FDP Energiepapier – Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben
Das FDP-Papier zur Energiewende – Diagnose ziemlich zutreffend, Therapie falsch
Ich entkleide das Energiepapier des FDP-Präsidiums mal von miserablem Bürokraten-Deutsch und sprachlichen Ballast und zitiere daher den wesentlichen Inhalt in indirekter Rede. Der Wortlaut des FDP-Papiers hier.
Der deutsche Strompreis ein echtes Wettbewerbshemmnis
Was in dem Papier stimmt, ist dies: Die deutschen Bürger und Betriebe kämen mehr und mehr an ihre Belastungsgrenze. Der Strompreis in Deutschland sei ein echtes Wettbewerbshemmnis geworden. Es sei jetzt an der Zeit, die an staatlich-zentraler Planwirtschaft ausgerichteten Subventionsinstrumente abzulösen und stattdessen den gesamten Energiemarkt wieder auf Wettbewerb auszurichten. Die Stromwirtschaft leide unter den Auswüchsen einer übermäßigen staatlichen Mikrosteuerung aus anlassbezogenen Korrekturen, Ausnahmen und Gegenausnahmen. Die für die Versorgungssicherheit unerlässlichen fossilen Kraftwerke seien vielfach nicht mehr rentabel. Das liege im Wesentlichen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Gedacht sei es nur, um neue Techniken in den Markt einzuführen. Diese Phase jedoch hätten die „Erneuerbaren Energien“ (EE) mit ihrem Marktanteil von rund 25 Prozent längst hinter sich gelassen.
Fehlgesteuert und sozial unausgewogen
Ebenfalls zu recht beklagt das FDP-Präsidium, das EEG belaste die deutschen Stromverbraucher (nach der Prognose für das Jahr 2014) mit Kosten für die Erzeugung von Strom in Höhe von rund 21 Milliarden Euro, aber der Marktwert dieses Stroms betrage nur rund 2,1 Milliarden. Die Ursache seien falsche Anreize. Sie gingen aus von der garantierten Einspeisevergütung. Es werde nicht sichergestellt, dass sich die kostengünstigsten Techniken und Standorte durchsetzten. Das bestehende System sei fehlgesteuert und sozial unausgewogen: Einkommens- und vermögensstarke Haushalte könnten von der garantierten Subventionierung eigener EE-Anlagen profitieren, während alle, auch einkommensschwache Haushalte mit der EEG-Umlage belastet würden.
Das EEG vernichtet volkswirtschaftliche Werte
Und auch dieses stimmt: Von den europaweit sinkenden Preisen für Industriestrom könne Deutschland weiterhin nicht profitieren. Im ersten Halbjahr 2013 seien die heimischen Preise um weitere sieben Prozent gestiegen. Sie lägen damit rund 19 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Die Verbraucherpreise für Strom überträfen den europäischen Durchschnitt inzwischen um 48 Prozent. Das EEG vernichte volkswirtschaftliche Werte und gefährde in Deutschland, zusammen mit den stetig steigenden Netzentgelten, die industrielle Basis, die eng geknüpften Wertschöpfungsketten und damit Arbeitsplätze. Für Privathaushalte und Wirtschaft sei der ungebremste Ausbau der erneuerbaren Energien zu einer Belastung geworden.
Wildwuchsartiger, wirtschaftlich absurder Ausbau
Schließlich trifft auch dieses zu: Das EEG entwickele sich immer mehr zu einem Problem wirtschaftsverfassungsrechtlicher Dimension: Es hebe die Steuerungsmechanismen der Sozialen Marktwirtschaft aus den Angeln. Politisch festgelegte Preise nebst Absatzgarantie hätten Investoren attraktive Garantiedividenden eröffnet, ohne dass sich diese an den Interessen und Bedürfnissen der Kunden einschließlich der Verbraucher orientieren müssten. Die Steuerungs- und Koordinationsfunktion der Energiepreise sei aufgehoben worden. Das habe zu einem wildwuchsartigen und wirtschaftlich absurden Ausbau geführt. Dadurch sei zusammen mit dem Abschalten systemrelevanter Kraftwerke die Stabilität der Stromversorgung gefährdet. Der Betrieb von Gas- und Kohlekraftwerken gerate zum Verlustgeschäft. Um Stromausfälle („Blackouts“) zu verhindern, zwinge die Bundesnetzagentur die Kraftwerksbetreiber, gegen ihren Willen auch solche Kraftwerke am Netz zu halten, deren Betrieb sich nicht rechne. Auch hier droht der noch tiefere Weg in die Kommandowirtschaft.
Die FDP-Vorschläge auf unseriösem, brüchigem Fundament
Wie wahr das alles doch ist und als Bestandsaufnahme weitgehend gelungen. Umso erschreckender dagegen sind die Therapievorschläge. Der Satz „Ziel ist Wettbewerb um die besten Lösungen für den Klimaschutz und die Umsetzung der Energiewende“, sagt aber ebenfalls alles. Die Vorschläge kranken von vornherein daran, dass auch das FDP-Präsidium als zutreffend und unstreitig unterstellt, das anthropogene CO2 bewirke eine übermäßige globale Erwärmung und daher müsse dieses Kohlendioxid verringert werden, um das Klima zu schützen. Aber weil diese bislang unbewiesene Unterstellung nicht zutrifft, sondern auf entschiedenen Widerstand stößt und die Widerständler das Gegenteil wissenschaftlich sogar belegen, stehen die Vorschläge für den Neustart auf einem Fundament, das offenkundig unseriös, brüchig und damit unverantwortlich ist. Folglich auch taugen die Vorschläge nichts.
