Energieautarkie am Beispiel Sonne: Wie ideal ist dezentral? Nur wenn Geld keine Rolle spielt!

Um dieser Frage nachzugehen, muss man sich einmal die Erfordernisse einer „dezentralen Energieversorgung“, wie sie von grünbewegten Zeitgenossen unermüdlich propagiert werden, genauer ansehen. Unter Fachleuten spricht man in solchen Fällen auch von „Insellösung“. Um die Sache einfach zu halten, nehmen wir an, eine einzelne Familie mit 4 Personen wolle sich aus der Abhängigkeit von den Energieriesen befreien. Man kappt die Netzverbindung und setzt jetzt einzig auf Solarzellen sowie Batterien als Speicher für solche Zeiten, wo die Sonne mal gerade ein Päuschen einlegt. Was würde dafür benötigt, und wie sieht die entsprechende Kalkulation aus? Um das zu untersuchen, braucht man zunächst realistische Daten. Hierfür wurden deshalb die in Deutschland installierten Solarkapazitäten sowie die damit produzierten Strommengen über eine 1-Jahresperiode hinweg analysiert. Datenquelle sind die von der deutschen Strombörse (EEX) veröffentlichten Erzeugungsstatistiken in viertelstündlicher Auflösung.

Solarstromproduktion im Jahresverlauf

Für die hier durchgeführte Betrachtung wurde als Ausgangspunkt der 1-Jahresperiode der April 2012 gewählt, weil dadurch gleich am Anfang ein hohes Solaraufkommen gewährleistet wird. Das zwischen April 2012 und März 2013 in Deutschland produzierte Aufkommen an Solarstrom zeigt Bild 1.

Bild 1: Solarstromproduktion in Deutschland im Zeitraum von April 2012 bis März 2013 in MWh (Datenquelle: EEX)

Schon beim ersten Blick auf den Verlauf zeigt sich, dass das Aufkommen an Solarenergie genau gegenläufig zur üblichen Bedarfskurve verläuft: Im Winter, wenn der Energiebedarf am größten ist, liefert die Fotovoltaik die geringsten Erträge. Dies zeigt sich auch, wenn man sich die entsprechenden Nutzungsgrade der FV-Anlagen im Jahresverlauf ansieht, Bild 2. Bei dieser Kalkulation wurde übrigens der Zubau, der im Laufe der Untersuchungsperiode stattfand, mithilfe eines linearen Ausgleichsfaktors berücksichtigt.

Bild 2. Monatliche Nutzungsgrade der in Deutschland installierten Fotovoltaikanlagen im Zeitraum April 2012 bis März 2013

Entsprechend der geringeren Sonnscheindauer und des schlechteren Einfallswinkels im Winter zeigt sich ein Abfall des Nutzungsgrades von ca. 20 % in den sonnenreichen Sommermonaten auf teils weniger als ein Zehntel dieses Wertes in den vier dunklen Monaten November bis Februar. Für die Gesamtperiode ergab sich übrigens ein über dem langjährigen Durchschnitt liegender Gesamtnutzungsgrad von 12 %. Diese Nutzungsgradkurve diente als Grundlage für die Abschätzung des Solarstromaufkommens im nachfolgend vorgestellten Beispiel.

Familie Mustermann und ihr autarkes Solarhaus

Unsere Test-Inselfamilie Mustermann besteht aus Vater, Mutter und zwei fast erwachsenen Kindern und lebt in einer Doppelhaushälfte, die nach heutigem Standard gedämmt ist. Als Beitrag zum Klimaschutz verzichtet man auf fossile Energieträger wie Öl oder Gas und hat stattdessen eine elektrische Warmwasserbereitung sowie eine moderne Wärmepumpenheizung. Mustermanns verbrauchen jährlich die für einen solchen 4P-Haushalt typische Strommenge von 6190 kWh [WIKI] und für die Wärmepumpenheizung zusätzlich nochmals 2500 kWh, macht zusammen 8690 kWh. Während man beim normalen Stromverbrauch in erster Näherung einen konstanten Verlauf über das Jahr hinweg annehmen kann, hängt der Strombedarf der Heizung natürlich von der Jahreszeit bzw. von den Aussentemperaturen ab. Im vorliegenden Fall wird davon ausgegangen, dass sich Mustermanns auch hierbei mustergültig verhalten und die entsprechende Strombedarfskurve der üblichen Berechnung mittels Gradtageszahlen nach VDI 2067 entspricht. Den sich aus diesen Betrachtungen ergebenden Jahresverlauf des Stromverbrauchs zeigt Bild 3.

