Grüne Projekte, tiefrote Zahlen
Der Fortschritt in Gestalt von Windrädern erreichte im Jahr 2012 auch den hessischen Odenwaldkreis. Eine staatliche Regionalgesellschaft, die Gemeinde Lützelbach und eine Energiegenossenschaft investierten dort in einen Rotor, und setzten so auf den durchschlagenden Erfolg des grünen Umgestaltungsprojekts.
Landrat Dietrich Kübler lobte damals das Unternehmen euphorisch: „Eines der gemeinsamen Ziele bei der Windenergienutzung muss sein, eine möglichst hohe Wertschöpfung in der Region zu erzielen und zum anderen den Abfluss der Erträge an anonyme Investoren von Außerhalb zu verhindern.“ Bürger ringsum könnten sich neben der öffentlichen Hand über die Genossenschaft beteiligen und an der guten Sache mitverdienen.
Einen Abfluss der Windkrafterträge muss in Lützelbach jedenfalls niemand befürchten. Es gibt nämlich keine.
Bisher erwirtschaftete die Gesellschaft 235 000 Euro Verlust, ein Minus, das gut 100 000 Euro über dem geplanten Anlaufverlust liegt. Allein 2013 verbuchte sie ein Defizit von 165 000 Euro. Die Betreiber klagten, gerade 2013 habe der Wind schlecht geweht, außerdem aus der für die Drehflügler ungünstigen Ostrichtung. Am Sinn der Steuergelder-Investition zweifeln die Verantwortlichen bisher nicht. Der Wind wehe sicherlich auch wieder besser.
Trösten können sich die hessischen Kommunalpolitiker immerhin damit, dass nicht nur sie tiefrote Zahlen mit grünen Ideen schreiben. Je weiter südlich in Deutschland Rotoren stehen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht nur die Landschaft ruinieren, sondern auch die das Vermögen ihrer Investoren. Werner Daldorf, Vorsitzender des Anlegerbeirates im Bundesverband Windenergie, untersuchte seit dem Jahr 2000 Jahresabschlüsse von rund 1 200 so genannten Bürgerwindparks. In 37 Prozent aller Fälle reichten die Erträge noch nicht einmal aus, um die Bankkredite für die Turbinen zu bedienen. Denn üblicherweise finanzieren die Gesellschaften das Windgeschäft zu 30 Prozent mit Anlegermitteln und zu 70 Prozent mit einem Darlehn. Nur eine Minderheit der von Daldorf durchleuchteten Windparks erreichte überhaupt eine Rendite oberhalb der Inflationsrate. Zwei Drittel der Windturbinen im Binnenland, stellte Daldorf fest, rotieren im roten Bereich.
Für das massenhafte Minusgeschäft gibt es Gründe. Die liegen in der Physik und nicht etwa an sinisteren Machenschaften von Windkraftgegnern. Von Nord nach Süd nimmt die Windstärke ab – und damit auch die Zahl der so genannten Volllaststunden. So bezeichnen Fachleute die rechnerischen Stunden pro Jahr, in denen ein Windrad die maximal mögliche Stromausbeute liefert. Auf Ostsee-Windplattformen liegt diese Zahl im Schnitt bei 4 275, in der Nordsee bei 3092, in Rheinland-Pfalz dagegen nur noch bei 1503 und in Baden-Württemberg auf den Schwarzwaldhügeln nur noch bei bescheidenen 1 315 Vollaststunden pro Anlage. Ein Jahr zählt allerdings 8 760 Stunden. Mit anderen Worten: ein Rotor im Ländle liefert schon wegen seines Standorts nicht einmal ein Siebtel des Jahres volle Kraft. Selbst 2000 Volllaststunden, die schon als guter Schnitt gelten, entsprechen übrigens gerade einer Auslastung von gut 23 Prozent.
