Kommentare zum Nature-Artikel ,,Climate Change: The Case of the Missing Heat”
Der Artikel in Nature Climate Change: The Case of the Missing Heat von Jeff Tollefson bekam bei WUWT und in der gesamten Blogosphäre sehr viel Aufmerksamkeit. Vieles in Tollefsons Artikel war eine vereinfachte Erklärung der Ergebnisse von Trenberth und Fasullo (2013) An apparent hiatus in global warming? Darüber haben wir bereits gesprochen. Siehe die Beiträge Trenberth and Fasullo Try to Keep the Fantasy Alive und More on Trenberth and Fasullo (2013) “An Apparent Hiatus in Global Warming?”
Anthony hatte völlig recht, als er die Aufmerksamkeit auf Tollefsons Artikel lenkte, zeigt dieser doch Argumente und Illustrationen, die schon vor Jahren von Skeptikern präsentiert worden waren; Argumente und Illustrationen, die von den Enthusiasten der globalen Erwärmung verworfen worden waren. Und Tollefson verlinkt ihn mit Trenberth und Fasullo.
Einen Punkt möchte ich von vornherein klarstellen. So weit ich das sagen kann hat niemand der von Nature interviewten Personen den Stillstand hinsichtlich der Erwärmung bestritten. Dieser Artikel ist ein Versuch, die zunehmenden Diskrepanzen zwischen den Modellsimulationen und den gemessenen globalen Temperaturen zu erklären. Und je mehr ich mich damit befasse, umso stärker gewinne ich den Eindruck, dass Tollefson manchmal ein wenig skeptisch ist.
Ein Problem bei Tollefsons Artikel: es geht darin nur um den Stillstand der Erwärmung. Er spricht nicht das Fehlen der Erwärmung im Pazifik und Nordatlantik bis zu Tiefen um 2000 m an, und zwar im Zeitraum 2003 bis 2012. Siehe Abbildung 1. Nur der Südatlantik und der Indische Ozean zeigen Erwärmung bis in die Tiefe. Abbildung 1 stammt aus diesem Beitrag:
Abbildung 1: Vom Menschen verursachte Treibhausgase können sich nicht entscheiden, welches Ozeanbecken sie erwärmen sollen. Und Tollefson vermittelt in seinem Artikel leider genauso viel Fehlinformationen wie Informationen.
Wie eben schon erwähnt, bestand das erste Problem des Artikels darin, dass er nicht die „fehlende Wärme“ in den Tiefen des Pazifiks während des letzten Jahrzehnts angesprochen hat. Genau dorthin sollte sich nämlich Trenberth und Fasullo (2013) zufolge die Wärme hin verzogen haben.
Das zweite Problem hat mit den PDO-Daten zu tun als Maßstab für die Stärke, Häufigkeit und Dauer von El Niño und La Niña-Ereignissen. Es ist der falsche Datensatz.
El Niño and La Niña-Ereignisse stehen im Brennpunkt des Artikels. Tollefson räumt das auch ein mit seinem Statement:
Und hier steht der äquatoriale Pazifik im Scheinwerferlicht.
Aber dann präsentiert er die PDO-Daten als das Maß aller Dinge für El Niño and La Niñas. Wahrscheinlich hat er das von Trenberth und Fasullo (2013) übernommen.
Zu El Niño und La Niña-Ereignissen kommt es im tropischen Pazifik, aber der PDO-Datensatz ist ein Abstraktum der Wassertemperaturdaten, abgeleitet aus dem außertropischen Nordpazifik und nicht aus dem tropischen Pazifik. Siehe Abbildung 2:
Abbildung 2
Die PDO-Daten repräsentieren im Grunde, wie eng die räumliche Verteilung der Wassertemperatur-Anomalien im Nordpazifik (nördlich von 20°N) die Verteilung während ENSO-Ereignissen durchmischt (wobei die räumliche Verteilung so aussieht, dass es während eines El Niño im Osten wärmer und in den zentralen und westlichen Gebieten kälter ist, während es bei einem La Niña genau umgekehrt ist). Weil diese räumliche Verteilung der Wassertemperatur im Nordpazifik auch noch auf den Luftdruck (und die damit zusammenhängende Verteilung der Windvektoren) reagiert, sind die PDO-Daten keine wahre Repräsentation der Häufigkeit, Größenordnung und Dauer von El Niño und La Niña-Ereignissen.
Weitere Informationen zur PDO, was sie repräsentiert und – noch wichtiger – nicht repräsentiert, gibt es in den Beiträgen hier, hier und hier.
