Fritz Vahrenholt: Kernkraft und Kohle hatten auch keinen Bestandsschutz
Zwischen Hauptgang und Nachtisch vor soviel landwirtschaftlichen Experten über die Zukunft der Bioenergie in Deutschland in 20 Minuten zu referieren, ist ambitiös. Vielleicht schaffe ich es ja, einige Anstöße zum Nachdenken zu geben. Als ich in 2012 als federführendes Mitglied des Bioökonomierates der Bundesregierung den Bericht “Zur nachhaltigen Nutzung der Bioenergie“ vorlegte, mit der Kernempfehlung :“ Biomasse von landwirtschaftliche Nutzflächen soll in erster Linie zur Ernährungssicherung beitragen“ war der Bericht für die Bundesregierung mehr als unangenehm. Denn wir stellten fest , dass weltweit eine Ursache des Teller-Tank Konfliktes Fördersysteme sind , die den kommerziellen Wert des biologischen Kohlenstoffs bei energetischer Nutzung höher ansetzen als durch Nutzung als Nahrungs-und Futtermittel. Schon damals wurden 20 % der Ackerfläche für den Anbau für die energetische und stoffliche Nutzung verwendet mit absehbar erheblichen Auswirkungen auf die ökologischen Schutzgüter.
Heute stellen wir fest, dass die Bundesregierung eine Kehrtwende in der massiven Förderung von Biogas und Biomasse vollzieht und die EU Kommission sich von den hochgesteckten Zielen der Biospritproduktion verabschiedet. Die erste Lektion des Abends ist also : Verlaß Dich nicht zu sehr auf die Politik in langfristigen Investitionsentscheidungen, die auf Subventionen beruhen.
Es waren SPD und Grüne, die im Jahre 2003 der Produktion von Bio-Kraftstoffen den entscheidenden Schub verpassten. (Reinem) Bioethanol und (reinem) Biodiesel verhalfen sie zur sofortigen Steuerbefreiung. Aber schon damals waren alarmierende Bedenken dagegen bekannt. Renate Künast, ehemals Bundeslandwirtschaftsministerin, sagte damals stolz: „Natürlich sind mit Biodiesel und der in Kürze zu erwartenden Markteinführung von Ethanol als Beimischung erste, wichtige Schritte getan“. Die gleiche Renate Künast kritisierte 2012, dass „mit öffentlichen Geldern Monokultur und Raubbau gefördert werden“. „Das muss man beenden“, der Trend zu immer mehr Mais-Monokulturen für Biomasse müsse gestoppt werden, forderte Künast.
Oder vielleicht erinnern Sie sich noch an die Sprüche Jürgen Trittins- (ich meine jetzt nicht seine Prognose aus 2004, die EEG Umlage werde nicht über die Kosten für eine Kugel Eis im Monat steigen)-nein,vielleicht haben Sie auch das noch im Ohr : „Der Acker wird zum Bohrloch des 21. Jahrhunderts, der Landwirt wird zum Energiewirt”, verkündete Bundesumweltminister Trittin im November 2005 auf dem Internationalen Fachkongress für Biokraftstoffe.
Davon will man heute nichts mehr wissen. Künast 2012 „Wir waren immer gegen E10″. Jeder kann dazu lernen, doch eine Bundesregierung ist mehr als eine Selbsterfahrungsgruppe mit eingebautem Amnesieschutz. Im Übrigen können Sie auch bei den Umweltministern Röttgen und Gabriel ähnliche flammende Bekenntnisse zur Ausweitung der Biogas- und Biospritnutzung im Netz finden. Das ist ja das Schöne am Internet: es duldet keine Amnesien. Schaut man in den aktuellen EEG-Gesetz-Entwurf, so ist klar: Die Biogasnutzung erfährt eine Vollbremsung. Damit Sie mich nicht mißverstehen, ich finde die Deckelung des Biogasbooms aus vielerlei Gründen für richtig. Die Verzerrung der Pachtpreise, die ökologische Verarmung ganzer Landstriche mt fatalen Folgen für unsere Wildtiere (wenn man vom Wildschwein absieht) aber vor allen Dingen die Kostenbelastung für Stromkunden und gewerbliche Unternehmen, machte eine Korrektur überfällig. Denn den noch vier bis fünffachen Preis des Börsenstrompreises für Biogasstrom muß ja irgendjemand bezahlen. Und da ist das Ende der Fahnenstange der Belastung der Haushalte und der industriellen Arbeitsplätze erreicht. Doch all dies erfolgt , nachdem man tausende von Landwirten über ein Jahrzehnt auf den Holzweg in eine Energiebonanza gelockt hat.