Bild 3. Verlauf des Strombedarfs von Familie Mustermann von April 2012 bis März 2013

Dimensionierung der Solaranlage

Die entscheidende Forderung an die zu beschaffende Solaranlage muss natürlich sein, dass sie den Jahresbedarf der Familie vollständig decken kann, und das über den gesamten Nutzungszeitraum von mindestens 20 Jahren und auch in etwas schlechteren Sonnenjahren, denn der Zähler soll ja abgeklemmt bleiben. Da Fotovoltaikpaneele mit einer Maximalleistung (kWp) von 1 kWp bei einem Nutzungsgrad von 12 % im Jahr 1051 kWh liefern, bräuchte man theoretisch rund 8,3 kWp, um die benötigte Jahresstrommenge zu erzielen.

Zunächst einmal müssen jedoch noch Abschläge mit Blick auf Modulwirkungsgrad, Dachneigung und Abschattung berücksichtigt werden, die man im Durchschnitt mit 8 % veranschlagen kann. Hinzu kommt die Tatsache, dass bei der Batteriespeicherung Verluste auftreten. Leider findet sich dazu nicht in jedem Prospekt eine Angabe. Deshalb sollte man beim Füllen und Entleeren der Batterien Verluste von 10 % ansetzen. Um beide Faktoren auszugleichen, muss man die Solaranlage entsprechend größer dimensionieren. Weitere Korrekturen betreffen den Ausgleich des Leistungsabfalls der Kollektoren im Verlauf der Zeit, den man mit 25 % ansetzen kann, sowie eine Sicherheitsmarge von 20 % für Jahre, in denen der Anlagenertrag wegen schlechten Wetters niedriger ausfällt. Hieraus ergibt sich folgende Auslegung:

Da Solarmodule pro Quadratmeter etwa 125 Wp liefern, bräuchte man dafür eine Dachfläche von rund 133 m2. Soviel geeignete Fläche steht auf einem klassischen Einfamilienhaus mit Satteldach jedoch nicht zur Verfügung, daher muss man vermutlich noch den Garten mit Solarmodulen belegen. Aber nun gut, für die Rettung des Klimas ist Familie Mustermann bereit, gewisse Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Die Investitionskosten für eine solche Anlage betrugen (laut Solarrechner.de) im November 2013 rund 29.700,- €.

Für die weiteren Betrachtungen unterstellen wir ein worst-case-Szenario, d.h. wir simulieren eine Situation, in der die Solaranlagen aufgrund diverser Faktoren am unteren Minimum arbeitet und auch die Sonnenscheindauer um 20 % unter dem üblichen Niveau liegt.

Ist Tagesspeicherbetrieb sinnvoll?

Als erstes ist die Frage zu klären, ob mit einer solchen Anlage und einem ordentlichen Batteriepack eine Versorgung im Tag/ Nachtwechselbetrieb auch im Winter möglich ist. Als Simulationstag nehmen wir den 1. Januar 2013. An diesem Tag liegt der tägliche Bedarf an elektrischer Energie bei 30,35 kWh. Bezüglich der Batterie nehmen wir an, dass Mustermanns sich für die größte Version mit 13,8 kWh Speicherkapazität entschieden haben. Weitere Annahme ist, dass der Weihnachtsmann der Batterie um Mitternacht eine volle Ladung spendiert hat. Das Ergebnis einer Simulation am Beispiel dieses typischen Januartages zeigt Bild 4.

Bild 4. Simulation des Verlaufs von FV-Erzeugung, Nutzungsgrad, Strombedarf und Batterieladung in 15-min Schritten am 1. Januar 2013. An diesem Tag lag der Nutzungsgrad der Solaranlage bei 2,6 %, deutlich besser als der Monatsdurchschnitt von 1,6 %.