Selbst die hohen Subventionen für die Windenergie nützen den meisten Betreibern im Süden nichts. Denn die Ökostromumlage fließt nicht für die Anlage selbst, sondern für jede Kilowattstunde Strom, den sie liefert. Außerdem verlangen Landbesitzer selbst in Schwachwindgebieten bis zu 40 000 Euro Pacht pro Windrad und Jahr. Produziert ein Windrad im Süden also zu wenig Energie, dann treibt es den Eigentümer schnell in die Verlustzone, trotz einer gesetzlich garantierten Stütze über 20 Jahre. Diese Erfahrung mussten die Gesellschafter der Windpark Ettenheim GmbH & Co in Baden-Württemberg machen: Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 schrieb sie Verluste. Im vergangenen Jahr demontierten die frustrierten Anleger schließlich das Windrad und schlossen die Bücher. Ein Einzelfall? Die Stadtwerke Mainz erwirtschafteten mit ihren 20 Windrädern nach Angaben ihres Chefs Detlev Höhne seit 2005 nicht einen Cent Gewinn. Im Gegenteil, klagt Höhne, die Propeller bescherten ihm einen „leichten Verlust“. Kalkuliert hatten die Stadtwerke mit einer Rendite zwischen 4,5 und acht Prozent. In Erlangen machten die Stadtwerke die gleiche Verlustrechnung auf: ihre drei Räder fuhren ein Minus ein. Das Unternehmen musste 3,8 Millionen Euro abschreiben.
Trotzdem werben Windkraftfonds unverdrossen für Investitionen in Windparks – mit Renditeversprechen, an die auch die Manager der Stadtwerke Mainz einmal geglaubt hatten. Der Fondsvertrieb „Grüne Sachwerte“ etwa wirbt für eine Direktbeteiligung an einem neuen Windpark in Bayern, der „hochrentabel“ sein werde. Ab 200 000 Euro könne jeder einsteigen; „durch Verzicht auf einen BaFin-geprüften Verkaufsprospekt wird eine sehr hohe Investitionsquote erreicht“. Ähnlich wie Anbieter geschlossener Immobilienfonds verdienen Verkäufer von Windfonds schon durch die Ausgabe des Anteils. Außerdem lassen sie sich die Managementleistung in der Regel ordentlich vergüten. Die Verluste tragen die Investoren. Das beantwortet auch die Frage vieler gutgläubiger Politiker: „Warum sollte denn jemand Windräder aufstellen, wenn es sich nicht lohnen würde?“ Für einige lohnt sich das Geschäft immer: Fondsmanager, Rotorenhersteller, Verpächter. Für andere weniger. Die rund 75 000 Anleger des insolventen Windkraftunternehmens Prokon dürften selbst im glücklichsten Fall nur 60 Prozent ihrer Einlagen wiedersehen – und das nur gestückelt über Jahre. Auch die Prokon-Werber versprachen ihren Kunden, die Anlage sei durch Subventionen ein „grünes Sparbuch“, also praktisch rundum verlustgeschützt.
Die Politiker in den Südländern lassen sich von roten Zahlen und Pleiten nicht im Geringsten beeindrucken. Sie wischen sie mit dem Argument beiseite: es handle sich um Einzelfälle, instrumentalisiert von notorischen Energiewendefeinden. Eveline Lemke, grüne Wirtschaftsministerin Rheinland-Pfalz, will bis 2030 die Windkraftleistung in ihrem Land verfünffachen und für ihren großen Plan sogar sensible Naturgebiete opfern. Baden-Württembergs Umweltminister wünscht sich 1000 neue Rotoren im Ländle, vorzugsweise in den Schwachwindgebieten des Schwarzwaldes.
Als der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann kürzlich ins idyllische Taubertal reiste, versuchten Windkraftgegner, mit ihm über einen geplanten Rotorenpark ins Gespräch zu kommen. Sie führten die Landschaftszerstörung an – und die notorisch mauen Winderträge. Vergebens. „Die Regierung hat das so entschieden“, blaffte Kretschmann die Bürger an, „und so wird es auch gemacht.“
Zuerst erschienen beim Deutschen Arbeitgeberband hier
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