Spott und Freude über Deutschlands „Energiewende“ im Ausland
Ebenso hält das FDP-Präsidium die „Energiewende“, ohne zu zweifeln, im Grundsatz für richtig, sie werde nur falsch angepackt. Schlimmer noch: Die Energiewende müsse endlich als europäisches Projekt konzipiert werden. Ach ja? Die anderen EU-Mitgliedstaaten werden begeistert sein (Vorsicht: Ironie). Sie halten wohlweislich an der Kernkraft fest und denken nicht daran, den verrückten Deutschen nachzulaufen. Im Ausland wird, wie man so hört, über die „Energiewende“ der Deutschen gespottet – und sich gefreut, dass Deutschland seine Wettbewerbskraft aus freien Stücken schwächt. Das Wort „Energiewende“ hat gute Aussichten, ebenfalls zum Sprachgebrauch im Englischen zu werden wie der deutsche „Kindergarten“ und der „Blitzkrieg“.
Mit den neuen instabilen Energien immer weiter und weiter
Auch will die FDP in Gestalt ihres Präsidiums die neuen instabilen Energien (Wind und Sonne, die nur Zufallsstrom ermöglichen, also Strom, der mal aufflackert und dann wieder erlischt) weiter ausgebaut sehen, nur solle das „dringend entschleunigt“ geschehen, auf dass, so der Sinn, Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz zunächst nicht völlig aus dem Ruder laufen. Aber das Verlangen nach einer “Entschleunigung” bedeutet, es geht mit dem Ausbau weiter und weiter, das Ausbautempo wird nur verlangsamt. Auch der Netzausbau soll weitergehen, weil sonst der dezentral erzeugte Zufallsstrom nicht wegzubringen ist. Der treibt die Kosten zusätzlich hoch. Ohne die neuen instabilen Energien wäre er überhaupt nicht nötig.
Das sind Rattenfängermethoden
Aber wie wird der Netzausbau schmackhaft gemacht? Wir lesen: „Es ist offensichtlich: Unser Land kann seinen Wohlstand mehren, wenn der Ökostrom dort produziert wird, wo es am günstigsten ist. Solarstrom aus Südeuropa, Wasserkraft aus Skandinavien und Windenergie von der deutschen Küste würde den Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger schonen und über bezahlbare Strompreise die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und damit auch unsere Arbeitsplätze sichern.“ Das sind Rattenfängermethoden. Ohnehin würde der bürgerliche Geldbeutel alles andere als geschont, er würde noch mehr strapaziert.
Was im FDP-Papier „Systemwechsel“ heißt, ist Systemfortsetzung
„Von den ursprünglichen Zielen der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 scheint Deutschland mittlerweile Lichtjahre entfernt zu sein“, liest man in dem Papier. Doch das FDP-Präsidium wirkt mit seinem Vorschlag, die „vielfältigen instrumentellen Ansätze der Energiewende und des Klimaschutzes“ in einem ‚Energie-Marktgesetz’ zu bündeln, nun selbst daran mit, dass die Entfernung noch größer wird, denn jedem neuen Gesetz folgen weitere Regulierungen. Außerdem verlangt das Präsidium ein „europäisch verankertes Quotenmodell“. Dieses gebe den Energieversorgungsunternehmen eine Quote vor, wie hoch der Anteil ihres verkauften Ökostroms mindestens sein müsse. Die Ökostromquote könne auf dem Markt auch durch handelbare Ökostromzertifikate abgedeckt werden. Regulierung, Regulierung, nix da von Liberalisierung, auch von der FDP nicht. Und alles segelt bei ihr schönfärberisch unter mehr Wettbewerb. Das FDP-Präsidium verkauft das als „einen grundlegenden Systemwechsel“. Aber das ist kein Systemwechsel, das ist eine Systemfortsetzung und Systemvertiefung mit einigen anderen und zusätzlichen Mitteln. Ein wirklicher Systemwechsel wäre die Rückkehr zur bewährten, kostengünstigen und sicheren Stromversorgung, wie sie Deutschland vor dieser „Energiewende“ besaß.
Den Mut, der der FDP abhanden kam, muss jetzt die AfD zeigen
Mit so einer Politik kommt die FDP nicht wieder auf die Beine. Dabei wird auch sie im Bundestag als Opposition gebraucht. Mit dieser Partei ist kein Staat mehr zu machen. Mit den anderen Altparteien allerdings ebenfalls nicht. Diese Lücke will und kann die neue Partei Alternative für Deutschland (AfD) füllen. Wäre sie auf der politischen Bühne nicht erschienen (erst vor einem Jahr!), hätte sich das FDP-Präsidium wohl noch nicht einmal aufgerafft, ein solches Papier zur Energiewende überhaupt vorzulegen. Nun aber ist die AfD am Zug und muss beweisen, dass sie es besser kann und auch in der Energiepolitik eine wirkliche Alternative bietet und – so ihr Wahlspruch – den „Mut zur Wahrheit“ auch hier beweist. Diesen Mut, der der FDP schon lange abhanden gekommen ist, könnte sie jetzt zeigen: auf ihrem Programmn-Parteitag in Erfurt diese Woche am 22. März zum Wahlkampf für den Einzug in das EU-Parlament. Aber sicher ist das noch keineswegs. Dabei ist die Energiewendepolitik für Deutschland noch kostspieliger und ruinöser als die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Union.