschätze in der Erde doch einfach nur so herumliegen und jeder sie nur mitzunehmen braucht? Weil man sie eben nicht nur einfach aufheben und in die Tasche stecken kann, sondern weil man arbeiten, also Energie aufwenden muß, um sie aus der Erde zu graben, zu reinigen, zu transportieren, zu lagern, zu verteilen. Weitere Arbeit, Energie ist notwendig, um daraus nützliche Produkte herzustellen. Aber nicht nur materielle Produkte erfordern Energie, auch immaterielle Werte wie Bildung, Kunst, Gesundheitspflege, Sport, Wissenschaft, Religion können nicht ohne ständigen Aufwand von Energie bestehen. Jegliche Ordnung läßt sich gegen das Chaos nur durch den Einsatz von Energie errichten und erhalten. Wie wir im vorigen Teil gesehen haben, ist die von Menschen und gezähmten Zugtieren unter Einsatz der Körperkraft zu leistende Energie nur sehr gering. Wohlstand für alle läßt sich damit nicht erreichen. Erst die durch moderne Technik mögliche Umwandlung der in fossilen Brennstoffen enthaltenen thermischen Energie in mechanische und weiter in elektrische Energie hat den in den Industriestaaten heute beobachteten Wohlstand und die Ernährung von inzwischen über 7 Mrd. Menschen auf der Welt ermöglicht. Seit einigen Jahrzehnten kann in Kernreaktoren auch die in spaltbaren Elementen enthaltene Energie genutzt werden, vielleicht in einigen weiteren Jahrzehnten auch die Energie der Fusion von Wasserstoff zu Helium. Damit steht uns auch nach Erschöpfung der fossilen Brennstoffe beliebig viel Energie bereit. Der in den Industriestaaten übliche Wohlstand könnte damit über die ganze Welt verbreitet werden. Nebenbei gesagt: das wäre die wirksamste Methode, das überaus hohe Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern zu mindern.
Wir sehen: die Produktion eines jeden materiellen wie immateriellen Gutes erfordert Energie.
Je mehr Energie wir einsetzen können, desto mehr materelle und geistige Güter können wir schaffen, desto besser geht es uns in jeder Hinsicht. Die von unseren Politikern betriebene Politik, den Energieverbrauch zu begrenzen und preiswerte konventionelle Energien durch teure “Erneuerbare” zu ersetzen, ist nichts anderes als ein Anschlag auf unseren Wohlstand. Wobei die Politiker schon dafür zu sorgen wissen, daß ihr eigener Wohlstand dadurch nicht leidet.
Einfluß der Energiekosten auf den Wohlstand
Wir haben gesehen, daß die Erzeugung eines jeglichen Gutes nur mit dem Einsatz von Energie möglich ist. Das gilt nicht nur für materielle Güter, sondern auch für geistige wie Bildung, Kunst, Wissenschaft, Rechtsprechung, Verwaltung, ja sogar Religion und Theologie! Es ist die materielle Energie, die die Schöpfer dieser geistigen Güter brauchen, um ihr Leben mit allen ihren Bedürfnissen zu führen. Auch in den materiellen Gütern ist nicht nur die Energie enthalten, die für die Gewinnung der Rohstoffe, ihre Aufbereitung, ihren Transport, ihre Umformung zu Teilen und deren Montage zum fertigen Produkt aufgewendet wurde, sondern auch die Energie, die zum Lebensunterhalt und zur Lebensführung der beteiligten Personen aufgewendet wurde: Bergleute, Hüttenleute, Gießer, Schmiede, Mechaniker, Kraftfahrer, aber auch Geologen, Ingenieure, Kaufleute, Chemiker, Physiker, Juristen und viele andere sind daran beteiligt. All diese Personen erhalten für ihre Leistung Geld, für das sie sich die Güter kaufen, die sie zum Leben benötigen und die ihnen Freude machen. All diese Güter enthalten wieder physische und geistige Energie, die mit Geld bezahlt wird. Heinz Schütte hat aus dieser Beobachtung abgeleitet, daß alle entstehenden Kosten letztlich Kosten für die aufgewendete Energie sind und hat damit sein Kosten-Energie-Äquivalenzgesetz formuliert, “dass ausnahmslos sämtliche Werte, die auf dieser Erde existieren, quantitativ aus Energiekosten resultieren”. (Heinz Schütte: Das Kosten-Energie-Äquivalenzgesetz als Fundament menschlichen Wirtschaftens, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 61. Jg. (2011) Heft 12 S. 32 – 37.)