Sie haben ja alle sicher schon das neue EEG studiert. Als ich es las, hatte ich den Eindruck, so ungefähr müssen die 5 Jahres-Pläne der Zentralverwaltungswirtschaftsländer im ehemaligen Comecon ausgesehen haben.Biogas – Anlagen über 100 kw erhalten nur eine Vergütung für Strom aus einer Bemessungsleistung, die der Hälfte der installierten Leistung betrifft. Ein Ausgleich findet über eine Flexprämie statt. Um die zu ermitteln, schaut man in den Anhang des Gesetzes. Dort heisst es :
Alles klar? Im Vorblatt des Kabinettsbeschlusses heißt es: Das EEG wird deutlich vereinfacht. Nun gibt es ja eine beruhigende Erklärung der Bundesregierung. Es gibt einen Vertrauensschutz für Bestandsanlagen bis zum 31.12.2014, sofern die Anlage bis zum 22. Januar 2014 genehmigt worden ist.
Doch damit komme ich zur zweiten Lektion dieses Abends. Ich höre landauf, landab, am Bestandsschutz wird nicht gerüttelt. Das hatte es in Deutschland bislang noch nicht gegeben. Vorsicht! Wenn der mainstream sich ändert, ist man auch davor nicht gefeit. Denken Sie an die nachträgliche entschädigungslose Enteignung der deutschen Kernkraftwerke nach Fukushima. Das liegt zwar nicht am Rhein und in Japan werden die Kernkraftwerke wieder hochgefahren, aber Sie erinnern sich: erst Laufzeitverkürzung, dann Verlängerung und dann Stillegung und Bayern guckt in die Röhre.
Oder nehmen Sie den geplanten unglaublichen Eingriff der Nordrhein-westfälischen Landesregierung in den genehmigten Braunkohletagebau Garzweiler. Braunkohle ist zwar der einzige heimische und wettbewerbsfähige Energieträger. Ohne Braunkohle kein Aluminium, kein Stahl und keine Grundstoffchemie. Aber Kohle ist nicht mehr „en vogue“. Könnte es den Erneuerbaren Energien auch so ergehen in den nächsten 20 Jahren, denn so lange sollten die Investitionen schon sicher sein.
Andere Länder haben das gemacht. Spanien und Italien, deren Staatsverschuldung überbordet, haben eiskalt die Einspeisevergütungen für Bestandsanlagen rückwirkend radikal gekürzt, und zwar bei Biomasse, Solar und Wind. Noch ist die Akzeptanz für Erneuerbare Energien in Deutschland hoch. Die Zustimmung zur Energiewende ist zwar auf 56 % zusammengeschrumpft. Doch noch hält das. Aber hält das auch 20 Jahre , wenn die EEG Umlage weiter ausufert und sich den 1000 Milliarden Zusatzkosten nähert, die von Minister Altmaier beschrieben worden sind ? Wenn Industriebetriebe in die stromkostengünstigeren Regionen Fernost oder USA abwandern ? Wenn die Netzstabilität auf Grund der volatilen Energieträger Sonne und Wind kaum noch beherrschbar ist ? Wenn zu allem Überfluss die Klimaentwicklung sich nicht an die unzulänglichen Rechenprogramme der Klimaforscher hält und es nicht wesentlich wärmer wird ? Auch dem Bundesumweltminister Gabriel schwant, ich zitiere „ dass wir knapp vor dem Scheitern der Energiewende stehen.“
Die Energiewende in Deutschland hat zum Ziele, binnen drei Jahrzehnten eine Stromversorgung, die heute noch maßgeblich auf fossilen Energieträgern beruht, zu 80 % aus Erneuerbaren speisen zu lassen. Schon 2020 sollen es 35 % sein. Die Richtung stimmt. Die Welt wird in Zukunft stärker auf Erneuerbare Energien setzen. Doch für die nächsten Jahrzehnte setzen China, USA, Korea, Japan und Indien auf genau die fossilen Energieträger , von denen wir uns am liebsten heute schon verabschieden wollen. Das hat Gründe. Ausser der Wasserkraft sind Wind,- Solar und Bioenergie deutlich teurer als herkömmliche Energieträger. Im Augenblick werden in Deutschland im Jahr 24 Milliarden € per EEG-Umlage aufgewandt, um diese Differenz auszugleichen, Tendenz steigend.
