„Kornkraft statt Kernkraft“, so sagte Franz Alt — Wie sieht das heute aus?

Heute sind Änderungen eingetreten, so ist erstens ein Trend zu immer mehr Biolandwirtschaft mit niedrigeren Hektarerträgen zu sehen, und zweitens wurde ab 1998 seit der Regierung von Rot-Grün mit der Energiewende die Landwirtschaft zur Energieerzeugung angehalten: „Vom Landwirt zum Energiewirt“, so war der Slogan der Regierung, „Kornkraft statt Kernkraft“, sagte Franz Alt. Durch Biomasse kann Energie gespeichert werden, das sollte helfen, die Mängel von Wind (Flaute) und Sonne (Nacht, Winter) ausgleichen. Offensichtlich ist die Landwirtschaft den Deutschen nicht so wichtig, denn sie holen die Lebensmittel ja von Aldi und/oder Lidl?

Der Mensch als Wärmekraftmaschine

Der Mensch benötigt zu seiner Existenz Energie, die ihm in der Form von Nahrung zugeführt werden muß. Beim Normalgewicht von 75kg ist die Leistung von rund 100 Watt erforderlich, um bei der Körpertemperatur von 37°C die Lebensfunktionen aufrecht zu erhalten. Das ergibt im Jahr eine notwendige Energiezufuhr von rund 1000kWh durch die Nahrung. Bei körperlicher Anstrengung (die es bei uns zum Gelderwerb heutzutage kaum noch gibt) oder bei höherem Körpergewicht ist eine entsprechend höhere Energiezufuhr bis zu etwa 2000kWh pro Jahr erforderlich.
Betrachten wir den Menschen als eine Wärmekraftmaschine, dann kann diese Maschine in einem Jahr mit den Beinen rund 100kWh erbringen, mit den Armen nur rund 10kWh im Jahr. Der Wirkungsgrad liegt in der Gegend um 10%.
Der Wohlstand in unserem Lande kommt nicht von körperlicher Arbeit des Menschen, sondern dieser wird möglich durch weitere Energielieferanten: Kohle, Öl, Gas, Kernkraft. Für den Wohlstand sind pro Jahr 50 000kWh pro Person an Primärenergie erforderlich.
 
Die Leistungsfähigkeit der Wärmekraftmaschine Mensch soll an einem nachvollziehbaren Beispiel vorgerechnet werden. Ein Urlauber in Garmisch-Partenkirchen steigt auf die Zugspitze, dazu sind normal zwei Tage erforderlich mit Übernachtung auf einer Hütte. Die mit den Beinen aufzubringende Arbeit errechnet sich aus Höhenunterschied und Gewicht der Person zu rund 0,5kWh. Die durchschnittliche Leistung beträgt bei 10 Stunden Gehzeit rund 50 Watt. Gut trainierte junge Menschen können diese Bergtour in einem Tage schaffen, also rund 100 Watt mit den Beinen bei 5 Stunden Gehzeit aufbringen. Die maximal mögliche Leistung bei Extremsportlern liegt bei 300 Watt, diese können sie etwa eine Stunde lang bringen [2].

Welchen Folgen hat „Kornkraft statt Kernkraft“?