Wie sich zeigt, reicht die Batterieladung gerade hin, um den Strombedarf bis 10.30 zu decken, danach ist Schluss. Die Solaranlage kann den laufenden Bedarf nach einstündiger Pause dann lediglich zwischen 11.30 Uhr und 13.00 Uhr decken, danach ist alles dunkel und kalt. An ein Laden der Batterie für den nächsten Tag ist gar nicht zu denken. Da die meisten Tage in den Monaten November bis Februar ähnlich verlaufen, nützt die Batterie bei dieser Betriebsart herzlich wenig, und zwar gerade in der Jahreszeit, wenn sie am meisten gebraucht würde. Energieautarkie ist so nicht zu erreichen. Das ginge nur, wenn man die Batterie als Saisonspeicher betreibt, der in den sonnenreichen Monaten aufgeladen wird, um die Ladung dann im Winter abzugeben.

Batterie als Saisonspeicher

Deshalb wird im nächsten Schritt simuliert, wie sich die Kombination aus Solaranlage und Batterie bei einem Saisonspeicherbetrieb verhält. Dabei wird von den gleichen Voraussetzungen ausgegangen wie im ersten Fall, nur geht es jetzt darum zu ermitteln, welche Batteriekapazität erforderlich ist, um den Winter zu überstehen. Natürlich kann und muss die Batterie hierbei auch im Tagspeicherbetrieb verwendet werden, dieser braucht jedoch nicht speziell simuliert zu werden, für die Betrachtung genügen Monatsbilanzierungen. Das Ergebnis der entsprechenden Simulation zeigt Bild 5.

Bild 5. Simulation von Solaranlage und Batterien im Saisonspeicherbetrieb mit für Deutschland zwischen April 2012 und März 2013 ermittelten Solardaten

Wie man sieht, wäre ein solcher Betrieb im Prinzip machbar, sofern die Batterien diese Betriebsart ohne wesentliche Verluste und Eigenschaftsänderungen mitmachen. Benötigt würde allerdings ein recht grosser Batteriespeicher: Um die maximal erforderliche Energiemenge von 3358 kWh speichern und wieder abgeben zu können, würden Batterien mit einer Nennkapazität von 3730 kWh benötigt, da die maximale Entladetiefe von Li-Ionen-Batterien rund 90 % beträgt. Bei den aktuell angebotenen Systemen von z.B. Varta/ RWE beträgt die maximale Kapazität pro Einheit 13,8 kWh [RWE], für die benötigte Speicherkapazität wären demnach 270 Einheiten erforderlich. In durchschnittlichen Einfamilienhäusern könnte es bei einem Flächenbedarf von 0,24 m2 pro Einheit im Keller etwas knapp werden, vor allem da die Module noch ein wenig Zwischenraum für die Kühlluft benötigen. Zudem ist in solchen Fällen sicherlich eine Rücksprache mit der Feuerversicherung ratsam, denn Li-Ionen-Batterien haben den Ruf einer gewissen Feuergefährlichkeit [FEUE].

Bild 5. Li-Ionenakkus eignen sich sehr gut für alle möglichen Haushaltsanwendungen…aber für den Solarbereich?

Das grösste Problem dürften die Kosten sein. Mit Preisangaben halten sich die meisten Anbieter merklich zurück. Im Internet finden sich Angaben, aus denen sich ein Preis von rund 2615 €. pro kWh Speicherkapazität errechnen lässt [BATT]. Um die Zahlen nicht ins Unendliche wachsen zu lassen, wollen wir einmal annehmen, dass die Preise dank chinesischer Anbieter auf 1000,- €/ kWh sinken. Damit wären für die hier berechnete Speicherlösung rund 3,75 Mio. € aufzubringen. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass man bei einem derartigen Auftrag sicherlich noch etwas handeln kann, vielleicht bekommt man dann die Transportaufwendungen bezahlt, denn schliesslich wiegen diese Batterien rund 12,5 kg pro kWh Speicherkapazität, in Summe also etwa 47 Tonnen. Sinnvollerweise sollte man auch zu diesem Zeitpunkt gleich klären, wer sich nach Ablauf der Betriebsdauer um Abtransport und Entsorgung kümmert.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, was denn eine solche Batterielösung für die „Insellösung Deutschland“ kosten würde. Hier genügt eine einfache Überschlagsrechnung: 0,9375 Mio. Batteriekosten pro Einwohner bei 80 Mio. Einwohnern macht rund 75 Billionen. Fazit: Eine Saisonspeicherlösung mit Batterien könnte möglicherweise an der Finanzierungsfrage scheitern.