Der dreiköpfige Durchschnittshaushalt wird mit 250 € jährlich, das sind 250 Eiskugeln, zur Kasse gebeten. Wir fragen uns : Warum in aller Welt müssen wir in einem Land, das eine Sonneneinstrahlung vergleichbar mit der von Alaska aufweist, in den nächsten Jahren die PV-Kapazität auf 52 000 MW ausbauen ? Zusammen mit Wind sind das dann mehr als 100 000 MW bei einer Höchstlast in Deutschland von 80 000 MW im Winter und 35 000 MW im Sommer. Wir werden noch häufiger als heute den Strom ins Ausland entsorgen und Geld drauflegen müssen, damit Österreich,Holland, Polen ,Tschechien ihn uns abnehmen.
Die Nachbarn freuen sich nicht besonders über den über die Grenzen schwappenden Abfallstrom, denn er zerstört die Wirtschaftlichkeit der dort im Betrieb befindlichen Kraftwerke. Pumpspeicherwerke in Österreich und der Schweiz geraten in die Unwirtschaftlichkeit. Das kann doch nicht unser Plan sein ? Aber nicht nur der Überschuss wird zum Problem. Wind – und Solarenergie liefern keine gesicherte Leistung. Windkraftanlagen erzeugen augenblicklich nur so viel Strom, als würden sie gerade einmal 1800 Stunden im Jahr mit voller Leistung laufen. Bei Photovoltaik sind es 800 Volllaststunden. Das Jahr hat aber 8760 Stunden. Um eine 10 tägige Windflaute zu überbrücken, bräuchte man im Szenario der Bundesregierung eine Strommenge aus Pumpspeicherkraftwerken, die dem Volumen des Bodensees,( 500qkm, 100 m tief) entspricht.
Es kommt eine netztechnische Herausforderung hinzu, die häufig vergessen wird. In einer hochentwickelten Industriegesellschaft benötigen wir jederzeit eine Sekundenreserve, dann wenn ein Stahlwerk angefahren wird, wenn ein ICE den Bahnhof verläßt, wenn das Flutlicht in einem Stadion eingeschaltet wird. Diese Sekundenreserve können nur Generatoren laufender Großkraftwerke liefern, die in Sekunden automatisch die Nachfrage ausgleichen. In Deutschland benötigt man hierfür zur Zeit etwa 15 000 MW laufender Kraftwerke. Photovoltaik und Windkraftwerke sind dazu nicht in der Lage. Biomassekraftwerke allerdings können das.
Minister Gabriel hat das begriffen: „Der hehre Anspruch, denzentrale Energieversorgung, Autarkie, das ist natürlich der helle Wahnsinn“. Zu allem Überfluß wird mit jedem neugebauten Windkraftwerk, mit jedem neuen Solardach nicht ein Gramm CO2 vermieden. Das liegt an der Tatsache, dass in Europa der Ausstoß an CO2 durch den Zertifikatehandel festgelegt ist. Werden also durch ein neues Windkraftwerk CO2-Mengen eingespart, werden automatisch CO2-Zertifikate freigesetzt, die irgendwo in Europa wieder zu zusätzlichen CO2-Emissionen führen. Warum machen wir eine überhastete Energiepolitik mit hohen Schlagzahlen und großen Gefahren für die soziale Balance, den Wirtschaftsstandort Deutschland und unsere Natur? Sie ist Angst getrieben. Sie ist getrieben von der Angst, dass wir mit CO2 unser Klima kaputt machen.