Abbildung 3
Die große Überraschung des Nature-Artikels war die Abbildung, in der die PDO-Daten mit der globalen Temperatur verglichen worden waren. Dieser hatte man die Bezeichnung „The Pacific’s Global Reach” [etwa: Die globale Reichweite des Pazifiks] gegeben. Diese Abbildung zeige ich hier als Abbildung 3. Darin werden die JISAO PDO-Daten mit den globalen Temperaturanomalien verglichen. Im Text der Abbildung heißt es eindeutig:
Während der Perioden, in denen der PDO-Index positiv und der östliche Pazifik warm ist, sind die globalen Temperaturen rasch gestiegen. Während negativer Indexwerte hat die Erwärmung stagniert.
Außerdem heißt es in dem Artikel unter Verweis auf diese Abbildung:
Eine Analyse historischer Daten stützt diese Ergebnisse, zeigt doch eine solche, dass die Kaltphase der PDO zusammengefallen war mit einigen Jahrzehnten kühlerer Temperatur nach dem Zweiten Weltkrieg (siehe ‚The Pacific’s global reach’) und dass die Warmphase auf einer Linie mit einer starken Temperaturspitze der globalen Temperaturen zwischen 1976 und 1998 liegt.
Dies zeigt natürlich eindeutig, dass die Warmphase der PDO teilweise für die Erwärmung von 1976 bis 1998 verantwortlich ist. Wenn die PDO die Erwärmung anhalten kann, muss die PDO zur Erwärmung beigetragen haben. Das war jahrelang ein skeptisches Argument. Ich kann mich an ähnliche Graphiken schon vor 5 Jahren erinnern. Tatsächlich war diese Ansicht so populär, dass es bereits im Jahre 2008 bei SkepticalScience einen Artikel dazu gab.
Unglücklicherweise sind keine Mechanismen bekannt, mittels derer die PDO (wie sie durch den JISAO-Datensatz definiert wird) die globalen Temperaturen variieren kann. Die Wassertemperaturen des Nordpazifiks nördlich von 20°N sind umgekehrt proportional im Vergleich mit den PDO-Daten.
Jene Mechanismen existieren im tropischen Pazifik und zeigen sich in Gestalt von El Niños und La Niñas. Es gibt Indizes auf der Grundlage der Wassertemperatur hinsichtlich Stärke, Dauer und Häufigkeit von El Niños und La Niñas. Tatsächlich fordern Trenberth und Stepaniak (2001) in ihrem Artikel Indices of El Niño Evolution (online Ausgabe hier) die Verwendung der Wassertemperatur-Anomalien der NINO 3.4-Region des äquatorialen Pazifiks (in der Studie bezeichnet als N3.4). Siehe diese Abbildung für die genaue Örtlichkeit der N3.4-Region. Trenberth und Stepaniak (2001) haben den HadISST-Datensatz verwendet mit einem Anomalie-Vergleichszeitraum von 1950 bis 1979. Unglücklicherweise haben Trenberths und Stepaniak niemals eine Rechtfertigung für diese Basisperiode geliefert. Also wird es wohl besser sein, die gesamte Zeitspanne der Daten (1923 bis 2013) als Vergleichsbasis für die Temperaturanomalien in der N3.4-Region heranzuziehen.
Die Wassertemperaturdaten aus dem Gebiet NINO3.4 sind ein realistischer Index für Stärke, Häufigkeit und Dauer von El Niño und La Niña-Ereignissen. Daher wollen wir die mittleren Anomalien der Wassertemperatur in diesem Gebiet betrachten, und zwar für die zwei Erwärmungs- und die zwei Stillstandsperioden. Siehe Abbildung 4! Wir wollen die von Trenberth und Stepaniak (2013) festgelegten Zeiträume heranziehen:
Die monatliche Zeitreihe zeigt deutlich die multidekadische Struktur der PDO (dargestellt durch die schwarze Linie) mit positiven Phasen von 1923 bis 1942 und 1976 bis 1998 sowie negative Phasen von 1943 bis 1976 und nach 1999.
Komischerweise stimmen die von Trenberth und Fasullo (2013) festgelegten Perioden nicht mit jenen von Tollefson überein in seiner Abbildung ‚The Pacific’s Global Reach‘. Unabhängig davon zeigt meine Abbildung 4, dass die mittleren Anomalien der Wassertemperatur im NINO3.4-Gebiet während der beiden o. g. Warmphasen deutlich über Null lagen. Das bedeutet, dass El Niño-Ereignisse während dieses Zeitraumes dominiert haben. Die globalen Temperaturen sollten sich während solcher Zeiträume erwärmen, weil der tropische Pazifik mehr Wärme als „normal“ freisetzt und mehr Wasser, das wärmer als „normal“ ist, in die benachbarten Ozeanregionen gelangen lässt. Und während der beiden Stillstandsperioden von 1943 bis 1976 sowie nach 1999 liegen die mittleren Wassertemperatur-Anomalien im NINO3.4-Gebiet unter Null. Das bedeutet natürlich, dass der tropische Pazifik weniger Wärme als „normal“ freisetzt und auch weniger warmes Wasser in benachbarte Ozeanbecken gelangt. Und während dieser Zeiträume ist die globale Temperatur flach verlaufen oder hat sich leicht abgekühlt.