Nepp und Bauernfängerei

Wie bereits erwähnt, finden sich im Internet dennoch zahlreiche Angebote für Privatleute, ihre neue oder bereits vorhandene Solaranlage mit einem solchen Speichersystem aufzurüsten. Hintergrund sind entsprechende Fördergelder – natürlich auf Kosten der Allgemeinheit –, die bei kleinen Batteriegrössen angeblich Gewinne ermöglichen sollen. Wie überall im Bereich der „Erneuerbaren“ sollte man solchen Angeboten jedoch mit Vorsicht begegnen, denn die Aussicht auf leichtes Geld lockt jede Menge Bauerfänger an, die dem arglosen Häuslebauer gerne das Blaue vom Himmel herunter versprechen. Nach überschlägigen Berechnungen liegen die Kosten für Batteriespeicherung von Strom im günstigsten Fall bei 35-50 ct./ kWh. Rechnet man noch die Kosten des eigenen Solarstroms hinzu, so liegt man nach wie vor deutlich über dem Strompreis der Versorgungsunternehmen.

Zudem sollte man auch den Leistungsangaben der Batterieanbieter mit gesundem Misstrauen begegnen. Da werden Betriebsdauern von 20 Jahren [VAR2], teilweise sogar von 24 Jahren [RWE] gemacht, mit der „kleinen“, aber wichtigen Einschränkung, dass lediglich 250 Lade/ Entladezyklen pro Jahr vorzusehen sind. Man fragt sich unwillkürlich, wie solche Zeiten garantiert werden können, obwohl das Produkt erst seit wenigen Jahren existiert und Langzeiterfahrungen demnach fehlen dürften. Bei den Garantiebestimmungen ist aber möglicherweise dann von lediglich 7 Jahren bzw. 4000 Ladezyklen statt der im Prospekt angegebenen 6000 die Rede [VAR1]. Und als defekt gilt ein Modul erst ab einem Kapazitätsverlust von 20 %. Wenn der Hersteller demnach einen Kapazitätsverlust von 19 % in 7 Jahren für zulässig hält, so würde dies im letzten von 20 Jahren Betriebsjahren knapp 54 % Kapazitätsverlust entsprechen. Häufig finden sich auch keine Angaben zur Selbstentladung, obwohl dies gerade für Langzeitspeicherung ein wichtiger Faktor ist. Und ach ja, nicht zu vergessen – wie sieht es mit der Selbstentladung der Batterien bei längerer Speicherdauer aus?

Misstrauen empfiehlt sich generell auch bei allen Produkten, für die im Datenblatt kein Speicherwirkungsgrad angegeben wird, obwohl dies bei der angegebenen Lebensdauer ein entscheidendes Kriterium darstellt. Bei 6000 Ladezyklen macht es schon einen erheblichen Unterschied, ob ich nur 5 %, 10 % oder gar 15 % des teuren Solarstroms pro Ladezyklus verliere. 6000 Zyklen mal 10 % sind immerhin 600 vollständige Batterieladungen zu je 13,8 kWh, da kommt schon was zusammen. Also Augen auf beim Batterienkauf – und im Zweifel lieber die Finger von windigen Angeboten lassen.

Fred F. Mueller

Quellen

[BATT] http://www.solista-solar.de/lithium-batteriespeicher-photovoltaik/

[FEUE] http://www.hawaiinewsnow.com/story/19173811/hfd-battling-kahuku-wind-farm-blaze

[RWE] www.rwe.de/homepower-solar

[VAR1] http://www.varta-storage.com/de/downloads.html

[VAR2] http://www.varta-storage.com/de/downloads.html

[WIKI] http://de.wikipedia.org/wiki/Bedarf_an_elektrischer_Energie  4.11.2013