Die dritte, und diesmal gute Nachricht des Abends ist,dass sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse häufen, dass die Klimawirkung des CO2 durch den Weltklimarat maßlos überschätzt worden ist. Seit 15 Jahren hat es keine signifikante globale Erwärmung mehr gegeben, obwohl doch in diesem Zeitraum ein Drittel der historischen CO2 Emissionen erfolgten und der CO2- Gehalt der Atmosphäre Jahr für Jahr steigt. Die Klimamodelle, die sich allesamt in ihren Prognosen als falsch erwiesen haben, können die natürlichen Schwankungen des Klimas nicht berechnen. Die 60 jährigen zyklischen Ozeanströmungen haben zur Häfte zur Erwärmung zwischen 1978 und 1998 beigetragen und jetzt , da sie in ihre kühle Phase übergegangen sind, wird bis 2030 keine wesentliche Erwärmung zu erwarten sein. Einen weiteren Abkühlungsbeitrag wird die Sonne leisten, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in einer ihrer aktivsten Phasen seit 1000 Jahren war und nun in eine außergewöhnliche Schwächephase geraten ist, wie wir sie seit 200 Jahren nicht erfahren haben. Ja, CO2 ist ein klimabeeinflussendes Gas, es wird aber die globale Mitteltemperatur auf der Erde bis 2100 nicht mehr als 1 bis 1,5 °C ansteigen lassen. Und das hat nicht nur negative Folgen. Seit 1982 hat die Vegetationsproduktivität weltweit um 14 % zugenommen wegen mehr Wärme, mehr Feuchtigkeit und mehr CO2. Landwirten brauche ich nicht zu erzählen, dass unter 200 ppm CO2 die Photosynthese dramatisch zurückgeht. Natürlich sollten wir weltweit einen Anstieg der CO2 Konzentrationen auf 600 oder gar 800 ppm (also 0,08 % der Luft) tunlichst vermeiden . 28 % des CO2 kommt aus China, wo alle 8 Tage ein neues Kohlekraftwerk ans Netz geht. Alle unsere Anstrengungen zur CO2 Verringerung bis 2030 werden in 3 Monaten in China wieder wett gemacht.Nur ein globaler Co2 zertifikatehandel wird dieses Dilemma auflösen.
Warum dann ein überstürzter Alleingang, der soviel aufs Spiel setzt? Ich zitiere wieder unseren Energieminister Gabriel : „Die Wahrheit ist, dass wir die Komplexität der Energiewende unterschätzt haben“. Und nun droht der Energiewende von einer Seite Gefahr, die die Politik bislang nicht auf dem Radarschirm hatte.
Immer mehr Bürger spüren, wie die Energiewende den Natur-und Umweltschutz in Deutschland in Bedrängnis bringt. Bislang nur in tausenden von örtlichen Bürgerinitiativen, kaum miteinander verbunden, formiert sich der Graswurzelprotest gegen die Vermaisung der Landschaft mit den Folgen für die Artenvielfalt, die Gefährdung der heimischen Vogelwelt durch Windkraftanlagen in deutschen Wäldern und die Beeinträchtigung einzigartiger Kultur-und Landschaftsräume durch Photovoltaik-Exzesse.
Das Erneuerbare-Energie-Gesetz in der heutigen Fassung unterstützt die teuersten Energieerzeugungstechnologien, bringt keine CO2 Minderung und erodiert den Industriestandort Deutschland. Es ist kein Exportschlager sondern ein Auslaufmodell, dessen Folgen kaum noch zu bewältigen sind. Zitat Minister Gabriel : „Für die meisten Länder in Europa sind wir doch sowieso Bekloppte.“
Es bedarf einer grundlegenden Reform des Erneuerbaren Energiegesetzes, die Kosten müssen begrenzt werden und der Ausbau darf erst wieder Fahrt aufnehmen, wenn Ausgleichskraftwerke, Speicher und Netze in ausreichender Kapazität zur Verfügung stehen. Erneuerbare werden eine Zukunft haben, dort, wo sie wettbewerbsfähigen Strom produzieren und Netze den Strom aufnehmen und zum Verbraucher transportieren können. In der nächsten wirtschaftlichen Krise Deutschlands wird offenbar werden, dass wir diese Zusatzlast im Alleingang zur „Rettung der Welt“ nicht schultern können. Es wird dann unausweichlich Eingriffe in den Bestand von EEG-Anlagen geben. Das ist mein letzter Denkanstoß an alle , die sich die Zukunft schönrechnen.
Übernommen von Die kalte Sonne hier