Abbildung 4
Nun könnte man sich fragen, warum hat Tisdale das alles gesagt, wenn es doch im Grunde die gleichen Ergebnisse zeitigt wie der PDO-Graph von Tollefson?
Der NINO3.4-Datensatz ist der richtige und PDO der Falsche. Die PDO repräsentiert nicht das Auftreten sowie Stärke und Dauer von El Niño und La Niña-Ereignissen. Die PDO ist lediglich eine El Niño und La Niña-Ereignissen folgende Erscheinung, zusammen mit dem Einfluss des Bodenluftdrucks im Nordpazifik.
Aber jetzt müssen wir betrachten, dass die NINO3.4-Daten nur die ENSO-Auswirkungen in einem kleinen Gebiet des äquatorialen Pazifik überdecken. Sie repräsentieren nicht die Prozesse von ENSO oder deren Folgeerscheinungen. Und auf keinen Fall können die NINO3.4-Anomalien der Wassertemperatur das warme Wasser zeigen, das nach starken El Niño-Ereignissen übrig bleibt. Dieses wird nach solchen Ereignissen in den benachbarten Ozeanbecken verteilt.
Weitere Fehlinformationen
Im Artikel heißt es (Fettdruck von mir):
Unmittelbar vor Eintritt des Stillstands war es in diesem Gebiet ungewöhnlich warm während des El Niño-Ereignisses von 1997/1998. Dieses sorgte auf der ganzen Welt für Wetterextreme, von Überschwemmungen in Chile und Kalifornien bis zu Dürren und Buschbränden in Mexiko und Indonesien. Aber es endete genauso schnell wie es begonnen hatte, und Ende 1998 hat sich im östlichen äquatorialen Pazifik wieder kälteres Wasser ausgebreitet – ein Anzeichen für die Schwester eines El Niño, nämlich La Niña. Noch wichtiger, der gesamte östliche Pazifik ist danach in eine Kaltphase gegangen, die mehr oder weniger bis heute anhält.
Der gesamte östliche Pazifik? Die PDO-Daten repräsentieren nicht den „gesamten östlichen Pazifik“. Wenn er an die Anomalien der Wassertemperatur denkt, liegt er ebenfalls falsch. Seit 1999 gab es eine ganze Reihe von El Niño-Ereignissen, und zwar 2002/2003 … 2004/05 … 2006/07 … und 2009/10. Folge: die mittlere Anomalie der Wassertemperatur (des Ostpazifiks) von Januar 1999 bis Dezember 2013 betrug +0,06°C im Vergleich zur Standard-Bezugsperiode der NOAA von 1971 bis 2000 für deren ReynoldsOI.v2-Daten. Und das ist weit entfernt von „einer Kaltphase, die mehr oder weniger bis heute anhält“. Siehe Abbildung 5!
Abbildung 5
Unsinn der Modelle
Weiter aus dem Artikel:
Zweitens, viele Forscher haben in den Simulationen der Klimamodelle eine entgegen gesetzte Verteilung gefunden. Sie spiegeln die gesamte Palette der Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre über den äquatorialen Pazifik hinaus. Sie tendieren dazu, einen Trend hin zu mehr El Niño-Ereignissen zu zeigen al seine Folge der globalen Erwärmung.
Klimamodelle können ENSO nicht angemessen simulieren, sind also irrelevant. Siehe die Beiträge von Guilyardi et al. (2009) Understanding El Niño in Ocean-Atmosphere General Circulation Models: Progress and Challenges sowie Bellenger et al. (2013) ENSO Representation in Climate Models: From CMIP3 to CMIP5. Einen Vorabdruck gibt es hier.
Dinge, die man übersehen hat
Das Folgende ist geschrieben worden für den Beitrag Comments on Stefan Rahmstorf’s Post at RealClimate “What ocean heating reveals about global warming. Die Diskussion dazu gilt auch für hier. Ich habe die Nummerierung der Abbildungen verändert und kleinere Überarbeitungen für diesen Beitrag vorgenommen.
Der Graph auf der linken Seite der Abbildung 6 zeigt, dass sich die Wassertemperaturen des Ostapzifiks kaum erwärmt haben, wenn überhaupt, und zwar während fast der gesamten letzten 32 Jahre … seit Beginn des ReynoldsOI.v2-Datensatzes der Wassertemperatur im November 1981. Der Ostpazifik (90°S bis 90°N; 180°W bis 80°W) macht etwa 33% der globalen Ozeanoberfläche aus. Die von Jeff Tollefson vorgelegten Studien gehen nicht auf dieses Fehlen der Erwärmung ein, und die Klimamodelle simulieren das nicht.
