Wir sollten etwas streichen: die Energiewende

Der Bundesrechnungshof hat Mitte August 2014 die Energiewende heftig kritisiert. Seine Einschätzung der gegenwärtigen Energiepolitik fällt harsch aus: Sie sei unkoordiniert, überstürzt, zu teuer. Die Lasten für den Bundeshaushalt liegen dem Rechnungshof zufolge pro Jahr im zweistelligen Milliardenbereich. Grund sei nicht zuletzt fehlende Expertise, die zu falschen Einschätzungen führe. Wenn heute von Energiewende gesprochen wird, dann ist das streng genommen nur eine Stromwende; denn die Schwerpunkte des Konzepts sind der Ausstieg aus der Kernenergie und die Überförderung der Erneuerbaren Energien.
Wieder einmal wurde hier von kompetenter, amtlicher Stelle klargestellt, welche massiven Fehler die Bundesregierung gemacht hat – schlechte Noten für Angela Merkels Energiepolitik. Verwunderlich ist das nicht: Ein Energiekonzept für eine Industrienation durch eine Ethikkommission mit zwei Bischöfen, aber ohne in der Energieerzeugung erfahrene Techniker entwickeln zu wollen, kann nicht zum Ziel führen.
Der Bundesrechnungshof moniert unter anderem auch, dass die beteiligten Ministerien unabhängig voneinander Gutachten zur Evaluierung der Energiepolitik in Auftrag gegeben haben. Daraus folgt, dass auch der Bundesregierung ein kompletter Überblick über die eingeleiteten Maßnahmen nicht vorliegt. Die Bundesministerien setzen Maßnahmen unkoordiniert, uneinheitlich, teilweise redundant um.
Der Bundesrechnungshof ist dafür, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abzuschaffen. Die 2006 vom Bundestag eingesetzte Expertenkommission Erneuerbare Energien schlägt ebenfalls vor, das EEG komplett zu streichen. Und dies sollte tatsächlich auch möglichst schnell getan werden. Die Strompreis-Erhöhung durch die EEG-Umlage ist drastisch – und der Strompreis wird weiter steigen mit der Zunahme der Produktion der erneuerbarer Energien Wind und Photovoltaik. Gegenüber dem Jahr 2000 hat sich der Preis je Kilowattstunde bereits von 13,94 Cent auf 28,84 Cent mehr als verdoppelt (siehe Infografik). Dies bedeutet für 2014 eine jährliche zusätzliche Belastung für einen 3-Personen-Haushalt von 300 Euro, für einen 4-Personen-Haushalt auf 367 Euro – eine gewaltige Vernichtung von Kaufkraft.
Dieser Anstieg wird auf breiter Front in der gesamten Volkswirtschaft zu Preissteigerungen führen, zumal der Strompreis für alle Verbraucher steigen wird. Und es geht weiter: Spätestens 2022 werden die Bürger 50 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Jene Wirtschaftszweige, die nicht dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind und also ebenfalls voll zahlen müssen, werden ihre steigenden Energiekosten an die Kunden weitergeben – etwa beim öffentlichen Nahverkehr und bei Lebensmittel, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Die weitgehende Entlastung der energieintensiven Industrien von der EEG-Umlage ist eine notwendige Maßnahme, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen nicht noch mehr aufs Spiel zu setzen. Nebenbei bemerkt: Auch die drei „Lieblings“-Themen der Großen Koalition – Rentenpolitik, Mindestlohn und Reform der Krankenversicherung – führen zwangsläufig zu höheren Belastungen für die gesamte Volkswirtschaft und schwächen ebenfalls die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Ein besonders eklatantes Beispiel der öffentlichen Desinformationspolitik zur Energiewende war die Anzeigenaktion, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Anfang August 2014 in allen großen Printmedien geschaltet hat (siehe Abbildung). Unter der Überschrift „Wir haben etwas an der Energiewende gestrichen: Nachteile“ wird suggeriert, die Energiewende stelle ein unproblematisches Umschalten auf eine bessere Zukunft dar. Es wird behauptet, sie sei nunmehr „planbar, bezahlbar, effizient“. Denn, Zitat: „Wir haben die Weichen dafür gestellt, die Energiewende in Zukunft planbar und bezahlbar zu gestalten. So setzen wir den Ausbau Erneuerbarer Energien solide und sicher fort und bremsen den Kostenanstieg.“ Nichts als Schönfärberei. Die Wahrheit ist, die Energiewende ist weder planbar noch bezahlbar – und schon gar nicht effizient. Es darf als starker Tobak gelten, dass sich eine deutsche Bundesregierung, auf Kosten der Steuerzahler, eine so dreiste, mehrfach lügenhafte Werbeaktion leistet.
Politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger müssen heute die Industrie in Deutschland stärken, statt sie immer mehr zu belasten. Nur ein hoher Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung im Lande sichert unseren Wohlstand und unser bewährtes soziales Netzwerk. Ein warnendes Beispiel ist Großbritannien, wo der Prozess der De-Industrialisierung so weit fortgeschritten ist, dass der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung bei 15 Prozent liegt. Wir dürfen uns in Deutschland noch über etwas mehr als 25 Prozent freuen, allerdings mit der Prognose, dass es bald deutlich bergab gehen wird. Das ist direkt abzulesen an der Veränderung bei den deutschen Investitionen: Das Geld fließt schon jetzt mehr und mehr in Auslandsinvestitionen – eine Folge der Energiepolitik von Schwarz-Rot.
Wenn wir hier in Deutschland – nicht zuletzt mit der Energiepolitik – so weitermachen, werden wir uns sehr bald an britische Verhältnisse gewöhnen müssen. Die De-Industrialisierung, die wir im Bereich der Energiewirtschaft betreiben, beschädigt Deutschland nicht nur heute – sie kann zu einem Fehler werden, an dem auch nachfolgende Generationen schwer zu tragen haben werden.
Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat im April 2014 in Kassel bei einem Vortrag vor geladenen Gästen der Firma SMA Solar seine Einwände zur Energiepolitik drastisch formuliert, Zitate: „Die Wahrheit ist, dass die Energiewende kurz vor dem Scheitern steht, (…) dass wir auf allen Feldern die Komplexität der Energiewende unterschätzt haben. 23 Milliarden Euro zahlen wir alle jedes Jahr für die Entwicklung der Erneuerbaren in Deutschland. Es gibt kein Land in Europa, das auf seine Stromkosten (…) noch 23 Milliarden zur Förderung der erneuerbaren Energien einsetzt.“ Und: „Für die meisten anderen Länder in Europa sind wir sowieso Bekloppte.“ Kurz: Der Minister hat die offensichtlichen Mängel erkannt, ist aber politisch nicht in der Lage, die kritisierten Punkte zu korrigieren.
Die Energiewende ist bis 2022 nicht zu schaffen, sie ist gescheitert. Photovoltaik ist im sonnenarmen Deutschland nicht wirtschaftlich zu betreiben. Offshore-Windenergie ist technisch nicht ausgereift, dabei viel zu teuer und kann das Problem der Nichtlieferung von Strom bei Windstille auch nicht lösen. Ausreichende Speicherkapazität für Strom ist weder heute noch morgen verfügbar – und wäre sie verfügbar, würde sie den ohnehin teuren Strom nochmals weiter nach oben treiben. Der Leitungsausbau zum Stromtransport von Nord nach Süd ist sehr umstritten. Die bayerische Landesregierung setzt auf Gas- und Dampfkraftwerke (GuD-Technik) anstelle der stillzulegenden Kernkraftwerke. Hierfür ist der Bau von „Stromautobahnen“ von Nord nach Süd nicht erforderlich. Viele ungelöste Probleme! Altbundeskanzler Schröder hat im Februar 2014 zusammengefasst: „Die Energiewende ist bis 2022 nicht zu schaffen“. Meine Meinung: Sie sollte sofort gestrichen werden.
Ein besonders eklatantes Beispiel der Vogel-Strauß-Politik zur Energiewende: die Anzeigenaktion, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im August 2014 in allen großen Printmedien schaltete. Hier wird suggeriert, die Energiewende stelle ein unproblematisches Umschalten auf eine bessere Zukunft dar – „planbar, bezahlbar, effizient“.
Siehe Bild rechts
 

Fetter Brocken EEG-Umlage

Entwicklung der Strompreise seit dem Jahr 2000
Aufwärts und kein Ende: Die EEG-Umlage (rot) schiebt den Strompreis hoch, und eine Zunahme der Produktion von Energie aus Wind und Photovoltaik wird diese Entwicklung weiter vorantreiben. Seit 2000 hat sich der Preis je Kilowattstunde Strom bereits von 13,94 Cent auf 28,84 Cent mehr als verdoppelt.
Der Beitrag erschien zuerst im Hauptstadtbrief hier
Prof. Dr.-Ing. Dieter Ameling ist Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl a.D. und Vorsitzender des Stahlinstituts VDEh a.D. Er plädiert seit längerem für eine Revision der Energiewende. Für den HAUPTSTADTBRIEF führt er aus, wie unabweislich sie gescheitert ist und warum ein Umdenken in der Energiepolitik nun dringend not tut.