Das bedeutet aber, daß die Kosten für die Energie sich unmittelbar auf die Preise sämtlicher Produkte auswirken. Teure Energie bedeutet teure Produkte, billige Energie billige Produkte. Hier ist teuer oder billig nicht einfach am numerischen Preis in irgendeiner Währung zu messen, sondern etwa am Durchschnittseinkommen im jeweiligen Lande. Die Frage ist also einfach: wieviel Energie kann sich der Bürger von seinem Einkommen kaufen? Je mehr Energie er sich kaufen könnte, desto mehr materielle und geistige Güter kann er erwerben, desto wohlhabender ist er. Wird die Energie aus irgendeinem Grunde teurer, so folgen alle anderen Güter, und der Wohlstand des Bürgers nimmt ab.
Es bedeutet auch, daß in wenig entwickelten Ländern, wo das Durchschnittseinkommen gering ist, Energie, die uns billig erscheint, zu teuer ist. Dadurch ist der Einsatz von Energie in diesen Ländern nur sehr beschränkt möglich, und die Entwicklung dieser Länder ist stark behindert. Die beste Entwicklungshilfe, die wir diesen Ländern geben könnten, wäre, sie im Aufbau ihrer Energieversorgungssysteme (und ihrer Wasser- und Abwassersysteme) zu fördern, und im Aufbau ihrer Bildungssysteme (geistige Energie).
Wir halten fest: je teurer, gemessen am Durchschnittseinkommen, die in einem Lande verfügbare Energie ist, desto geringer ist der Wohlstand des Landes. Je billiger, gemessen am Durchschnittseinkommen, die verfügbare Energie ist, desto höher ist der Wohlstand, desto mehr kann auch für immaterielle, geistige Güter aufgewendet werden, eine Voraussetzung für wirkliche Lebensqualität.
Was bewirken Energiesteuern?
Wir haben gesehen, daß sämtliche menschlichen Güter nur durch den Einsatz von Energie erzeugt werden können, daß ihr Preis nichts anderes ist, als die Kosten der für ihre Erzeugung eingesetzten Energie. Energie ist also vergleichbar dem Blut in einem Menschen, welches Sauerstoff und Nährstoffe zu den Muskeln und Organen transportiert, damit diese ihre Arbeit tun können. Es ist bekannt, daß ein Mensch umso leistungsfähiger ist, je besser sein Blutkreislauf ist. Ebenso ist bekannt, daß eine Behinderung des Blutkreislaufs die Leistungsfähigkeit des Menschen schwer mindern kann, Krankheit und Tod bewirken kann.
Genauso ist es mit einer Volkswirtschaft. Energie ist das Blut, das sie am Leben erhält. Je mehr Energie verfügbar ist, desto mehr leistet die Volkswirtschaft. Durch Energiemangel wird sie erdrosselt. Die Verfügbarkeit der Energie hängt von ihrem Preis ab. Je geringer der Preis, desto mehr Energie kann gekauft werden, desto mehr Güter können erzeugt werden. Daher sind Steuern auf Energie, ganz gleich in welcher Form, mit das Dümmste, was eine Regierung anstellen kann. Sie nimmt zwar Steuern ein, gleichzeitig drosselt sie aber die gesamte Volkswirtschaft. Die Menge der erzeugten Güter geht zurück, die Arbeitslosigkeit steigt, die Einkommen sinken, die Gewinne der Unternehmen schrumpfen, kurz, die Basis für die Erhebung aller übrigen Steuern außer der Energiesteuer schrumpft und die gesamten Steuereinnahmen werden viel kleiner, als sie beim Verzicht auf die Energiesteuern wären.
Genau so dumm ist die Deutschland von technisch und naturwissenschaftlich unbedarften Politikern verordnete Energiewende. Hier werden teure und nicht grundlastfähige Verfahren zur Gewinnung sogenannter “erneuerberar Energie” staatlich gefördert, und billige, grundlastfähige, unverzichtbare Verfahren der Stromversorgung staatlich behindert. Der Effekt ist der gleiche wie der der Energiebesteuerung.
Um ihre Dummheit auf die Spitze zu treiben, wenden unsere Politiker beides gleichzeitig an, die Energiebesteuerung und die Energiewende. Sie peinigen unsere Volkswirtschaft also gleichzeitig mit Arteriosklerose und Herzmuskelschwäche. Wie lange wird die das noch überleben?
Der Beitrag erschien zuerst in Freie Welt net hier
Über den Autor:
Geboren 1934 in Bonn, Abitur am Aloisiuskolleg zu Bad Godesberg, Studium des Flugzeugbaus an der RWTH Aachen, Abschluß mit Diplom, Kurs in experimenteller Aerodynamik am von Kármán Institut in Rhode-St-Genèse, Belgien, 3 Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Gasdynamik der DLR in Aachen, 31 Jahre im Flugzeugentwurf bei Dornier in Immenstaad, zwei Jahre freier Mitarbeiter bei der DASA in Ottobrunn, seit 1997 im Ruhestand, verheiratet, 5 Kinder, 9 Enkel.