Die „Kornkraft“ betrifft die Ernährung des Menschen, dazu sind pro Person 1000kWh im Jahr nötig.
Die „Kernkraft“ betrifft den gesamten Wohlstand des Menschen, dazu sind bei uns 50 000kWh im Jahr nötig.
Die Biomasse soll im Rahmen der Energiewende – das ist der Ersatz der Kernenergie – die Mängel der Zufallsquellen Wind und Sonne ausgleichen. Die Politik schreibt: „Die Bioenergie soll bis 2050 einen wesentlichen Teil des Gesamtenergieverbrauchs decken“ [3]. Es ist ein Rätsel, wie sich die Politik dieses vorstellt. Wie soll die kleine zur Ernährung erforderliche Menge Bioenergie von 1000kWh pro Person und Jahr (von der in 2011 aber nur noch ca. 600kWh pro Person und Jahr aus Deutschland stammten) eine Entlastung beim viel größeren gesamten Primärenergieverbrauch von 50 000kWh pro Person und Jahr bringen?
Als Folge der Energiewende wurden in 2010 auf 1,8 Mill. ha in Deutschland Energiepflanzen angebaut, das sind 15% der Ackerfläche [3]. Es lässt sich abschätzen, daß damit in 2010 im Vergleich zu den 1990-er Jahren etwa 8 Mill. Menschen weniger mit Produkten aus deutscher Landwirtschaft ernährt wurden. Aus 70% Eigenversorgung wurde etwa 60% Eigenversorgung. Der globale Lebensmittelmarkt machte das möglich, an die Stelle der deutschen Ackerflächen traten Flächen im Ausland. Die oft propagierte Lebensmittelversorgung „aus der Region“ entspricht immer weniger der Realität. Warum wünscht unsere Regierung mehr Lebensmittelversorgung aus fernen Ländern, also mehr Transport über die Weltmeere, mehr Verkehr über Schienen und Autobahnen?
Eine Verknappung von Getreide auf dem Weltmarkt hat Preissteigerungen zur Folge. Aus dem Bäckerhandwerk bei uns wird von etwa 80% Teuerung bei Mehl in den letzten 5 Jahren berichtet. In einem Markt bilden sich die Preise durch Angebot und Nachfrage. Beim Lebensmittelmarkt spielen viele Dinge mit: Die Weltbevölkerung nimmt zu; die Schwellenländer wünschen eine Versorgung auf hohem Niveau wie in den Industrieländern; die Herstellung von Ethanol als Beimischung zum Benzin; Anbau von Energiepflanzen anstatt Nahrungspflanzen; das Wetter in den bedeutenden Exportländern für Getreide, Soja, Mais; Spekulation mit Erzeugnissen im Bereich Ernährung. Von dieser Aufzählung ist nur der Anbau von Energiepflanzen anstatt Nahrungspflanzen durch uns beeinflussbar, es liegt in den Händen unserer Politik. Haben die Umwälzungen in den nordafrikanischen Ländern nicht auch mit Nahrungsknappheit zu tun, so wie es schon bei den Hungerrevolten in Amerika 2007/2008 der Fall war [4]?
Deutschland hat auf der Erdkugel eine günstige Lage. Mitteleuropa liegt im Westwindgürtel der Erde, daher gibt es während der Vegetationsperiode immer wieder einmal Kaltluft und einmal Warmluft. Das ergibt regelmäßige Niederschläge als Voraussetzung für Pflanzenwachstum. Es gibt bei uns keine extremen Abweichungen von langjährigen Mittel. In anderen Ländern ist es anders, wir entsinnen uns an die große Dürre im mittleren Westen der USA im Jahre 2012. Die USA und Kanada sind eine Kornkammer der Erde, sie exportieren insgesamt so viel Weizen, wie in Deutschland an Getreide geerntet wird. Eine Dürre hat es dort schon öfter gegeben, zum Beispiel in 1988, 2002, 2011 [5]. Warum verzichtet man bei uns mit günstigen klimatischen Verhältnissen und einer recht sicheren Ernte auf Nahrungserzeugung, um als Ersatz auf die Ernte aus Staaten mit unsichereren Verhältnissen zurückzugreifen?
Es wird viel über Wirkungsgrade diskutiert, der Wirkungsgrad unserer Kernkraftwerke mit ca. 33% wird als zu niedrig angeprangert. Natürlich gibt es besseres, zum Beispiel moderne Kohlekraftwerke  (bei Braunkohle BoA mit ca. 45%) und Gaskraftwerke mit über 50% (Irsching 5). In Deutschland haben moderne Kraftwerke oft einen Wirkungsgrad NULL, wenn sie wegen der Vorrangeinspeisung vom Strom von Wind und Sonne nach EEG still stehen müssen. Die Natur darf immer produzieren, die Pflanzen assimilieren immer, sie verwandeln Sonnenenergie in chemische Energie. Deren Wirkungsgrad variiert in einem großen Bereich zwischen 0,05% und 0,5%, je nach Boden, klimatischen Verhältnissen, Düngung, Pflanzenart. Kraftwerke mit 33% Wirkungsgrad werden still gelegt, beim Ersatz ist dieser gerade einmal ein Hundertstel — ist das Fortschritt?

Was will Deutschlands Regierung?

In den neuen Beschlüssen der Regierung zum EEG von vor wenigen Tagen will die Regierung den Zubau im Rahmen des EEG begrenzen, bei Biomasse wird 100MW pro Jahr genannt. Was bedeutet das?
Mit 100MW (elektrisch) kann man bei 5000 Stunden im Jahr 500 Mill. kWh Strom erzeugen.
Beim Wirkungsgrad von einem Drittel sind dafür 1500 Mill. kWh an primärer Biomasse erforderlich.
Damit könnte man auch Lebensmittel für rund 1,5 Millionen Menschen erzeugen.
Deutschland will den globalen Lebensmittelmarkt weiterhin knapp halten, ihm jedes Jahr Nahrung für etwa eine weitere Million Menschen entziehen – warum?
Wäre es nicht nützlich, hier eine „Ethikkommission“ einzusetzen mit Sozialwissenschaftlern und Vertretern aus den Kirchen um mögliche Zusammenhänge mit dem Hunger auf der Welt, mit dem Aufbegehren der Armen, mit den Flüchtlingsströmen aufzuzeigen?