Abbildung 6
Das Gleiche gilt auch für das, was der Graph zur Rechten zeigt, nämlich die Anomalien der Wassertemperatur im Südatlantik sowie des Indischen und Westpazifischen Ozeans. Die Koordinaten stehen in der Bildüberschrift. Sie machen über 50% der globalen Ozeanoberfläche aus. Aus dieser Graphik sind einige Dinge erkennbar: (1) deren langzeitliche Erwärmung hängt ab von den El Niño-Ereignissen von 1986/87/88 sowie 1997/98 (und möglicherweise vom El Niño 2009/10); (2) sie kühlen sich nicht proportional ab während der Übergangsphasen zu den La Niñas von 1988/89 und 1998/01; aber (3) sie kühlen sich leicht ab über Jahrzehnte lange Perioden zwischen den El Niño-Ereignissen von 1986/87/88 und 1997/98 sowie zwischen 1997/98 und 2009/10.
Für eine Einführung in die Prozesse der natürlichen Erwärmung der globalen Ozeane gibt es den bebilderten Beitrag The Manmade Global Warming Challenge (42 MB).
Die Wassertemperaturen im Nordatlantik werden von einer anderen natürlichen Variabilität dirigiert, nämlich der Atlantischen Multidekadischen Oszillation AMO, die von Jeff Tollefson vollkommen übersehen worden ist. Wegen der AMO hat sich die Wassertemperatur dort mit einer viel größeren Rate erwärmt als die übrigen globalen Ozeane von Mitte der siebziger Jahre bis zu Beginn dieses Jahrhunderts. Aber die Wassertemperaturen des Nordatlantik deuten darauf hin, dass die AMO ihren Höhepunkt bereits überschritten hat. Siehe Abbildung 7! Falls sich die Geschichte wiederholt – und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sie das nicht tut – werden die Wassertemperaturen im Nordatlantik keine Erwärmung zeigen und sich tatsächlich noch ein paar Jahrzehnte lang abkühlen.
Abbildung 7
Anmerkung: Für weitere Informationen zur AMO siehe hier und meinen Blogbeitrag hier. Außerdem gibt es von mir hier eine Einführung zur AMO.
Schlussbemerkungen
Der Artikel von Jeff Tollefson zeigt, dass sich die klimawissenschaftliche Gemeinschaft in die richtige Richtung bewegen könnte – KÖNNTE!
Aber sie muss zu den Grundlagen zurückkehren: ENSO wird durch Sonnenlicht angetrieben. Und dafür gibt es, wie ich schon etliche Male zuvor erwähnt habe, die Arbeit von Trenberth et al. (2002) Evolution of El Niño–Southern Oscillation and global atmospheric surface temperatures. Darin heißt es:
Die negative Rückkopplung zwischen der Wassertemperatur und Flüssen an der Oberfläche kann so interpretiert werden: Sie zeigt die Bedeutung der Wärmefreisetzung während El Niño-Ereignissen und die Wärmeanreicherung während der La Niña-Ereignisse. Relativ klarer Himmel im zentralen und östlichen tropischen Pazifik erlaubt es der Sonnenstrahlung, in den Ozean einzutreten, was offensichtlich die unternormalen Wassertemperaturen beseitigt, aber die Wärme wird abtransportiert durch die Ekman-Spirale, Meeresströme und Wechselwirkungen zwischen Rossby- und Kelvin-Wellen, und die Wärme wird im tropischen Westpazifik gespeichert. Das ist nicht einfach nur eine Umverteilung der Wärme in den Ozeanen, sondern eine Widerherstellung der Wärme dort.
Mit anderen Worten, stärkere Passatwinde reduzieren die Wolkenbedeckung, was wiederum das Eindringen mehr Sonnenlichtes ermöglicht und zur Erwärmung des tropischen Pazifiks führt. Wenn also die stärkeren Passatwinde vermehrt zur Ansammlung warmen Wassers im westlichen tropischen Pazifik führen, bildet eine Zunahme der Sonneneinstrahlung den Treibstoff dafür. Noch viel detaillierter wurde dies behandelt unter der Überschrift abwärts gerichtete kurzwellige Strahlung im Gegensatz zu abwärts gerichteter langwelliger Strahlung während La Niña-Ereignissen in dem Beitrag Open Letter to the Royal Meteorological Society Regarding Dr. Trenberth’s Article “Has Global Warming Stalled?”
Übersetzt von Chris Frey EIKE