Wo liegt das Risiko der Kernkraft?

Während fehlende Nahrung ganz reale Risiken zur Folge hat, ist das Risiko der Kernkraft ein abstraktes theoretisches Risiko. Die sog. „Strahlengefahr“ bei der Kerntechnik ist eine angenommene Gefahr, die nur bei extrem hoher Dosis in sehr kurzer Zeit (d.h. bei extrem hoher Dosisleistung) real ist. So hat laut UNSCEAR die Kerntechnik seit Beginn von 1945 bis 2007 durch Strahlenunfälle weltweit insgesamt 147 Todesopfer gekostet, da sind Tschernobyl und Unfälle in der Medizin mit eingeschlossen (z.B. versehentliche Bestrahlungen mit tödlicher Dosis bei der Krebstherapie), auch der militärische Bereich in den Anfängen [6].
Bei kleiner Dosis gibt es KEINE Gefahr. Dennoch macht man die Annahme, daß auch dort eine Gefahr existieren würde, indem man das Risiko linear bis zur Dosis NULL extrapoliert. Natürlich benutzt man dabei den Konjunktiv!!! Würde man diese Annahme nicht machen, dann gäbe es für Deutschland keinen Grund für den Ausstieg. Es gibt bei westlichen Reaktoren inzwischen 15 000 Reaktorbetriebsjahre (im wesentlichen Leichtwasserreaktoren), ohne daß ein Mensch einen gesundheitlichen Schaden durch das vorhandene spezielle Risiko der Strahlung erlitten hätte. Das ist eine großartige Leistung der Sicherheitstechnik. Das Restrisiko, von dem Frau Dr. Merkel in ihrer Begründung zum Abschalten der Kernkraftwerke in 2011 sprach, ist also sehr sehr klein. Die Fachleute von UNSCEAR haben zu dem Unfall in Fukushima in dem kürzlich veröffentlichten Bericht [6] vom 2.4.2014 festgestellt, daß dort auch in Zukunft keine gesundheitlichen Schäden durch Strahlen für Menschen (Krebs) zu erwarten sind, also ist das Restrisiko dort tatsächlich gleich NULL.
In der Realität ist die „Strahlengefahr“ bei geringer Dosis eine negative Gefahr, d.h. die Strahlen sind nützlich für Lebewesen [7,8]. Die weltweit seit einem halben Jahrhundert gültige Strahlenschutzphilosophie ist falsch, sie sollte geändert werden (siehe die Profs. Becker, Feinendegen, Chen et.al., Henriksen, Muckerheide, Calabrese, und viele andere). Professor Jaworowski nannte den heutigen Umgang mit Strahlung durch Radioaktivität „kriminell“, weil es Schaden bringt, ein möglicher Nutzen aber behindert wird. Wann wird der Gesetzgeber endlich seine Irrtümer erkennen und Änderungen zu bewirken?
[1] Agrarbericht der Bundesregierung 1996
[2] Ergebnisse vom Wildsaurennen: http://www.sportverein-sellrain.at/index.php/wildsaustaffel
[3] Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2011, Ministerin Frau Ilse Aigner
[4] Prof. H.-W. Sinn: 12.7.2011 und 8.7.2014 im ifo-Institut, Kapitel „Teller oder Tank“ in „Das grüne Paradoxon“
[5] Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft, TOPICS GEO, Naturkatastrophen 2012
[6] http://www.unscear.org/
[7] J. Langeheine „Die Dosis macht das Gift – auch bei Strahlung“, www.eike-klima-energie.eu
[8] Feinendegen „Hormesis“ in  www.energie-fakten.de , Berichte zu Radioaktivität und Strahlung unter www.buerger-fuer-technik.de
Und hier ein Bild dazu aus meinem eigenem Vorrat:
Wohlstand ist nur möglich bei Verfügbarkeit über Energie. Wo die Energie fehlt, wird allein die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu einem beschwerlichen Job. Das ist heute noch an vielen Stellen der Welt Realität. Es gibt dort keine andere Möglichkeit, als Öko-Landwirtschaft konsequent nach dem Motto „weg vom Öl“ zu betreiben, wobei allein der „Hafermotor“ um die 50% der mühsam erzeugten Ernte benötigt.
Foto aus dem Dud Kohsi-Tal in Nepal, 2012, Dr. Karin Niemann